Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Original
 
Urteilskopf

97 I 659


95. Auszug aus dem Urteil vom 22. September 1971 i.S. Müller und Konsorten gegen Weber, Stadtrat Zürich und Regierungsrat des Kantons Zürich.

Regeste

Stimmrecht; Gemeinderatswahlen im Wahlkreis Zürich 8.
Sammlung von Wahlzetteln nicht zu persönlicher Stimmabgabe verpflichteter Stimmberechtigter durch Mitglieder der sozialdemokratischen Partei.
1. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts (Erw. 3).
2. Einfluss der behaupteten Unregelmässigkeiten auf das Wahlergebnis (Erw. 4).
3. Verfahren, in dem die notwendig werdende Ersatzwahl durchzuführen ist (Erw. 5).

Sachverhalt ab Seite 659

BGE 97 I 659 S. 659
Aus dem Sachverhalt:

A.- Am 7./8. März 1970 fand in der Stadt Zürich die Erneuerungswahl des Gemeinderates statt. Diese Wahl erfolgt entsprechend der Wahl des Zürcher Kantonsrates nach Kreisen im Verhältniswahlverfahren. Im Wahlkreis Zürich 8, der 7 Mitglieder in den Gemeinderat abordnet, stellten sich auf der Sozialdemokratischen, Gewerkschaftlichen und Angestelltenliste (Liste 5) 7 Kandidaten zur Wahl. Zwei davon wurden als
BGE 97 I 659 S. 660
gewählt erklärt: Hans Müller mit 1993 Stimmen und Otto Weber mit 1879 Stimmen. Die übrigen Kandidaten dieser Liste erzielten folgende Stimmenzahlen: Alfred Hauffe: 1719, Paul Sprecher: 1658, Elsy Bisig: 1642, Heidi Weber: 1611, und Lisbeth Eichenberger: 1542.

B.- Heidi Weber, die selbst auf Liste 5 des Wahlkreises Zürich 8 kandidiert hatte, erhob am 26. März 1970 beim Bezirksrat Zürich Einsprache gegen die Wahl von Hans Müller und Otto Weber. Sie machte geltend, die beiden Gewählten seien vor der Wahl in der Alterssiedlung Riesbach erschienen und hätten bei den Insassen Stimmzettel eingezogen, die sie nachher selbst ausgefüllt und selbst sowie durch Mittelsmänner zur Urne gebracht hätten. In einer persönlichen Befragung durch den Zürcher Stadtpräsidenten anerkannten Hans Müller und Otto Weber, in der Alterssiedlung Riesbach ca. 20 bis 22 Stimmrechtsausweise mit Wahlmaterial eingesammelt und über Mittelsmänner zur Urne gebracht zu haben. Der Wille der Stimmberechtigten sei dabei aber respektiert worden. Eine Delegation des Bezirksrates befragte am 3. April 1970 67 der insgesamt 88 Insassen, welche die Alterssiedlung am 7./8. März 1970 gezählt hatte. 21 Insassen, alles Schweizerbürger, konnten wegen Krankheit oder aus anderen Gründen nicht erreicht werden. Von den befragten 67 Insassen waren 4 Ausländer. 13 der Befragten erklärten, sie hätten ihre Stimmrechtsausweise mit einer Stadtratsliste und einer Gemeinderatsliste einer Gruppe von Besuchern ausgehändigt, zu der auch Hans Müller und Otto Weber gehörten. Die übrigen 50 Insassen, die befragt wurden, hatten ihr Stimmrecht persönlich ausgeübt oder auf den Gang zur Urne verzichtet, ohne den Stimmrechtsausweis Dritten zu übergeben. Hieraus schloss der Bezirksrat, von insgesamt höchstens 34 Stimmrechtsausweisen könne nicht mehr mit Sicherheit festgestellt werden, ob sie den Willen des Stimmberechtigten unverfälscht zum Ausdruck gebracht hätten. Es lasse sich rechnerisch einwandfrei ausschliessen, dass dadurch das Wahlergebnis hätte beeinflusst werden können. Der Bezirksrat wies die Einsprache Heidi Webers ab.

C.- Gegen den Entscheid des Bezirksrates Zürich rekurrierte Heidi Weber an den Regierungsrat des Kantons Zürich. Der Regierungsrat liess sämtliche veränderten Wahlzettel für die Gemeinderatswahlen im Wahlkreis Zürich 8 kontrollieren. Dabei wurde festgestellt, dass verschiedene Zettel der Liste 5
BGE 97 I 659 S. 661
offenbar von gleicher Hand durch Streichen bestimmter Kandidatennamen und handschriftliche Kumulierung anderer Kandidaten abgeändert worden sind. Otto Weber gab in der Folge zu, mehrere der verdächtigen Wahlzettel eigenhändig abgeändert zu haben. Diese Zettel stammten nicht aus der Alterssiedlung Riesbach, sondern seien vor dem Wahltag ihm oder seiner Gattin von alten und kranken Bekannten zur freien Verfügung übergeben worden. Weisungen, die ihm einzelne dieser angeblich höchstens 12 Personen bezüglich der Änderung der Wahlzettel gegeben hätten, habe er befolgt.
Der Regierungsrat stellte fest, die Gesamtzahl der Wahlzettel, die Otto Weber von alten und kranken Stimmberechtigten ausserhalb der Alterssiedlung Riesbach erhalten habe, und die von ihm oder Dritten möglicherweise ohne Erlaubnis modifiziert wurden, könne nicht eindeutig festgestellt werden. Auch könne die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass neben den von Otto Weber geänderten noch weitere Wahlzettel durch Drittpersonen unerlaubterweise modifiziert worden seien. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei hingegen anzunehmen, dass diese Manipulationen keine Verschiebung in der Verteilung der Gemeinderatsmandate des Wahlkreises Zürich 8 unter die verschiedenen Parteien bewirkt hätten. Die von Otto Weber oder anderen Mitgliedern der Sozialdemokratischen Partei allenfalls unzulässigerweise angebrachten Modifikationen hätten höchstens zu Änderungen in der Reihenfolge der gewählten und nichtgewählten Kandidaten von Liste 5 führen können.
Auf Grund dieser Feststellungen beschloss der Regierungsrat am 14. Januar 1971:
"I. Der Rekurs von Frau Heidi Weber, in Zürich, gegen den Entscheid des Bezirksrates Zürich vom 3. April 1970 betreffend Gültigkeit der Gemeinderatswahlen im Wahlkreis Zürich 8 wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen, dass die Wahl der Kandidaten Hans Müller und Otto Weber (beide Liste 5) zu Mitgliedern des Gemeinderates der Stadt Zürich als ungültig erklärt wird.
II. Der Stadtrat Zürich wird eingeladen, die Ergänzungswahl von zwei Mitgliedern des Gemeinderates im Wahlkreis Zürich 8 anzuordnen.
...".

D.- Gegen den Entscheid des Regierungsrates führen
BGE 97 I 659 S. 662
Hans Müller, Otto Weber, Elsy Bisig, Paul Sprecher, Alfred Hauffe und Lisbeth Eichenberger, die alle auf Liste 5 des Wahlkreises Zürich 8 für den Gemeinderat kandidiert hatten, staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht. Sie beantragen, der angefochtene Beschluss sei hinsichtlich Dispositiv Ziff. I und II aufzuheben, eventuell sei er soweit aufzuheben, als er in Dispositiv Ziff. I die Wahl des Kandidaten Hans Müller zum Mitglied des Gemeinderates der Stadt Zürich als ungültig erkläre und in Dispositiv Ziff. II den Stadtrat von Zürich einlade, die Ergänzungswahl von zwei Mitgliedern des Gemeinderates im Wahlkreis Zürich 8 anzuordnen.
Zur Begründung machen sie im wesentlichen geltend, die Wahlaktion in der Alterssiedlung Riesbach und das Vorgehen hinsichtlich der anderswo eingesammelten Wahlzettel könne weder als gesetzwidrig noch als sonst unkorrekt gelten. Die Anordnung einer Ergänzungswahl nach § 105 WahIG sei offensichtlich rechtsverletzend, wenn nicht sogar willkürlich. Eine Ergänzungswahl in diesem Verfahren müsste den Volkswillen verfälschen und die vom Gesetz angestrebte proportionale Mandatsverteilung unter die Parteien beeinträchtigen. Dass der Liste 5 rechtmässig zwei Mandate zufielen, könne nicht mehr in Frage gestellt werden. Ungewiss sei höchstens, welche der auf Liste 5 aufgeführten Kandidaten als gewählt erklärt werden könnten. Um diese Ungewissheit zu beseitigen, sei einzig erforderlich, in einer neuen Wahl hinsichtlich zweier Gemeinderatssitze des Wahlkreises Zürich 8 die unveränderte ursprüngliche Liste 5 für sich allein nochmals zur Abstimmung zu bringen.

E.- Der Regierungsrat des Kantons Zürich und Heidi Weber beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Heidi Weber beantragt ausserdem eventuell, der Entscheid des Regierungsrates sei aufzuheben, weil er nicht die gesamte Gemeinderatswahl im Wahlkreis Zürich 8 ungültig erklärt und ihre Wiederholung angeordnet habe.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Das politische Stimmrecht ist ein vom Bundesrecht gewährleistetes verfassungsmässiges Recht. Es gibt dem Einzelnen unter anderem Anspruch darauf, dass kein Wahl- oder Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Wählerschaft zuverlässig und unverfälscht zum
BGE 97 I 659 S. 663
Ausdruck bringt (BGE 89 I 443 mit Hinweisen). Stellt das Bundesgericht in dieser Hinsicht Unregelmässigkeiten fest, die das Wahl- oder Abstimmungsergebnis beeinflusst haben können, so hebt es die betreffende Wahl oder Abstimmung auf. Der - oft unmögliche - Beweis, dass die fraglichen Unregelmässigkeiten das Wahlergebnis tatsächlich beeinflusst haben, ist dabei nicht erforderlich. Es reicht, wenn der Sachverhalt dies als äusserste Annahme an sich zulässt. Die Sachverhaltsfeststellungen dazu prüft das Bundesgericht nur auf Willkür. Ob das Ergebnis ohne die Unregelmässigkeiten hätte anders ausfallen können, prüft es hingegen frei. Frei prüft es auch die Auslegung der Vorschriften des Bundesrechts und des kantonalen Rechts, welche das Stimmrecht nach Inhalt und Umfang näher normieren sowie derjenigen Verfahrensvorschriften, die eng mit dem Stimmrecht selbst, mit dessen Inhalt und Umfang, zusammenhangen (BGE 93 I 535 ff. mit Hinweisen).

4. Nach § 39 des zürch. Gesetzes über die Wahlen und Abstimmungen vom 4. Dezember 1955 (WahIG) dürfen Stimmberechtigte, die das sechzigste Altersjahr zurückgelegt haben, sowie Invalide und Kranke, die einen Ausweis darüber erbringen, dass sie am Gang zur Urne verhindert sind, ihren Stimmzettel durch einen anderen Stimmberechtigten zur Urne bringen lassen. Niemand darf zur gleichen Sache mehr als zwei Stimmzettel einlegen. Diese Bestimmungen zählen zu den Verfahrensvorschriften, die eng mit dem Stimmrecht selbst, mit dessen Inhalt und Umfang, zusammenhangen und deren Auslegung deshalb vom Bundesgericht frei überprüft wird. § 39 WahIG bezeichnet die für alte, invalide und kranke Stimmberechtigte vorgesehene Erleichterung bei der Stimmabgabe als Stellvertretung. Dies ist missverständlich. Der Überbringer des Stimm- oder Wahlzettels eines alten, invaliden oder kranken Stimmberechtigten darf den ihm übergebenen Zettel weder eigenmächtig abändern noch durch einen anderen Zettel ersetzen. Er hat, wie die Beschwerdeführer anerkennen, einzig die Funktion eines Boten. Die Gefahr, dass er seine Befugnisse überschreitet, scheint in der Regel gering, weil der alte, invalide oder kranke Stimmberechtigte, der von der Erleichterung Gebrauch machen will, seinen Stimm- oder Wahlzettel gewöhnlich einer ihm bekannten Person übergibt, von der er annimmt, sie werde das ihr bekundete Vertrauen nicht missbrauchen. Anders verhält es sich jedoch, wenn eine oder mehrere Personen,
BGE 97 I 659 S. 664
die am Ergebnis des Urnengangs besonders interessiert sind, planmässig Stimm- oder Wahlzettel von Stimmberechtigten sammeln, die nach § 39 WahIG wegen ihres Alters oder ihres Gesundheitszustandes ihre Stimme nicht persönlich abgeben müssen und sie diese Stimm- oder Wahlzettel zur Abgabe an Drittpersonen verteilen. Hier muss ernstlich befürchtet werden, dass die Zettel vor der Abgabe unerlaubterweise im Sinne der Sammler abgeändert werden und in der Urne nicht mehr den Willen ihres ursprünglichen Inhabers ausdrücken, mithin der Wille der Wählerschaft verfälscht wird. Sammelaktionen dieser Art erscheinen deshalb schon an sich als unzulässig und können je nach ihrem Umfange zur Aufhebung einer Wahl oder Abstimmung führen. Hans Müller und Otto Weber anerkennen, in der Alterssiedlung Riesbach 20 bis 22 Wahlzettel gesammelt und diese Zettel anschliessend an stimmberechtigte Wahlhelfer ihrer Partei zur Abgabe verteilt zu haben. Ausserdem hat eine Kontrolle sämtlicher veränderten Wahlzettel des Wahlkreises Zürich 8 ergeben, dass 31 Zettel der Liste 5 möglicherweise von derselben Person modifiziert worden sind. Otto Weber gibt zu, dass er mehrere der verdächtigen Wahlzettel eigenhändig abgeändert hat. Er behauptet, dies sei im Einverständnis mit den Berechtigten geschehen. Insgesamt habe es sich um höchstens 12 Zettel gehandelt. Diese Zettel stammten nicht aus der Alterssiedlung Riesbach, sondern seien ihm oder seiner Gattin vor dem Wahltag von alten und kranken Bekannten zur freien Verfügung übergeben worden.
Damit steht fest, dass im Wahlkreis Zürich 8 bei der Erneuerungswahl des Gemeinderates Unregelmässigkeiten vorgekommen sind, die je nach ihrem Ausmasse zur Ungültigerklärung der Wahl in diesem Wahlkreis führen können. Den Behauptungen von Hans Müller und Otto Weber, sie hätten auf den eingesammelten Wahlzetteln keine unzulässigen Änderungen angebracht, kommt umso weniger Gewicht zu, als Wahlzettel ja zur Abgabe an Drittpersonen verteilt wurden, die ihrerseits darauf unzulässige Änderungen anbringen konnten. Die Möglichkeit unzulässiger Praktiken lässt sich im vorliegenden Falle, wie der Regierungsrat richtig erkannt hat, somit nicht ausschliessen.
Die Vorinstanz hat zutreffend festgestellt, dass die in Frage stehenden Unregelmässigkeiten jedenfalls ohne Einfluss auf die Verteilung der Gemeinderatsmandate unter die verschiedenen
BGE 97 I 659 S. 665
Listen waren. Sie nimmt auch an, dass die Reihenfolge der gewählten und nichtgewählten Kandidaten auf den Listen 1 bis 4 und auf Liste 6 dadurch nicht verändert werden konnte. Dies wird von den Beschwerdeführern nicht bestritten. Zu prüfen bleibt somit lediglich, ob Änderungen in der Reihenfolge der gewählten und nichtgewählten Kandidaten von Liste 5 des Wahlkreises Zürich 8 hätten eintreten können, wenn die Unregelmässigkeiten unterblieben wären. Dabei ist vom äussersten Falle auszugehen, dass sämtliche eingesammelten Wahlzettel unerlaubterweise modifiziert wurden, und zwar ausschliesslich zugunsten von Hans Müller und Otto Weber und zulasten der beiden ersten Ersatzleute, Alfred Hauffe und Paul Sprecher. Dürfte mit den Beschwerdeführern angenommen werden, die fragliche "Wahlaktion" habe tatsächlich höchstens 35 Wahlzettel erfasst, so müssten im äussersten Falle Müller und Weber, die möglicherweise 35 mal unrechtmässig kumuliert wurden, je 70 Stimmen abgezogen werden, die anderseits den beiden ersten Ersatzleuten Hauffe und Sprecher zugute kämen. Dies ergäbe folgende Resultate:
Hans Müller: 1993-70= 1923
Otto Weber: 1879-70= 1809
Alfred Hauffe: 1719+70= 1789
Paul Sprecher: 1658+70= 1728
Es könnte also ausgeschlossen werden, dass die fraglichen Unregelmässigkeiten Einfluss auf die Reihenfolge der vier genannten Kandidaten von Liste 5 haben konnten.
Nun steht aber nicht fest, dass die Gesamtzahl der eingesammelten Wahlzettel, die möglicherweise unrechtmässig modifiziert worden sind, nicht wesentlich über 35 liegt. Otto Weber sagte in seiner Befragung vom 21. August 1970 aus, nach seiner Erinnerung hätten er und seine Frau insgesamt höchstens zwölf Wahlzettel von Stimmberechtigten ausserhalb der Alterssiedlung Riesbach erhalten. An die genaue Zahl erinnerte er sich aber offenbar nicht mehr. Auch konnte er von einigen der ihm vorgelegten verdächtigen Wahlzettel nicht sagen, ob er sie selbst abgeändert habe. Die Gesamtzahl der eingesammelten und über Vertrauensleute zur Urne gebrachten Wahlzettel steht somit ebensowenig fest wie die Höchstzahl allenfalls vorgekommener unzulässiger Manipulationen und kann auch entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer nicht mehr ermittelt werden.
BGE 97 I 659 S. 666
Dies gilt selbst, wenn man mit den Beschwerdeführern annehmen wollte, in der Alterssiedlung Riesbach seien höchstens 22 Wahlzettel gesammelt worden und nicht 34 wie die Vorinstanz annimmt. Fest steht hingegen, dass eine nicht bekannte Anzahl von Mitgliedern und Vertrauensleuten der Sozialdemokratischen Partei planmässig Wahlmaterial von alten, invaliden und kranken Stimmberechtigten sammelte und an die Urne brachte. Dass es sich dabei um eine organisierte Aktion grösseren Stils handelte, geht aus der unbestrittenen Tatsache hervor, dass mindestens eine Versammlung von Vertrauensleuten der genannten Partei durchgeführt wurde, um das eingesammelte Wahlmaterial zu verteilen. Die Vorinstanz verfällt somit nicht in Willkür, wenn sie feststellt, es sei nicht ausgeschlossen, dass unzulässige Veränderungen der Stimmenzahlen der Kandidaten von Liste 5 erfolgt seien, die geeignet waren, das Wahlergebnis zu beeinflussen. Damit aber können die vom Zentralwahlbüro der Stadt Zürich publizierten Stimmenzahlen der Kandidaten von Liste 5 des Wahlkreises Zürich 8 nicht als wahrer Wille der Wählerschaft anerkannt werden. Zu Recht hat der Regierungsrat deshalb die Wahl von Hans Müller und Otto Weber zu Mitgliedern des Gemeinderates der Stadt Zürich ungültig erklärt.

5. Der Regierungsrat weist in Dispositiv Ziff. II seines Entscheides den Stadtrat Zürich an, die Ergänzungswahl von zwei Mitgliedern des Gemeinderates im Wahlkreis Zürich 8 anzuordnen. Dies ist an sich richtig. Versteht man das Dispositiv aber im Lichte des letzten Satzes der Erwägungen zum angefochtenen Entscheid - und so versteht es wohl der Regierungsrat - so geht sein Sinn weiter als der Wortlaut. Der Regierungsrat hat dann dem Stadtrat auch aufgegeben, die Ergänzungswahl im Verfahren nach § 105 WahIG durchzuführen. Dagegen wehren sich die Beschwerdeführer, da in diesem auf dem Majorzprinzip beruhenden Verfahren jede Partei wieder Kandidaten zur Wahl stellen könne, was zu Sitzverschiebungen zwischen den Parteien führen würde. Sie halten dafür, bei der Ergänzungswahl müsse die Auswahl auf die ursprünglich auf Liste 5 des Wahlkreises Zürich 8 aufgeführten Kandidaten beschränkt bleiben.
Auf Liste 5 des Wahlkreises Zürich 8 entfielen bei der Verteilung zwei der insgesamt sieben Sitze des Wahlkreises. Wie bereits erwähnt, darf ausgeschlossen werden, dass die hier in
BGE 97 I 659 S. 667
Frage stehenden Unregelmässigkeiten die Sitzverteilung unter den Parteien beeinflusst haben. Überdies stellen die Vorinstanz wie die Beschwerdeführer übereinstimmend fest, auch eine Veränderung der Reihenfolge der gewählten und nichtgewählten Kandidaten auf den Listen 1 bis 4 und 6 könne ausgeschlossen werden. Die Ungültigerklärung der gesamten Gemeinderatswahl im Wahlkreis Zürich 8 verstiesse unter diesen Umständen gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit von Verwaltungseingriffen. Sie würde die rechtmässig erworbenen Positionen der verschiedenen Parteien und der auf den Listen 1 bis 4 und 6 gewählten Kandidaten verletzen. Ungültig zu erklären sind vielmehr nur die Resultate der Kandidaten von Liste 5, also insbesondere auch die Wahl von Hans Müller und Otto Weber, die möglicherweise nur mit Hilfe unrechtmässig beschaffter zusätzlicher Stimmen zustandegekommen ist.
Über das Verfahren, in dem die damit notwendig werdende Ersatzwahl durchzuführen ist, enthält das zürcherische Wahlgesetz keine Vorschrift. Scheidet während der Amtsdauer ein Ratsmitglied aus, so erklärt nach § 104 WahIG der Regierungsrat an seiner Stelle denjenigen als gewählt, der unter den Nichtgewählten der gleichen Liste am meisten Stimmen erzielt hatte. Enthält die betreffende Liste keine nichtgewählten Kandidaten mehr, so findet nach § 105 WahIG eine Ersatzwahl statt, bei der das relative Mehr entscheidet. Die Kandidaten mit der höchsten Stimmenzahl werden als gewählt erklärt. Der Regierungsrat ist der Ansicht, § 105 WahIG sei sinngemäss auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Wie die Beschwerdeführer zutreffend erklären, beschränkt sich eine Nachwahl nach § 105 WahIG nicht auf Kandidaten der Partei, deren Liste erschöpft ist. An ihr können sich im Gegenteil Kandidaten beliebig vieler Parteien und Gruppierungen beteiligen, was gegenüber der Gesamterneuerungswahl zu Sitzverschiebungen führen kann. Würden die Ersatzwahlen im vorliegenden Falle im Verfahren nach § 105 WahIG durchgeführt, so wäre angesichts des Kräfteverhältnisses zwischen den Parteien im Wahlkreis Zürich 8 auch tatsächlich mit Sitzverschiebungen zu rechnen. Nun bildet aber die hier notwendige Ersatzwahl Teil der Gesamterneuerungswahl des Zürcher Gemeinderates. Diese Wahl war schon nach § 32 Abs. 3 des Gesetzes betreffend die Zuteilung der Gemeinden Aussersihl, ... an die Stadt Zürich ... vom 9. August 1891 in der Fassung vom 23. April 1933 wie heute nach Art. 23 Abs. 2 der Gemeindeordnung
BGE 97 I 659 S. 668
der Stadt Zürich vom 26. April 1970 im Verhältniswahlverfahren durchzuführen. § 105 WahIG regelt demgegenüber einen grundsätzlich anderen Fall der Ersatzwahl. Seine sinngemässe Anwendung auf den vorliegenden Fall verbietet sich umso mehr, als festgestellt wurde, dass die vorgekommenen Unregelmässigkeiten die Sitzverteilung unter den Parteien nicht zu beeinflussen vermochten, der Liste 5 somit rechtmässig zwei Mandate zugefallen sind.
Ungültig erklärt wurden die Resultate, welche die Kandidaten von Liste 5 des Wahlkreises Zürich 8 erzielt haben und damit auch die Wahl von Hans Müller und Otto Weber. Die Liste als solche jedoch ist nicht ungültig. Nach § 94 Abs. 3 WahIG darf eine bereinigte Liste nicht mehr geändert werden. Muss eine Wahl, welche im Verhältniswahlverfahren durchgeführt wird, als Ganzes ungültig erklärt und wiederholt werden, so nehmen an der Wiederholung dieselben Listen mit denselben Kandidaten teil wie am ungültig erklärten Wahlgang. Es scheint richtig, im vorliegenden Falle, wo lediglich die Resultate der Kandidaten von Liste 5 ungültig erklärt werden, in Anlehnung hieran die Ersatzwahl im Wahlkreis Zürich 8 auf die auf Liste 5 aufgeführten Kandidaten zu beschränken. Damit wird am besten der im Proporzverfahren geäusserte Volkswille respektiert, welcher der Liste 5 zwei Gemeinderatssitze zuerkennt. Zur Wahl, bei der das relative Mehr entscheidet, können aus praktischen Gründen nicht blossjene Wähler zugelassen werden, die beim Wahlgang vom 7./8. März 1970 ihre Stimme für Kandidaten der Liste 5 abgegeben haben; zuzulassen sind im Gegenteil alle Stimmberechtigten des Wahlkreises Zürich 8. Dass bei dieser Lösung eine Mehrheit von nichtsozialdemokratischen Wählern diejenigen unter den sieben Kandidaten von Liste 5 bestimmen kann, welche die auf diese Liste entfallenden Gemeinderatssitze einnehmen dürfen, mag auf den ersten Blick unbefriedigend scheinen. Dieser Nachteil wiegt jedoch leicht gegenüber den Nachteilen aller anderen denkbaren Lösungen. Er ist der Preis für die "Wahlaktion".

Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen teilweise gutgeheissen.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 3 4 5

Dispositiv

Referenzen

BGE: 89 I 443, 93 I 535