BGE 89 I 55
 
9. Urteil vom 1. Februar 1963 i.S. Meier gegen Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft.
 
Regeste
Einspruch gegen Liegenschaftskäufe.
2. Ausnahme für ausgeschiedenes Baugebiet; Voraussetzungen (Erw. 1).
3. Offensichtliche Spekulationsabsicht des Käufers? (Erw. 2).
4. Verkauf, der zur Folge hat, dass ein landwirtschaftliches Gewerbe die Existenzfähigkeit verliert (Erw. 3).
5. Wichtige Gründe für die Aufhebung des Gewerbes? (Erw. 4).
 
Sachverhalt


BGE 89 I 55 (55):

A.- Landwirt Karl Freivogel ist Eigentümer eines bäuerlichen Heimwesens in Wintersingen. Es hatte früher rund 4,7 ha umfasst. Davon hat Freivogel am 9. Februar 1961 7 a, am 16. November 1961 5,58 a und am 8. März 1962 3,72 a verkauft. Er hat etwas mehr als 1 ha an Bauern verpachtet; den Rest seines Landes bewirtschaftet er selbst.
Gemäss Kaufvertrag vom 26. April 1962 möchte er

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ein weiteres, aus zwei aneinanderstossenden Parzellen bestehendes, 63,79 a messendes Stück Land für Fr. 20'000. - an Staatsweibel Ernst Meier in Wintersingen veräussern. Der Käufer will darauf, wie er erklärt, ein Wohnhaus für sich und seine Familie bauen.
B.- Gegen diesen Verkauf hat die Landwirtschaftsdirektion des Kantons Basel-Landschaft gestützt auf Art. 19 des BG über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes (EGG) Einspruch erhoben.
Der Regierungsrat hat den Einspruch mit Entscheid vom 25. September 1962 bestätigt, mit der Begründung: Das Grundstück, das Ernst Meier erwerben will, sei nicht Bauland. Für den Bau eines Eigenheims wären auch nicht 63,79 a erforderlich. Der Käufer handle offensichtlich in Spekulationsabsicht (Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG). Zudem verliere durch den Verkauf ein landwirtschaftliches Gewerbe seine Existenzfähigkeit (lit. c daselbst).
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt Ernst Meier, der Entscheid des Regierungsrates sei aufzuheben und der Einspruch der Landwirtschaftsdirektion unbegründet zu erklären.
Es wird geltend gemacht, der Betrieb Freivogels könne die Existenzfähigkeit nicht erst durch den Verkauf einer Parzelle an den Beschwerdeführer verlieren, da sie ihm schon seit langem abgehe. Dem Eigentümer, der 67 Jahre alt sei und dessen Nachkommen, zwei Töchter, auswärts verheiratet seien, könne nicht verwehrt werden, die Besitzung zu liquidieren. Das in Frage stehende Grundstück gehöre zu dem von der Gemeinde ausgeschiedenen Baugebiet. Der Beschwerdeführer wolle es nicht zum Zwecke der Spekulation erwerben, sondern darauf eine eigene Heimstätte bauen und einen Pflanzgarten anlegen. Er sei bereit, das dafür nicht benötigte Land, das er auf Begehren Freivogels habe in Kauf nehmen müssen, ohne Gewinn an die Gemeinde weiterzuveräussern.
D.- Der Regierungsrat beantragt Abweisung der Beschwerde.


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Das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement hält dafür, dass keine offensichtliche Spekulation vorliege. Es enthält sich indessen eines Antrages, da es mangels genügender Kenntnis des Sachverhalts nicht beurteilen könne, ob der Einspruch nach Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG begründet sei.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 19 EGG kann gegen den Verkauf landwirtschaftlicher Heimwesen oder zu einem solchen gehörender Liegenschaften Einspruch erhoben werden. Unter einem landwirtschaftlichen Heimwesen im Sinne dieser Bestimmung ist nach der Rechtsprechung eine aus Land und Gebäulichkeiten bestehende Einheit zu verstehen, die geeignet ist, einer Bauernfamilie als Lebenszentrum und Grundlage für den Betrieb eines landwirtschaftlichen Gewerbes zu dienen (BGE 87 I 237 Erw. 2). Die Besitzung Freivogels ist ein solches Heimwesen. Sie hat zwar früher, bis Anfang 1961, nur rund 4,7 ha umfasst und misst heute, nach Abtrennung verschiedener in den Jahren 1961/62 verkaufter Parzellen, nur noch rund 4,5 ha. Aber sie war und ist gross genug, dass darauf ein landwirtschaftliches Gewerbe, so klein es auch sein mag, betrieben werden kann. Unter dem Schutz des Art. 19 EGG stehen auch Kleinheimwesen, deren Bewirtschaftung für sich allein eine Familie nicht zu ernähren vermag (BGE 80 I 96, 412; BGE 81 I 109, 254). Wenn Freivogel, wie der Beschwerdeführer erklärt, rund 1 ha an Bauern verpachtet hat und nur den Rest seines Landes selbst bewirtschaftet, so ändert dies nichts daran, dass seine Besitzung als Ganzes, nach ihrer objektiven Beschaffenheit, ein landwirtschaftliches Heimwesen im Sinne des Gesetzes darstellt.
Der Beschwerdeführer wendet ein, dass das Land, das Gegenstand des durch Einspruch angefochtenen Kaufvertrages ist, in dem von der Gemeindeversammlung von Wintersingen am 30. Oktober 1962 genehmigten Plan als Baugebiet ausgeschieden ist. Er will damit vermutlich vor allem geltend machen, dass dieses Land infolgedessen

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gemäss Art. 3 EGG und § 1 des kantonalen Einführungsgesetzes vom Einspruchsverfahren ausgenommen sei. Indessen ist jener Plan mangels Genehmigung durch den Regierungsrat (noch) nicht verbindlich. Nach der zur Zeit geltenden Ordnung unterliegt das in Frage stehende Land dem Einspruchsverfahren.
2. Der Beschwerdeführer erklärt, er wolle auf dem gekauften Grundstück ein Wohnhaus für sich und seine Familie bauen. Es darf angenommen werden, dass er den Kaufvertrag wirklich zu diesem Zwecke abgeschlossen hat. Er wohnt bereits in Wintersingen und amtet dort als Gemeindeschreiber, steht also in engen Beziehungen zum Ort und seiner Bevölkerung. Er hat wahrscheinlich, und zwar offenbar nicht ohne Grund, mit einer Zuteilung des Landes zum Baugebiet gerechnet. Gewiss benötigt er, wie er selbst sagt, für Haus und Garten nicht die ganze gekaufte Fläche von 63,79 a, sondern nur ungefähr die Hälfte davon. Aber nach seinen Angaben, die nicht ohne weiteres als unglaubwürdig betrachtet werden können, hat Freivogel ihm nicht nur einen Teil verkaufen wollen und ist er (Beschwerdeführer) bereit, den von ihm nicht benötigten Boden ohne Gewinn an die Gemeinde weiterzuveräussern.
Unter diesen Umständen kann der Auffassung des Regierungsrates, dass dem Kauf offensichtlich Spekulationsabsicht zugrunde liege (Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG), nicht zugestimmt werden. Es ist nicht offensichtlich, dass der Beschwerdeführer das Land bei sich bietender Gelegenheit, möglichst bald, mit Gewinn wieder veräussern möchte (BGE 83 I 313) oder dass er einen Gewinn durch eine andere Verwendung des bisher landwirtschaftlich genutzen Bodens anstrebt, insbesondere durch Erstellung von Miethäusern und Vermietung der Wohnungen (BGE 87 I 239 /40).
Wie der Regierungsrat im angefochtenen Entscheide feststellt, vermag allerdings das Heimwesen Freivogels schon in seinem heutigen Umfang (rund 4,5 ha) für sich allein einer Bauernfamilie keine auskömmliche Existenz zu bieten. Aber die Abtrennung der an den Beschwerdeführer verkauften 63,79 a hätte zur Folge, dass das landwirtschaftliche Gewerbe, das bisher auf der Besitzung hat betrieben werden können, noch wesentlich kleiner würde, eine Bauernfamilie noch viel weniger zu ernähren vermöchte. Einem landwirtschaftlichen Gewerbe würde in der Form, in der es bisher hat ausgeübt werden können, durch Veräusserung dieser Fläche die Lebensfähigkeit, die schon infolge der Verkäufe von insgesamt 16,3 a in den Jahren 1961/62 beeinträchtigt worden ist, vollends entzogen.
Auch in einem solchen Fall muss aber angenommen werden, dass im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG durch den Verkauf ein landwirtschaftliches Gewerbe seine Existenzfähigkeit verliert. Denn dieses Gesetz bezweckt unter anderm gerade die Erhaltung möglichst vieler Bauernbetriebe, welche Grundlage der Existenz einer Bauernfamilie sein können (Art. 1 und 19 Abs. 1 lit. b; vgl. BGE 83 I 230 Erw. 1). Der abweichenden Auslegung, welche der Beschwerdeführer jener Vorschrift geben möchte, kann nicht beigestimmt werden. Sie würde dazu führen, dass die Bestimmung solange nicht angewendet werden könnte, als noch ein landwirtschaftliches Kleingewerbe, das im Nebenberuf betrieben werden kann, erhalten bleibt. Das ist nicht der Sinn des Gesetzes (BGE 88 I 327 Erw. 2 und nicht publiziertes Urteil vom 21. Dezember 1962 i.S. Kopp).
4. Nach Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG wäre, obwohl durch den umstrittenen Verkauf ein landwirtschaftliches Gewerbe seine Existenzfähigkeit verlöre, der Einspruch gegen ihn dann unbegründet, wenn das zu veräussernde

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Grundstück zur Überbauung nicht nur bestimmt, sondern auch geeignet wäre oder wenn der Verkauf sich durch andere wichtige Gründe rechtfertigen liesse.
a) Der Beschwerdeführer will offenbar geltend machen, das von ihm zur Überbauung gekaufte Land sei für diesen Zweck auch geeignet.
Wie oben erwähnt, ist der von der Gemeindeversammlung von Wintersingen gutgeheissene Plan, welcher die Zuteilung dieses Landes zum Baugebiet vorsieht, vom Regierungsrat noch nicht genehmigt worden. Der Regierungsrat stellt fest, dass er den Plan nur soweit genehmigen wird, als das darin als Bauland ausgeschiedene Areal innerhalb des Perimeters des generellen Kanalisationsprojektes liegt. Das in Frage stehende Land liegt aber ausserhalb des Perimeters des heute gültigen generellen Kanalisationsprojekts. Zwar hat der Gemeinderat am 3.Mai 1962 beschlossen, das generelle Kanalisationsprojekt auf dieses Land auszudehnen. Indessen bedürfte auch diese Ausdehnung, um gültig zu sein, der Genehmigung des Regierungsrates. Sie hat jedoch, wie der Regierungsrat erklärt, wenig Aussicht auf Genehmigung, es wäre denn, dass das ganze generelle Kanalisationsprojekt überarbeitet würde. Der Beschwerdeführer behauptet nicht das Gegenteil. Nach der Ordnung, die gegenwärtig besteht und in absehbarer Zeit nicht geändert werden wird, würde aber für eine Baute, wie sie der Beschwerdeführer auf dem gekauften Areal errichten will, keine Bewilligung erteilt.
Dieses Land ist somit jedenfalls zur Zeit für die Überbauung, die der Beschwerdeführer zu beabsichtigen scheint, nicht geeignet, weil ihr Vorschriften des kantonalen Rechtes entgegenstehen.
b) Ein anderer wichtiger Grund im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG wäre nach den Darlegungen der Beschwerde die persönliche Lage des Verkäufers. Es wird darauf hingewiesen, dass Freivogel das 67. Altersjahr erreicht hat, dass seine einzigen Nachkommmen, zwei Töchter, auswärts verheiratet sind und dass er keine Arbeitskräfte

BGE 89 I 55 (61):

findet. Unter diesen Umständen sei, erklärt der Beschwerdeführer, ohnehin in naher Zukunft mit der Liquidation des landwirtschaftlichen Betriebes des Verkäufers zu rechnen.
Darin, dass der Eigentümer eines Heimwesens den Landwirtschaftsbetrieb aufgeben will, kann jedoch ein wichtiger Grund, der die Auflösung des Gewerbes (in der bisherigen Form) rechtfertigen würde, nicht erblickt werden. Das EGG will die bestehenden landwirtschaftlichen Heimwesen dem Bauernstand erhalten. Es soll verhindern, dass ein landwirtschaftliches Gewerbe deshalb eingeht, weil der derzeitige Eigentümer den Betrieb nicht weiterführen kann oder will. Anderseits schliesst es einen Verkauf, der die Auflösung des Heimwesens nicht zur Folge hat, nicht aus. Es lässt zu, dass der Eigentümer das Heimwesen als Ganzes an jemanden veräussert, der dafür Gewähr bietet, dass es der Landwirtschaft erhalten bleibt (BGE 88 I 329 lit. b). Diese Möglichkeit hat auch Freivogel, obwohl sein Heimwesen klein und stark parzelliert ist. Nach den - nicht widerlegten - Feststellungen des Regierungsrates ist es in Wintersingen nicht schwierig, Land hinzuzupachten, und könnte dort mit der Zeit auch eine Güterzusammenlegung zustande kommen.
c) Andere Tatsachen, welche als wichtige Gründe in Betracht kommen könnten, werden nicht genannt und sind auch nicht ersichtlich. Der vom Beschwerdeführer beanstandete Einspruch ist daher nach Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG begründet.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.