BGE 87 I 384
 
64. Auszug aus dem Urteil vom 8. Dezember 1961 i.S. H. gegen Steuerrekurskommission des Kantons St. Gallen.
 
Regeste
Wehrsteuer für Einkommen: Einmalige Entschädigungen, die für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Erwerbstätigkeit gewährt werden, fallen nicht unter Art. 40 Abs. 2 WStB (Besteuerung zum Rentensatz).
 
Sachverhalt


BGE 87 I 384 (384):

Aus dem Tatbestand:
Die Ehefrau des Beschwerdeführers H. hat im Jahre 1959 ihren geschäftlichen Betrieb aufgegeben. Ihre Liegenschaft, die sie für das Geschäft verwendet hatte, ist vom Kanton enteignet worden. Frau H. hat vom Enteigner u.a. eine einmalige Entschädigung für die Aufgabe ihrer bisherigen Erwerbstätigkeit erhalten.
Es ist streitig, wie diese Entschädigung bei der Einschätzung des Beschwerdeführers zur Wehrsteuer der 11. Periode als Einkommen zu erfassen ist. Der Beschwerdeführer beantragt unter Berufung auf Art. 40 Abs. 2 WStB, lediglich den der Kapitalleistung und der Lebenserwartung der Ehefrau entsprechenden Betrag einer jährlichen Rente zum sonstigen Einkommen hinzuzurechnen. Dagegen nehmen die kantonale Rekurskommission und die eidgenössische Steuerverwaltung an, dass die Entschädigung auf einmal als Einkommen zu besteuern sei; und zwar hält die Steuerverwaltung den normalen Satz der Einkommenssteuer, die Rekurskommission jedoch den Rentensatz gemäss Art. 40 Abs. 2 WStB für anwendbar.
 
Aus den Erwägungen:
4. Es bleibt zu prüfen, ob bei der Veranlagung des Beschwerdeführers für die Wehrsteuer der 11. Periode die

BGE 87 I 384 (385):

Entschädigung für die Aufgabe der bisherigen Erwerbstätigkeit der Ehefrau, zusammen mit den übrigen Einkünften, zum normalen Satz der Einkommenssteuer oder aber zum Rentensatz gemäss Art. 40 Abs. 2 WStB zu erfassen sein wird.
Vorweg ist festzustellen, dass das Begehren des Beschwerdeführers, es sei in der 11. Periode nur der der Kapitalleistung entsprechende Betrag einer jährlichen Rente zum sonstigen Einkommen hinzuzurechnen, abwegig ist. Die Kapitalleistung ist in der genannten Periode im vollen Umfang, auf einmal, als Einkommen zu besteuern. Nach Art. 40 Abs. 2 WStB wäre, wenn er Anwendung fände, lediglich für die Ermittlung des Steuersatzes auf die jährliche Rente abzustellen, welche der einmaligen Kapitalzahlung entsprechen würde. Hierauf beschränkt sich die Steuererleichterung, welche in der Bestimmung vorgesehen ist.
Art. 40 Abs. 2 WStB ist anwendbar, wenn zum steuerbaren Einkommen "Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen, Ersatzleistungen für bleibende Nachteile oder Kapitalabfindungen bei Beendigung eines Dienstverhältnisses" gehören. Dieser Text lehnt sich an die Vorschriften über das Ersatzeinkommen in Art. 21 Abs. 1 lit. a am Ende an, wo Art. 40 vorbehalten wird. (Vgl. BGE 71 I 448 Erw. 4, betreffend Art. 40 Abs. 1 in der ursprünglichen Fassung. Auf diese Fassung verweist der Vorbehalt von "Art. 40 Abs. 1" in Art. 21 Abs. 1 lit. a. Die Verweisung ist bei der Revision von 1954 offenbar aus Versehen nicht geändert worden. Sie ist nun auf den neuen Art. 40 Abs. 2 zu beziehen.)
Am Schluss von Art. 21 Abs. 1 lit. a werden als Beispiele von Ersatzeinkommen u.a. genannt "Kapitalabfindungen aus Dienstverhältnis, insbesondere für Ruhegehälter, Renten und Pensionen, Ersatzleistungen für bleibende Nachteile, Entschädigungen, die für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit gewährt werden". Art. 40 Abs. 2 verwendet gleiche oder ähnliche Ausdrücke, erwähnt

BGE 87 I 384 (386):

aber, im Unterschied zu jener Bestimmung, die Entschädigungen für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit nicht. Angesichts des engen Zusammenhanges zwischen den zwei Bestimmungen sind die Wendungen, die in beiden vorkommen, im gleichen Sinne zu verstehen und ist daraus, dass Art. 40 Abs. 2 in Abweichung von Art. 21 Abs. 1 lit. a die Entschädigungen für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit nicht nennt, der Schluss zu ziehen, dass diese Leistungen von der in Art. 40 Abs. 2 vorgesehenen Steuererleichterung ausgenommen sind (BGE 71 I 449). Der Gesetzgeber hätte solche Entschädigungen auch in Art. 40 Abs. 2 erwähnen müssen, wenn er sie ebenfalls hätte steuerlich privilegieren wollen. Die Steuervergünstigung ist auf die Tatbestände beschränkt, welche diese Bestimmung abschliessend aufzählt.
Der Ausschluss der für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit ausgerichteten Entschädigungen von der Vergünstigung lässt sich auch sachlich rechtfertigen. Die in Art. 40 Abs. 2 aufgeführten Leistungen haben miteinander gemein, dass sie ein Entgelt für Ansprüche darstellen, die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge durch periodische Zahlungen abgegolten werden. Zu den Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen ist vor allem die an die Stelle einer Pension tretende einmalige Zahlung bei Beendigung des Dienstverhältnisses zu zählen. Art. 40 erwähnt die Kapitalabfindungen bei Beendigung eines Dienstverhältnisses nur deshalb noch besonders, weil der ursprüngliche Text, der bloss die Kapitalabfindungen für wiederkehrende Leistungen und die Ersatzleistungen für bleibende Nachteile erwähnte, Anlass zum Zweifel daran gab, ob auch die bei vorzeitiger Auflösung des Dienstverhältnisses nur für begrenzte Zeit gewährte einmalige Entschädigung der Steuervergünstigung teilhaftig sei (Botschaft des Bundesrates über die Ausführung der Finanzordnung 1955 bis 1958, BBl 1954 II S. 782). Die Kapitalabfindung aus Dienstverhältnis ersetzt periodische Leistungen (namentlich

BGE 87 I 384 (387):

Pensionen), welche dem Arbeitnehmer für den Fall des Ausscheidens aus dem Dienst vertraglich oder statutarisch zugesichert oder sonstwie zugedacht waren. Zu den Ersatzleistungen für bleibende Nachteile gehören insbesondere einmalige Entschädigungen dafür, dass der Empfänger infolge dauernder (voller oder teilweiser) Invalidität einen bleibenden Einkommensausfall erleidet. Auch diese Entschädigungen werden anstatt periodischer Leistungen ausgerichtet, die sonst - als Ersatz für das ausfallende Einkommen aus dauernder Erwerbstätigkeit - zu erbringen gewesen wären. Dagegen hat die Entschädigung für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit einen wesentlich anderen Charakter. Wer eine Erwerbstätigkeit an einem bestimmten Orte aufgibt, behält in der Regel die Möglichkeit, die gleiche Tätigkeit anderswo fortzusetzen oder sich einer anderen Wirksamkeit zuzuwenden und damit alsbald wieder auf den früheren oder einen noch grösseren Verdienst zu kommen (vgl. BGE 71 I 449 unten). Die einmalige Entschädigung für die Aufgabe der bisherigen Tätigkeit stellt also nicht einen Ersatz für Ansprüche dar, die normalerweise durch wiederkehrende Zahlungen abgegolten werden.
Art. 40 Abs. 2 WStB soll verhindern, dass Kapitalleistungen, welche solche wiederkehrende Einkünfte ersetzen, zu einem der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen nicht angemessenen hohen Satz besteuert werden. Er kann daher nach der ratio legis - welcher sein Wortlaut entspricht - auf Entschädigungen für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit nicht, auch nicht analog, angewendet werden.
Die hier in Frage stehende Entschädigung wird deshalb in der 11. Wehrsteuerperiode, zusammen mit dem übrigen Einkommen des Beschwerdeführers, zum normalen Satze zu besteuern sein.