BGE 84 I 1
 
1. Auszug aus dem Urteil vom 19. März 1958 i.S. Benz und Petunia AG gegen Landwirtschaftsdirektion des Kantons Bern.
 
Regeste
Art. 4 BV; Art. 218 und 218bis OR (Fassung gemäss Art. 50 EGG).
- Landwirtschaftliches Grundstück oder Bauland? (Erw. 4).
- Anwendung der Sperrfrist auf Tauschverträge (Erw. 5).
- Abkürzung der Sperrfrist aus wichtigen Gründen, insbesondere zur Verhinderung einer Zwangsverwertung? (Erw. 6).
 
Sachverhalt


BGE 84 I 1 (1):

A.- Mit Tauschvertrag vom 18. Dezember 1956 übertrug Maurermeister Gottfried Benz ein am 9. Mai 1953 erworbenes, aus einem Bauernhaus mit 221,52 a Land bestehendes Heimwesen in Spiez an die Petunia AG gegen Überlassung von 48,50 a Wiesland in Wilderswil.


BGE 84 I 1 (2):

Die Vertragsparteien ersuchten den Regierungsstatthalter von Niedersimmental um Abkürzung der Sperrfrist des Art. 218 OR für die Liegenschaft in Spiez, wurden aber abgewiesen. Hiegegen rekurrierten sie an die Landwirtschaftsdirektion des Kantons Bern mit dem Begehren um Feststellung, dass der Tauschvertrag überhaupt nicht unter die Sperrfrist falle, eventuell um Abkürzung der Sperrfrist.
Die Landwirtschaftsdirektion wies den Rekurs am 27. Dezember 1957 ab. Sie ging davon aus, dass der Verkehrswert der Liegenschaft in Spiez nicht wesentlich höher liege als der Ertragswert von Fr. 20'490.--, während das Grundstück in Wilderswil einen Ertragswert von Fr. 2760.-- und einen Verkehrswert von Fr. 19'400.-- habe. Entgegen der Behauptung der Rekurrenten handle es sich bei der Liegenschaft in Spiez um ein landwirtschaftliches Grundstück im Sinne von Art. 218 Abs. 1 OR, nicht um Bauland im Sinne von Abs. 2. Unter letzterem sei baureifes Land zu verstehen, das durch Kanalisation, Wasser- und Lichtleitungen, Verbindungsstrassen usw. für die Überbauung erschlossen sei. Das treffe bei der Liegenschaft in Spiez nicht zu (wird näher ausgeführt). Als Veräusserung im Sinne von Art. 218 Abs. 1 OR habe sodann nicht nur der Kauf, sondern jede Form der Eigentumsübertragung zu gelten, also auch der Tausch, da sonst Umgehungsgeschäfte allzu leicht möglich wären. Eine Ausnahme von der Sperrfrist könnte nur gemacht werden beim Tausch gleich grosser und gleichwertiger landwirtschaftlicher Liegenschaften zu Arrondierungszwecken. Von einem solchen reinen Tausch könne aber hier nicht gesprochen werden angesichts der verschiedenen Werte und Grössen der Liegenschaften. Schliesslich seien auch keine wichtigen Gründe im Sinne des (als Ausnahmebestimmung eher restriktiv auszulegenden) Art. 218bis OR für die Abkürzung der zehnjährigen Sperrfrist vorhanden. Die bedrängte Lage des Veräusserers gebe, zumal wenn sie wie hier selbst verschuldet sei, keinen Freibrief für eine vorzeitige Veräusserung.


BGE 84 I 1 (3):

Aus dem Wortlaut von Art. 218bis OR ergebe sich, dass nicht jeder vorzeitige Verkauf zur Verhinderung einer Zwangsverwertung gestattet werden müsse. Eine Abkürzung der Sperrfrist liesse sich im vorliegenden Falle höchstens rechtfertigen, wenn das Heimwesen an einen Selbstbewirtschafter veräussert würde.
B.- Gegen diesen Entscheid führen Gottfried Benz und die Petunia AG staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV (Willkür).
C.- Die Landwirtschaftsdirektion des Kantons Bern beantragt die Abweisung der Beschwerde.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1./3. - (Prozessuales).
4. Die in Art. 218 Abs. 1 OR aufgestellte Sperrfrist für die Weiterveräusserung von landwirtschaftlichen Grundstücken ist nach Abs. 2 u.a. auf "Bauland" nicht anwendbar. Während der Begriff des "landwirtschaftlichen Grundstücks" in Art. 1 Abs. 2 VO vom 16. November 1945 über die Verhütung der Überschuldung landwirtschaftlicher Liegenschaften näher umschrieben wird, wurde der Begriff "Bauland" in keinem eidgenössischen Erlass über das ländliche Bodenrecht, insbesondere auch nicht im EGG, durch das die Art. 218-218ter OR ihre heutige Fassung erhielten, noch in der Botschaft dazu (BBl 1948 I 21 ff.) oder in der parlamentarischen Beratung definiert. Es ist daher Aufgabe der mit der Anwendung des EGG betrauten Behörden, diesen Begriff zu bestimmen und auf Grund der konkreten Verhältnisse zu entscheiden, ob ein Grundstück als Bauland zu gelten habe.
Nach der Auffassung der Landwirtschaftsdirektion handelt es sich bei der Liegenschaft in Spiez deshalb nicht um Bauland, weil sie noch nicht durch Kanalisation, Wasserzuleitung und hinreichende Zufahrtsstrassen für die Überbauung erschlossen ist. Die Beschwerdeführer bestreiten das Fehlen solcher Erschliessung nicht, behaupten aber, für die Qualifizierung als Bauland komme es ausschliesslich

BGE 84 I 1 (4):

auf die Absicht des Eigentümers an, die Liegenschaft zu überbauen oder zum Zwecke der Überbauung zu veräussern.
Die blosse Absicht, ein Grundstück in näherer oder weiterer Zukunft zu überbauen, vermag ihm jedoch, wie ohne jede Willkür angenommen werden kann, den Charakter von Bauland noch nicht zu verleihen, da es der Eigentümer sonst in der Hand hätte, die Sperrfrist dadurch zu umgehen, dass er behauptet, er beabsichtige zu bauen. Diese Absicht könnte höchstens genügen, wenn ein konkretes Bauprojekt vorläge, dessen Ausführung unmittelbar bevorsteht und als gesichert erscheint. Dass ein solches Projekt bestehe, haben die Beschwerdeführer aber nie behauptet und noch weniger dargetan. Dann ist es aber jedenfalls nicht willkürlich, wenn die Landwirtschaftsdirektion den Baulandcharakter mangels baulicher Erschliessung des Grundstücks verneinte. Dass es darauf ankomme, ob das Land baureif und erschlossen sei, hat auch der Regierungsrat des Kantons Aargau in mehreren Entscheiden angenommen. Das Bundesgericht hat dazu in den nicht veröffentlichten Urteilen vom 2. März 1955 i.S. Rechsteiner und Ochsner, vom 30. Mai 1956 i.S. Lüscher und vom 31. Oktober 1956 i.S. Stutz (je Erw. 3) ausgeführt, es möge zwar diskutabel sein, ob die Erschliessung das richtige Kriterium sei; diese Auffassung halte jedoch dem Vorwurfe der Willkür stand, denn sie werde durch den Wortlaut des Gesetzes nicht ausgeschlossen, trage dem Gesetzeszweck, den bäuerlichen Grundbesitz zu schützen und zu erhalten und die Spekulation mit solchem zu bekämpfen, am wirksamsten Rechnung und werde auch in der Literatur (KAUFMANN, Das neue ländliche Bodenrecht der Schweiz, S. 105 und 218) vertreten. Mit der von den Beschwerdeführern zitierten Ansichtsäusserung des st.gallischen Volkswirtschaftsdepartements (ZBGR 1954 S. 151/2) lässt sich die behauptete gegenteilige communis opinio nicht dartun, denn sie betrifft lediglich die Frage, ob nur dort von Bauland die Rede sein könne, wo Bauzonen ausgeschieden sind. Zudem kann auch eine von der

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herrschenden Meinung abweichende Gesetzesauslegung nicht als willkürlich bezeichnet werden, sofern sie mit dem Wortlaut sowie mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes vereinbar ist, wie es hier zutrifft.
Die angefochtene Gesetzesauslegung erscheint umso weniger als willkürlich, als die Erwerberin Petunia AG das mit Vertrag vom 18. Dezember 1956 eingetauschte Grundstück in Spiez nicht zur Überbauung behalten, sondern schon Ende Dezember 1956 an die (ihr angeblich nahestehende) Aarhalde AG weiterveräussert hat. Sie begründet das mit der Verlegung ihres Sitzes in den Kanton Waadt, tut aber nicht dar, warum deswegen die Überbauung durch sie selber nicht möglich gewesen wäre, noch behauptet sie, sie habe das zur Zeit des Abschlusses des Tauschvertrages noch nicht gewusst. Unter diesen Umständen drängt sich die Annahme auf, dass sie die Liegenschaft nicht zur Überbauung, sondern zur sofortigen Weiterveräusserung erworben hat. Gerade gegen derartige spekulative Geschäfte richtet sich aber die Sperrfrist des Art. 218 OR.
6. Für den Fall der Anwendbarkeit der Sperrfrist auf das vorliegende Tauschgeschäft rügen die Beschwerdeführer als Willkür, dass es die Landwirtschaftsdirektion ablehne, ihnen auf Grund von Art. 218bis OR die vorzeitige

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Veräusserung zu bewilligen. Nach dieser Bestimmung kann die Behörde eine solche Ausnahmebewilligung aus wichtigen Gründen, wie namentlich zur Verhinderung einer Zwangsverwertung, erteilen. Somit ist die Erteilung der Ausnahmebewilligung in ihr Ermessen gestellt und könnte daher das Bundesgericht auf Grund von Art. 4 BV nur einschreiten, wenn die Behörde ihr Ermessen offensichtlich überschritten oder missbraucht hätte. Das ist aber im vorliegenden Falle nicht dargetan. Es steht nicht einmal mit Sicherheit fest, dass die Liegenschaft in Spiez ohne den Tauschvertrag zur Zwangsverwertung kommen wird. Die Beschwerdeführer machen in dieser Beziehung nur geltend, dass Benz in den Jahren 1956 und 1957 mit Fr. 1046.40 und Fr. 706.85 Hypothekarzinsen in Rückstand gekommen sei, diese Beträge nicht bezahlen könne und für einen Teil derselben schon betrieben sei. Sie haben aber nicht dargetan, warum es Benz bei gutem Willen nicht möglich wäre, die Zwangsverwertung auch ohne Veräusserung der Liegenschaft abzuwenden, und haben keine Angaben über seine Einkommens- oder Vermögensverhältnisse gemacht, während die Landwirtschaftsdirektion in der Beschwerdeantwort ausführt, Benz sei ständig für kleinere Beträge betrieben, habe sie aber dann jeweils doch bezahlen können und sollte bei seinem Einkommen als Maurermeister auch jetzt dazu in der Lage sein. Übrigens ist nicht einzusehen, wieso das Tauschgeschäft seine finanzielle Lage verbessern sollte, da es sich um einen Tausch ohne Aufgeld handelt und die Liegenschaft in Wilderswil, die Benz eintauscht, mit einer gleich hohen Grundpfandschuld belastet ist wie diejenige in Spiez. Seine Schwierigkeiten inbezug auf die Zahlung der Hypothekarzinsen werden daher durch den Tausch nicht behoben, sondern lediglich von einer Liegenschaft auf die andere verlegt. Unter solchen Umständen lässt sich aber die Verweigerung der ins Ermessen der kantonalen Behörden gestellten Abkürzung der Sperrfrist jedenfalls nicht als willkürlich bezeichnen, ohne dass zu prüfen ist, ob wichtige Gründe im Sinne

BGE 84 I 1 (7):

von Art. 218bis OR nicht nur beim Veräusserer, sondern auch beim Erwerber vorliegen müssen, wie die Landwirtschaftsdirektion anzunehmen scheint (vgl. dazu das nicht veröffentlichte Urteil vom 31. Oktober 1956 i.S. Stutz S. 9).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.