BGE 107 Ib 78
 
17. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 19. Juni 1981 i.S. Schmidt gegen Bundesanwaltschaft und Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (Einsprache gemäss Auslieferungsgesetz)
 
Regeste
Europäisches Auslieferungsübereinkommen und ergänzender Vertrag mit der Bundesrepublik Deutschland.
 


BGE 107 Ib 78 (78):

Aus den Erwägungen:
a) Gemäss Art. II Abs. 2 des mit der Bundesrepublik ergänzend geschlossenen Vertrages vom 13. November 1969 (SR 0.353.913.61) kann die akzessorische Auslieferung, die notwendigerweise zu einer Auslieferung wegen eines Auslieferungsdeliktes hinzutreten muss, gleichzeitig mit dieser oder nachträglich gewährt werden. Kann aber die akzessorische Auslieferung auch in einem späteren selbständigen Entscheid gewährt werden, so kann sie es mit um so grösserem Recht in einem einzigen Entscheid, jedoch gestützt auf zwei sich folgende Ersuchen.


BGE 107 Ib 78 (79):

b) Der gleiche Schluss liesse sich übrigens auch ohne diese ausdrückliche Bestimmung rechtfertigen.
Handelt es sich um zwei getrennte Begehren, welche beide die Auslieferung zur Strafverfolgung bezwecken, ist kein Grund ersichtlich, der gegen eine gemeinsame Behandlung spricht. So kann es vorkommen, dass eine Strafverfolgung im Laufe des Verfahrens aufgrund neuer belastender Umstände auszudehnen ist, oder dass einem Staat weitere Auslieferungsbegehren gestellt werden, bevor dieser über ein erstes befunden hat. Liegt die Strafverfolgung in den Händen ein und derselben Behörde, erscheint es jedenfalls vernünftig, das neue Begehren als Ergänzung zum ersten zu behandeln, mithin in gleicher Weise, wie wenn die Auslieferung aufgrund eines einzigen Ersuchens verlangt wird.
Nicht anders verhält es sich, wenn die gleiche Behörde mit dem einen Auslieferungsbegehren die Vollstreckung eines Urteils, mit dem anderen eine Strafverfolgung bezweckt. Auch in einem solchen Fall könnte die Auslieferung für das eine wie das andere in einer einzigen Urkunde verlangt werden. Es wäre daher nicht gerechtfertigt, die Auslieferungsbegehren verschieden zu behandeln, je nachdem, ob sie in einem oder in mehreren Schriftstücken gestellt werden, mithin von manchmal zufälligen Umständen abhängen zu lassen. Eine unterschiedslose Behandlung entspricht ferner der Idee, die der Zulassung der akzessorischen Auslieferung zugrunde liegt. Wiewohl für sich allein nicht Auslieferungsdelikte, können gewisse strafbare Handlungen eine Auslieferung rechtfertigen, wenn sie in Verbindung stehen zu anderen Delikten, und zwar im Interesse der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit auf dem Gebiete der Verbrechensbekämpfung. Dies hat auch dann zu gelten, wenn der ersuchende Staat in getrennten Begehren die Auslieferung einer Person zur Vollstreckung eines Urteils und für eine Strafverfolgung verlangt. Sobald eine Person ohnehin ausgeliefert werden muss, kann sie es auch wegen Verstössen, derentwegen allein eine Auslieferung nicht zulässig wäre.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Einsprache von Rolf Schmidt wird abgewiesen und seine Auslieferung an die Bundesrepublik Deutschland bewilligt.