BGE 104 Ib 381
 
60. Auszug aus dem Urteil vom 19. Dezember 1978 i.S. Schweizer Heimatschutz und Berner Heimatschutz gegen Schwab und Verwaltungsgericht des Kantons Bern
 
Regeste
Legitimation von Verbänden zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde; Art. 103 lit. a und c OG.
 
Sachverhalt


BGE 104 Ib 381 (382):

Der Regierungsstatthalter von Erlach wies ein von Gottfried Schwab eingereichtes Abbruchgesuch betreffend das Bauernhaus Nr. 32 auf Parzelle Nr. 386 an der Hauptstrasse in Siselen aus Gründen des Ortsbildschutzes ab. Durch den Abbruch hätte Raum für Parkplätze, die Schwab für sein Restaurant benötigte, geschaffen werden sollen. Gegen den Entscheid des Regierungsstatthalters führte Schwab und die Gemeinde Siselen Baubeschwerde beim Regierungsrat des Kantons Bern. Dieser hiess die Beschwerde gut und erteilte die Abbruchbewilligung, um die Schwab nachgesucht hatte. Der Berner Heimatschutz focht diesen Entscheid beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern an und beantragte, die Abbruchbewilligung aus Gründen des Ortsbildschutzes zu verweigern. Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Entscheid vom 24. April 1978 ab. Der Schweizer Heimatschutz und der Berner Heimatschutz führen Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts. Sie beantragen im wesentlichen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Bewilligung für den Abbruch des Hauses und die Erstellung von Parkplätzen sei zu verweigern. Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein, aus der folgenden
 
Erwägung:
a) Nach Art. 103 lit. c OG sind Organisationen zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, sofern eine Bestimmung des Bundesrechts sie zur Beschwerde ermächtigt. Im eidgenössischen Raumplanungsrecht befasst sich Art. 8 BMR mit dem Rechtsschutz im Bereiche des Bundes. Dieser Artikel verweist auf die allgemeinen Bestimmungen der Bundesrechtspflege und enthält keinen Hinweis, wonach irgendwelchen Vereinigungen

BGE 104 Ib 381 (383):

im bundesrechtlichen Rechtsmittelverfahren die Beschwerdelegitimation zuerkannt werden wollte. Aus Art. 8 BMR können die Beschwerdeführer demnach keine Legitimation für das Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ableiten (vgl. das Urteil des Bundesgerichts vom 14. März 1975, ZBl 76/1975, S. 398).
Nach Art. 12 des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz vom 1. Juli 1966 (NHG) steht unter anderem den gesamtschweizerischen Vereinigungen, die sich statutengemäss dem Natur- und Heimatschutz oder verwandten rein ideellen Zielen widmen, im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde das Beschwerderecht zu. Diese Bestimmung bezieht sich nach dem Aufbau des NHG nur auf Fälle, in denen bei Erfüllung einer Bundesaufgabe (Art. 24sexies Abs. 2 BV, Art. 2 NHG) die Belange des Natur- und Heimatschutzes zu wahren sind. Nach Art. 24sexies Abs. 1 BV ist der Natur- und Heimatschutz grundsätzlich Sache der Kantone. Daran hat der BMR nichts geändert. Der Schutz der Ortsbilder (Art. 2 lit. c BMR), um den es im vorliegenden Verfahren geht, wird selbst dann nicht zur Bundesaufgabe, wenn er im Rahmen der dringlichen Massnahmen auf dem Gebiete der Raumplanung erfolgt (vgl. den zitierten Entscheid des Bundesgerichts, ZBl 76/1975, S. 398). Aus Art. 12 NHG können die Beschwerdeführer folglich ebenfalls keine Beschwerdelegitimation ableiten. Eine andere Bestimmung des Bundesrechts, welche die Beschwerdeführer im Sinne von Art. 103 lit. c OG zur Beschwerde ermächtigen würde, ist nicht ersichtlich. Art. 103 lit. c OG fällt im vorliegenden Fall somit als Grundlage für die Beschwerdelegitimation ausser Betracht.
b) Nach der allgemeinen Bestimmung von Art. 103 lit. a OG sind der Schweizer Heimatschutz und der Berner Heimatschutz beschwerdeberechtigt, wenn sie durch die angefochtene Verfügung berührt sind und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung haben.
Ein Verband kann beschwerdeberechtigt sein, wenn er durch die angefochtene Verfügung selber unmittelbar (z.B. als Verfügungsadressat) betroffen ist. Die Geltendmachung allgemeiner Interessen ist einem Verband hingegen (ausser in den Fällen von Art. 103 lit. c OG) verwehrt, denn nach Art. 103 lit. a OG ist zur Beschwerde nur legitimiert, wer durch die angefochtene Verfügung mehr als irgend jemand betroffen wird (BGE 103 Ib

BGE 104 Ib 381 (384):

149). Die Erhaltung des Ortsbildes von Siselen ist ein allgemeines Anliegen, zu dem die beschwerdeführenden Verbände keine engere Beziehung haben als z.B. verschiedene Einwohner von Siselen oder dessen Umgebung. Unter diesen Umständen können der Schweizer Heimatschutz und der Berner Heimatschutz im vorliegenden Verfahren nicht als unmittelbar betroffen betrachtet werden. Es steht ihnen in dieser Hinsicht somit keine Beschwerdelegitimation zu.
Neben den eigenen Interessen kann ein Verband auch die Interessen seiner Mitglieder vertreten. Diesbezüglich ist er zur Beschwerde berechtigt, wenn es sich um Interessen handelt, die er nach seinen Statuten zu wahren hat, die der Mehrheit oder doch einer grossen Anzahl seiner Mitglieder gemeinsam sind und zu deren Geltendmachung durch Beschwerde jedes dieser Mitglieder befugt wäre (BGE BGE 100 Ia 99 f.; vgl. auch BGE 101 Ib 110 mit Hinweis). Im vorliegenden Fall ist nicht nachgewiesen und es dürfte auch kaum zutreffen, dass die Mehrheit oder eine grosse Anzahl der Mitglieder der beschwerdeführenden Verbände selber zur Beschwerde legitimiert sind. Die Beschwerdebefugnis dieser Mitglieder wäre höchstens denkbar, wenn sie als Nachbarn durch den zur Diskussion stehenden Abbruch unmittelbar betroffen wären (vgl. BGE 104 Ib 248 ff. E. 5-7). Es braucht hier nicht weiter erörtert zu werden, wie weit der Kreis der Nachbarn zu ziehen ist. Da die Mitglieder der beschwerdeführenden Verbände auf dem ganzen Gebiet der Schweiz bzw. des Kantons Bern wohnen, ist im vorliegenden Fall eine nachbarliche Beziehung zum Streitgegenstand jedenfalls weder für die Mehrheit noch für eine grosse Zahl dieser Mitglieder gegeben. Aus diesem Grund muss die Beschwerdelegitimation des Schweizer Heimatschutzes und des Berner Heimatschutzes auch hinsichtlich der Interessen ihrer Mitglieder verneint werden. Somit fehlt die Legitimation der Beschwerdeführer sowohl gemäss lit. c als auch lit. a von Art. 103 OG. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher nicht einzutreten.