BGE 100 Ib 116
 
20. Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. Februar 1974 i.S. Marto AG und Egli, Fischer & Co. AG gegen Eidg. Amt für geistiges Eigentum und Skil Corporation.
 
Regeste
Art. 98 lit. c 2. Halbsatz und 103 lit. a OG, Art. 59 Abs. 6 PatG.
 


BGE 100 Ib 116 (116):

Gemäss Art. 98 lit. c 2. Halbsatz OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig gegen Verfügungen der den Departementen und der Bundeskanzlei unterstellten Dienstabteilungen, wenn diese als erste Instanz verfügt haben und das Bundesrecht die Beschwerde gegen ihre Verfügungen vorsieht.
Das Amt für geistiges Eigentum ist eine dem Eidg. Justiz-und Polizeidepartement unterstellte Dienstabteilung. Seine Verfügungen können daher nach der angeführten Bestimmung mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden, wenn die übrigen Voraussetzungen dieses Rechtsmittels, insbesondere die gesetzliche Beschwerdelegitimation, ebenfalls vorliegen. Gemäss Art. 103 lit. a OG ist zur Beschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Das setzt indes voraus, dass die Beschwerde nach Bundesrecht, auf das in Art. 98 lit. c 2. Halbsatz OG verwiesen wird, schlechthin und ohne Einschränkungen zulässig ist. Das trifft für Beschwerden, die sich gegen Verfügungen aufgrund des PatG richten, nicht zu.


BGE 100 Ib 116 (117):

a) Nach dem früheren Art. 99 I lit. a OG war die Verwaltungsgerichtsbeschwerde u.a. zulässig gegen Entscheide des eidgenössischen Amtes für geistiges Eigentum in Patentsachen. Diese Vorschrift wurde durch Art. 117 PatG dahin abgeändert, dass die Entscheide der Beschwerdeabteilungen ausgenommen wurden. Mit der Revision des OG gemäss BG vom 20. Dezember 1968 (AS 1969 S. 767 ff.) fielen beide Bestimmungen jedoch dahin, und der neue Art. 99 OG regelt eine andere Frage (siehe auch SR 232.14 S. 38, Fussnote 1).
Bestehen blieb dagegen Art. 59 Abs. 6 PatG, wonach gegen Entscheide des Amtes für geistiges Eigentum in Patentsachen, insbesondere gegen die Zurückweisung von Patentgesuchen, nur die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht nach Massgabe des OG zulässig ist. Diese Bestimmung steht im zweiten Titel des PatG, der die Patenterteilung regelt, und zwar im 2. Abschnitt über das Prüfungsverfahren. Schon daraus ergibt sich, dass ihr Geltungsbereich beschränkt ist, folglich nicht irgendwelche Verfügungen des Amtes in Patentsachen mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden können. Für eine Beschränkung spricht namentlich auch, dass die Beschwerde "insbesondere gegen die Zurückweisung von Patentgesuchen" gegeben ist. Daraus folgt durch Umkehrschluss, dass Art. 59 Abs. 6 PatG nur den Gesuchsteller zur Beschwerde berechtigen will. Die Beschwerdeführerinnen fechten die Verfügung des Amtes vom 15. Oktober 1973 aber als Dritte an, nicht als Gesuchsteller oder Inhaber des streitigen Patentes Nr. 408 753.
b) Diese Berechtigung ist den Beschwerdeführerinnen aber noch aus einem anderen Grunde abzusprechen. Wollte man einem Dritten, der an sich gemäss Art. 103 lit. a OG durch die angefochtene Verfügung des Amtes berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung hat, das Beschwerderecht zubilligen, so ergäbe sich ein unlösbarer Widerspruch zum System des Patentgesetzes. Dieses Recht müsste dann konsequenterweise nicht nur in einem Fall wie dem vorliegenden gewährt werden, sondern überhaupt gegen jede Verfügung des Amtes, die einen Dritten im Sinne des Art. 103 lit. a OG berührt, also z.B. auch gegen die Erteilung des Patentes für eine Erfindung, die nach Art. 1 PatG nicht patentfähig oder nicht neu im Sinne des Art. 7 PatG ist. Das ist nur möglich bei Patentgesuchen, die der amtlichen Vorprüfung unterliegen. In diesem Fall untersucht die Prüfungsstelle gemäss Art. 96 Abs. 2 PatG, ob die

BGE 100 Ib 116 (118):

Erfindung nach den Art. 1, 2 und 7 PatG patentierbar sei und ob das Patentgesuch den übrigen Vorschriften des Gesetzes und der Verordnung entspreche. Erachtet die Prüfungsstelle diese Voraussetzung als erfüllt, so wird das Gesuch gemäss Art. 98 Abs. 1 PatG bekannt gemacht. Jedermann kann daraufhin nach Art. 101 PatG innert drei Monaten gegen die Erteilung des Patentes Einspruch erheben, der aber nur damit begründet werden darf, das Patentgesuch genüge den Voraussetzungen des Art. 96 Abs. 2 PatG nicht. Bei Einspruch führen die Prüfungsstelle und das Patentamt gemäss Art. 103 ff. PatG ein Beweisverfahren über die Voraussetzungen der Patentierung durch. Gegen den Entscheid der Patentabteilung können sowohl der Patentbewerber, der ganz oder teilweise abgewiesen worden ist, wie der Einsprecher, dessen Einspruch zurückgewiesen worden ist, innert zwei Monaten Beschwerde bei der Beschwerdeabteilung führen (Art. 106 PatG). Diese entscheidet endgültig (Art. 100 lit. i OG), ist also in dieser Beziehung dem Bundesgericht als Beschwerdeinstanz in Verwaltungssachen gleichgestellt (vgl. BGE 94 I 187 /8 Erw. 3).
Das heisst aber nicht, dass in den andern Patentfällen, die nicht der amtlichen Vorprüfung unterstellt sind, Dritte gegen Verfügungen des Amtes beim Bundesgericht Beschwerde führen dürfen; denn die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen Entscheid der Beschwerdeabteilung musste in Art. 100 lit. i OG deswegen ausgeschlossen werden, weil sie sonst nach Art. 98 lit. c 1. Halbsatz OG zulässig wäre.
Liesse man den von den Beschwerdeführerinnen gestützt auf Art. 103 OG eingenommenen Standpunkt gelten, so müsste das Bundesgericht auf Beschwerde eines Dritten über Fragen der Patentierbarkeit einer Erfindung nach Art. 1 und 7 PatG entscheiden, obwohl das Amt selber diese Fragen nicht zu prüfen hat. Dies widerspräche aber dem System des Patentgesetzes und wäre auch sachlich nicht zu rechtfertigen; das Bundesgericht hätte diesfalls trotz Fehlens einer amtlichen Vorprüfung über technische Fragen zu befinden, zu deren Beurteilung ihm die erforderliche Sachkunde abgeht und ihm die Art. 97 ff. OG (im Gegensatz zu Art. 67 OG) auch keine besondere Befugnisse einräumen (vgl. BGE 94 I 188 Erw. 3 am Ende).
c) Dagegen ist auch mit dem Einwand nicht aufzukommen, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei wegen ihrer Subsidiarität nur gerade in den in Art. 102 OG aufgezählten Fällen unzulässig.


BGE 100 Ib 116 (119):

Es kann vielmehr auch ausserhalb dieser Bestimmung und zusätzlich dazu geprüft werden, ob das allgemeine Rechtsschutzinteresse gebiete, eine Beschwerde zuzulassen. Ein solches Interesse ist zu verneinen, wenn der Beschwerdeführer vor dem Zivilrichter klage- oder einredeweise geltend machen kann, es liege eine unzulässige Einschränkung eines Patentanspruches vor (vgl. FRITZ GYGI, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, S. 110 Ziff. 4.3.7). Die Beschwerdeführerinnen sind Beklagte im Prozess, den die Beschwerdegegnerin gegen sie wegen Patentverletzung eingeleitet hat. Der Zivilrichter wird daher auch ihre Behauptung zu prüfen haben, es liege keine Patentverletzung vor, weil der vom Amt entgegengenommene Teilverzicht dem Gesetz widerspreche.