BGer 12T_3/2019
 
BGer 12T_3/2019 vom 20.01.2020
 
12T_3/2019
Entscheid vom 20. Januar 2020
Verwaltungskommission
Besetzung
Bundesrichter Meyer, Präsident,
Bundesrichterin Niquille,
Bundesrichter Donzallaz,
Generalsekretär Tschümperlin.
 
Verfahrensbeteiligte
Rechtsanwalt A.________,
Anzeiger,
gegen
Bundesverwaltungsgericht, Verwaltungskommission, Kreuzackerstrasse 12, 9000 St. Gallen,
Angezeigte.
Gegenstand
Aufsichtsanzeige (BGG), Parteientschädigung.
 
Erwägungen:
 
1.
Mit Zwischenverfügung vom 31. Juli 2017 hiess das Bundesverwaltungsgericht im Asylverfahren E-4108/2017 das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gut, verzichtete auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und bestellte Rechtsanwalt A.________ als amtlichen Rechtsbeistand. Dieser reichte am 25. März 2019 bei einem Stundenansatz von 220 Franken und einigen Auslagen eine Kostennote über 3'622.66 Franken ein. Das Bundesverwaltungsgericht setzte das Honorar im asylrechtlichen Urteil vom 25. April 2019 auf 2'200 Franken fest.
Mit Aufsichtsanzeige vom 13. Mai 2019 beanstandet Rechtsanwalt A.________ die Kürzung um 44,5% als willkürlich. Er führt aus, die vom Bundesverwaltungsgericht angewendete Pauschalisierung und substantielle Kürzung der Entschädigung für geleistete notwendige Arbeit stelle einen strukturellen Organisationsmangel dar, der eine unüberwindbare oder schwer zu rechtfertigende Einschränkung des Zugangs zum Gericht bewirke. Mit diesem Vorgehen werde den Asylsuchenden eine wirksame Beschwerde verweigert. Die verzeigte Gerichtsinstanz sei anzuweisen, in Zukunft keine Pauschalhonorare ohne sorgfältige Prüfung der Kostennote anzuwenden und einzeln zu begründen, weshalb ein Aufwand übermässig oder nicht notwendig sein soll.
Das Bundesverwaltungsgericht beantragt mit Vernehmlassung vom 30. Juli 2019, der Aufsichtsanzeige keine Folge zu geben, soweit die Höhe des amtlichen Honorars im Rahmen der administrativen Aufsicht überhaupt geprüft werden kann.
 
2.
Die Aufsicht des Bundesgerichts ist gemäss Art. 1 Abs. 2 BGG und Art. 3 Abs. 1 VGG administrativer Natur. Die Rechtsprechung ist von der Aufsicht des Bundesgerichts ausgenommen (Art. 2 Abs. 2Aufsichtsreglement des Bundesgerichts; SR 173.110.132); das Aufsichtsverfahren ist kein Ersatz für ein gesetzlich nicht vorgesehenes Rechtsmittel. Raum für aufsichtsrechtliche Feststellungen besteht daher nur unter der Voraussetzung struktureller Mängel organisatorischer oder administrativer Natur. In Bezug auf den Zugang zum Gericht beschränkt sich die Aufsichtskompetenz des Bundesgerichts auf die Kontrolle, ob generelle Mechanismen eines erstinstanzlichen Gerichts des Bundes eine übermässige Einschränkung des Zugangs zur Justiz bewirken (BGE 144 II 56 E. 2; 144 II 486 E. 3.1). Auch Kosten- und Entschädigungsfragen können bei entsprechender Ausgestaltung grundsätzlich geeignet sein, einen strukturellen Mangel organisatorischer oder administrativer Natur im Sinne der bundesgerichtlichen Aufsichtspraxis zu begründen, wenn der angewandte Mechanismus den gesetzlich vorgesehenen Zugang zum Gericht in bestimmten Konstellationen de facto systematisch ausschliesst (BGE 144 II 56 E. 4.2.1 und 5.3; vgl. hierzu auch schon BGE 136 II 380 E. 2).
 
3.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die vom Anzeiger eingereichte Kostennote wesentlich gekürzt und die Kürzung im Urteil pauschal begründet. In Erwägung 11.2 des beanstandeten Urteils hat es dargelegt, der zeitlich ausgewiesene Vertretungsaufwand von 14.92 Stunden scheine dem vorliegenden, nicht übermässig komplexen Verfahren nicht als vollumfänglich angemessen respektive notwendig im Sinne von Art. 64 Abs. 1 VwVG. Für die Herabsetzung der Entschädigung verwies es auf die massgeblichen Bemessungsfaktoren gemäss Art. 9 bis 13 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE; SR 173.320.2) und die Entschädigungspraxis in vergleichbaren Fällen und setzte den Vertretungsaufwand «auf pauschal Fr. 2´200.- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuerzuschlag» fest.
Bei diesem Entscheid geht es in erster Linie um eine Frage der Rechtsanwendung. Im bundesgerichtlichen Aufsichtsverfahren kann nicht geprüft werden, ob das Bundesverwaltungsgericht im konkreten Fall das Recht richtig angewendet und seiner Begründungspflicht vollumfänglich genüge getan hat.
In seiner Vernehmlassung legt das Bundesverwaltungsgericht sodann dar, dass es im Asylverfahren keine pauschalisierten Entschädigungssätze kennt. Der Hinweis auf die Entschädigungspraxis in vergleichbaren Fällen bringe lediglich zum Ausdruck, dass eine implizite interne Praxis bestehe, den Aufwand anhand ähnlich gelagerter Rechtsschriften einzuschätzen und die Entschädigung im Sinne der Gleichbehandlung gegebenenfalls zu kürzen. Die Formulierung, wonach der Vertretungsaufwand «pauschal» festgesetzt worden ist, sei im Sinne von «im Gesamten» oder «gerundet» zu verstehen. Unzutreffend sei auch die Behauptung des Anzeigers, das Bundesverwaltungsgericht wolle die Tarife für Rechtsvertretungen auf dem Niveau der asylrechtlichen Leistungsmandate des Bundes einebnen. Für die Entschädigungen, die sich im Rahmen der Verfahren der Bundeszentren auf einen Leistungsvertrag mit dem Staatssekretariat für Migration stützen und die auch die Führung eines Beschwerdemandats abgelten, sei das Bundesverwaltungsgericht gemäss ausdrücklicher Gesetzesvorschrift nicht zuständig (Art. 102f i.V.m. Art. 102k AsylG; Grundsatzurteil BVGE 2017 VI/3).
Diese Ausführungen sind nachvollziehbar und plausibel; sie rücken den beanstandeten Kostenentscheid ohne Weiteres ins rechte Licht. Im Übrigen stützt sich die Entschädigungspraxis des Bundesverwaltungsgerichts in solchen Fällen auf Plenarbeschlüsse der Asylabteilungen vom 1. Juli und 27. August 2015, die aufsichtsrechtlich nicht zu beanstanden sind. Es bestehen somit keine Anhaltspunkte für eine generelle Praxis, dass die Entschädigungen der vom Bundesverwaltungsgericht bestellten Rechtsvertreter in Asylverfahren pauschal derart gekürzt würden, dass dadurch der Zugang zum Gericht entgegen dem Gesetz systematisch verweigert bzw. unzulässig behindert würde. Der Aufsichtsanzeige ist keine Folge zu geben.
 
4.
Aufsichtsverfahren sind mit Ausnahme von in casu nicht gegebenen Voraussetzungen kostenlos (Art. 10 der Verordnung über Kosten und Entschädigungen im Verwaltungsverfahren; SR 172.041.0).
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Der Aufsichtsanzeige wird keine Folge gegeben.
2. Es werden keine Kosten erhoben.
3. Dieser Entscheid wird dem Bundesverwaltungsgericht, Verwaltungskommission, schriftlich mitgeteilt. Dem Anzeiger wird eine Orientierungskopie zugestellt.
Lausanne, 20. Januar 2020
Im Namen der Verwaltungskommission
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Meyer
Der Generalsekretär: Tschümperlin