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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
1B_595/2019
Urteil vom 10. Januar 2020
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Chaix, Präsident,
Bundesrichter Fonjallaz, Kneubühler, Haag, Müller,
Gerichtsschreiberin Sauthier.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwältin Carmen Emmenegger,
gegen
Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis,
Bahnhofplatz 10, Postfach, 8953 Dietikon.
Gegenstand
Untersuchungshaft,
Beschwerde gegen den Beschluss des
Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer,
vom 11. November 2019 (UB190142-O/U/HEI).
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis führt ein Strafverfahren gegen den deutschen Staatsangehörigen A.________ wegen mehrfachen Betrugs, Diebstahls, Widerhandlungen gegen das Markenschutzgesetz, Zechprellerei etc. A.________ wird vorgeworfen, am 18. September 2016 über "anibis.ch" eine gefälschte Chanel-Handtasche verkauft zu haben. Weiter soll er am 6. September 2016 und am 14. Oktober 2016 im Rahmen der Gesuche um eine Aufenthaltsbewilligung B wahrheitswidrig angegeben haben, nicht vorbestraft zu sein. Ausserdem soll A.________ am 1. Dezember 2017 auf den Namen des Vormieters seiner Wohnung Möbel im Gesamtwert von Fr. 2'199.-- bestellt, entgegengenommen und entsprechend quittiert haben. Zwischen dem 17. und dem 26. Mai 2018 soll er sodann zwei Kreditkarten und eine Maestro-Karte aus dem Briefkasten seiner Nachbarin entwendet und zur kontaktlosen Zahlung verwendet sowie ein Online-Benutzungskonto unter ihrem Namen erstellt, Ware bestellt, entgegengenommen und damit insgesamt Fr. 1'435.65 erbeutet haben. Schliesslich wird A.________ vorgeworfen, vom 14. bis zum 16. Dezember 2018 im Hotel B.________ in U.________ übernachtet, gegessen und getrunken zu haben, ohne die Rechnung in der Höhe von Fr. 1'683.-- bezahlt zu haben.
Mit Verfügung vom 18. Oktober 2019 versetzte das Zwangsmassnahmengericht des Bezirks Horgen A.________ in Untersuchungshaft. Die von ihm dagegen am 28. Oktober 2019 erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich am 11. November 2019 ab.
B.
Mit Eingabe vom 16. Dezember 2019 führt A.________ Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er beantragt, der Entscheid der Vorinstanz vom 11. November 2019 betreffend Anordnung der Untersuchungshaft sei aufzuheben und er sei unverzüglich aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Eventualiter seien die folgenden Ersatzmassnahmen anzuordnen: Er sei zu verpflichten, seine Therapie bei Dr. C.________ oder einem anderen forensisch ausgebildeten Therapeuten in Form einer ambulanten Massnahme mindestens einmal wöchentlich fortzuführen. Ihm sei ein Bewährungshelfer beizuordnen. Subeventualiter sei die Angelegenheit zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Staatsanwaltschaft sowie das Obergericht verzichten auf eine Stellungnahme.
Erwägungen:
1.
Der angefochtene Entscheid betrifft die Anordnung der Untersuchungshaft (Art. 220 Abs. 1 StPO). Dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht gemäss Art. 78 ff. BGG gegeben. Der Beschwerdeführer nahm vor der Vorinstanz am Verfahren teil und befindet sich, soweit aus den Akten ersichtlich, nach wie vor in Haft. Er ist deshalb gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, weshalb auf die Beschwerde einzutreten ist.
2.
2.1. Der Beschwerdeführer ist grösstenteils geständig und verzichtet vor Bundesgericht auf Ausführungen zum Tatverdacht. Er macht jedoch geltend, es liege keine Wiederholungsgefahr vor.
2.2. Wiederholungsgefahr im Sinne von Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO liegt vor, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie durch schwere Verbrechen oder Vergehen die Sicherheit anderer erheblich gefährdet, nachdem sie bereits früher gleichartige Straftaten verübt hat. Die Verhütung weiterer schwerwiegender Delikte ist ein verfassungs- und grundrechtskonformer Massnahmenzweck: Art. 5 Ziff. 1 lit. c EMRK anerkennt ausdrücklich die Notwendigkeit, Beschuldigte im Sinne einer Spezialprävention an der Begehung schwerer strafbarer Handlungen zu hindern (BGE 137 IV 84 E. 3.2 S. 85; 135 I 71 E. 2.2 S. 72 mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung kann die Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr auch dem Verfahrensziel der Beschleunigung dienen, indem verhindert wird, dass sich der Strafprozess durch immer neue Delikte kompliziert und in die Länge zieht. Indessen muss sich die Wiederholungsgefahr auf schwere, die Sicherheit anderer erheblich gefährdende Delikte beziehen; fehlt eine solche Gefährdung anderer, genügt allein der Haftzweck, das Verfahren abzuschliessen, nicht (Urteil 1B_32/2017 vom 4. Mai 2017 E. 3.1 mit Hinweis).
2.3. Nach dem Gesetz sind drei Elemente für das Vorliegen von Wiederholungsgefahr konstitutiv. Diese müssen kumulativ erfüllt sein. Erstens muss grundsätzlich das Vortatenerfordernis erfüllt sein. Zweitens muss durch drohende schwere Vergehen oder Verbrechen die Sicherheit anderer erheblich gefährdet sein. Obschon dabei namentlich Delikte gegen die körperliche Integrität im Vordergrund stehen, kann sich die erhebliche Gefährdung der Sicherheit anderer grundsätzlich auf Rechtsgüter jeder Art beziehen. Drittens muss die Tatwiederholung ernsthaft zu befürchten sein, was anhand einer Legal- bzw. Rückfallprognose zu beurteilen ist. Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr ist restriktiv zu handhaben (zum Ganzen: BGE 143 IV 9 E. 2.5 f. S. 14 f. mit Hinweisen).
3.
3.1. Im zu beurteilenden Fall ist das Vortatenerfordernis mit Blick auf die früheren Verurteilungen des Beschwerdeführers unter anderem wegen mehrfachen, teilweise versuchten Betrugs (Art. 146 Abs. 1 StGB) sowie mehrfachen Diebstahls (Art. 139 Ziff. 1 StGB) erfüllt, was auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten wird. Strittig ist hingegen, ob das (zweite) Kriterium der Sicherheitsrelevanz erfüllt ist.
3.2. Die Vorinstanz erwog diesbezüglich, aufgrund der hohen Anzahl der Betrugs- und anderer Vermögensdelikte, wegen welcher der Beschwerdeführer in der Schweiz und zuvor in Deutschland bereits verurteilt worden sei bzw. bezüglich derer ein dringender Tatverdacht bestehe, der Höhe der (früher) ausgefällten Strafen und der Deliktsbeträge im vorliegenden Verfahren (jeweils über tausend Franken) seien die zu befürchtenden Delikte in einer Gesamtwürdigung als schwere Vermögensdelikte zu qualifizieren und damit als erheblich sicherheitsgefährdend einzustufen.
3.3. Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, die im Raum stehenden Deliktsbeträge könnten weder einzeln noch in der Summe als ausserordentlich hoch bezeichnet werden. Zwar sei er bereits wegen mehrfachen Betrugs verurteilt worden, aber nie wegen gewerbsmässigem, zumal auch ein solcher höchstens in objektiv besonders schweren Fällen eine Bejahung von Wiederholungsgefahr rechtfertigen würde. Die vorliegende Deliktssumme von insgesamt ungefähr Fr. 11'000.-- vermöge demgegenüber nicht ansatzweise ein schweres Vermögensdelikt zu begründen. Da auch anderweitig keine erhebliche Gefährdung der Sicherheitslage anderer Personen ersichtlich sei, sei es nicht gerechtfertigt, die Wiederholungsgefahr zu bejahen.
4.
4.1. Obschon sich die erhebliche Gefährdung der Sicherheit anderer grundsätzlich auf Rechtsgüter jeder Art beziehen kann, stehen schwere Straftaten gegen die physische, psychische und sexuelle Integrität der Opfer im Vordergrund (vgl. E. 2.3 hiervor). Vorliegend werden dem Beschwerdeführer indessen keine Gewalt-, sondern einzig Vermögensdelikte vorgeworfen. Solche sind zwar unter Umständen in hohem Mass sozialschädlich, betreffen aber grundsätzlich nicht unmittelbar die Sicherheit der Geschädigten. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechungen fallen Delikte gegen das Vermögen unter dem Blickwinkel der erheblichen Sicherheitsrelevanz daher nur in Betracht, wenn sie besonders schwer sind und die Betroffenen besonders hart bzw. ähnlich treffen wie ein Gewaltdelikt (BGE 143 IV 9 E. 2.7 S. 15; Urteile 1B_470/2019 vom 16. Oktober 2019 E. 2.1; 1B_32/2017 vom 4. Mai 2017 E. 3.3.5; je mit Hinweisen; anders noch Urteil 1B_159/2013 vom 6. Mai 2013 E. 3.2). In aller Regel reicht daher ein einfacher, wenn auch mehrfach begangener Diebstahl nicht aus, um Wiederholungsgefahr anzunehmen; anders kann es sich verhalten, wenn eine Qualifikation nach Ziff. 2 bzw. Ziff. 3 von Art. 139 StGB vorliegt (vgl. FRANÇOIS CHAIX, in: Commentaire romand, CPP, 2. Aufl. 2019, N. 23 zu Art. 221 StPO mit Hinweisen). Gemäss ständiger Praxis bedroht sodann selbst ein gewerbsmässiger Betrug grundsätzlich nicht unmittelbar die Sicherheit Dritter, sondern bloss deren Vermögen, weshalb die Haft wegen Wiederholungsgefahr höchstens in objektiv besonders schweren Fällen ausnahmsweise gerechtfertigt sein könnte (vgl. Urteil 1B_247/2016 vom 27. Juli 2016 E. 2.2.2; a.A. GFELLER/BIGLER/BONIN, Untersuchungshaft, N. 479, die der Auffassung sind, beim Betrug handle es sich um keine sicherheitsrelevante Tat).
4.2. Den Akten können vorliegend keine konkreten Anhaltspunkte entnommen werden, wonach bei einer erneuten Tatbegehung möglicherweise Gewaltanwendungen seitens des Beschwerdeführers gegenüber Dritten befürchtet werden müssten, welche unter Umständen aufgrund der drohenden Beeinträchtigung der physischen oder psychischen Integrität der Opfer zur Bejahung der Sicherheitsgefährdung führen würden. Im Übrigen wird dem Beschwerdeführer auch keine qualifizierte Begehung der ihm angelasteten Delikte vorgeworfen, welche allenfalls eine erhebliche Sicherheitsrelevanz begründen könnte (vgl. E. 4.1 hiervor).
Sodann kann auch aufgrund der Deliktssumme nicht von besonders schweren Vermögensdelikten gesprochen werden. Diese beträgt einige tausend Franken und ist mithin auch zusammengerechnet nicht hoch. Insofern kann der Vorinstanz nicht gefolgt werden, wenn sie ausführte, die Deliktsbeträge im vorliegenden Verfahren seien als erheblich sicherheitsgefährdend einzustufen.
Nach dem Gesagten lässt sich im konkreten Fall - trotz der unbestrittenen Sozialschädlichkeit der Vermögensdelikte - weder eine erhebliche Gefährdung der Sicherheitslage anderer Personen noch ein besonders schweres Vermögensdelikt annehmen. Damit ist das (zweite) Kriterium der Sicherheitsrelevanz nicht erfüllt (vgl. E. 2.3 hiervor). Die Anordnung der Untersuchungshaft lässt sich mit Wiederholungsgefahr folglich nicht rechtfertigen.
5.
Die Beschwerde ist somit gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und der Beschwerdeführer unverzüglich aus der Haft zu entlassen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG), und der Kanton Zürich hat dem Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 11. November 2019 aufgehoben. Der Beschwerdeführer ist unverzüglich aus der Untersuchungshaft zu entlassen.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Der Kanton Zürich hat Rechtsanwältin Carmen Emmenegger für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 10. Januar 2020
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Chaix
Die Gerichtsschreiberin: Sauthier