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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
2C_740/2019
Urteil vom 9. September 2019
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Zünd, präsidierendes Mitglied,
Gerichtsschreiberin Mayhall.
Verfahrensbeteiligte
1. A.A.________,
2. B.A.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Federspiel,
gegen
Migrationsamt des Kantons Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.
Gegenstand
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 19. Juni 2019 (VB.2019.00012).
Erwägungen:
1.
A.A.________ (Jahrgang 1977) ist türkische Staatsangehörige. Sie reiste am 4. Juni 2009 illegal in die Schweiz ein und hielt sich zunächst ohne gültigen Aufenthaltstitel in der Schweiz auf. Am 11. November 2011 kam ihr Sohn B.A.________ zur Welt. Sein Vater ist ein in der Schweiz aufenthaltsberechtigter türkischer Staatsangehöriger. Infolge der Heirat zwischen A.A.________ und dem in der Schweiz niedergelassenen türkischen Staatsangehörigen D.________ (Jahrgang 1990) am 21. Mai 2012 erhielten sie und ihr Sohn eine letztmals bis 20. Mai 2016 verlängerte Aufenthaltsbewilligung. Nach Abklärungen wegen Verdachts auf Scheinehe wurde der Familiennachzug für die aus einer früheren Ehe von A.A.________ stammende Tochter C.A.________ bewilligt. Mit Urteil vom 10. Dezember 2015 schied das Bezirksgericht Dielsdorf die Ehe zwischen A.A.________ und D.________. Mit Verfügung vom 28. April 2017 wies das Migrationsamt des Kantons Zürich die Gesuche von A.A.________, C.A.________ und B.A.________ um Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligungen ab, wies sie aus der Schweiz weg und setzte ihnen eine Ausreisefrist an. Den dagegen erhobenen Rekurs hiess die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich mit Entscheid vom 4. Dezember 2018 teilweise gut, hob die angefochtene Verfügung vom 28. April 2017 insoweit auf, als sie die nachgezogene Tochter C.A.________ betraf, wies den Rekurs im Übrigen ab und setzte eine neue Ausreisefrist an. Mit Urteil vom 19. Juni 2019 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich die von A.A.________ und B.A.________ erhobene Beschwerde ab. A.A.________ und B.A.________ gelangen mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 4. September 2019 an das Bundesgericht. Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind andere Instruktionsmassnahmen angeordnet worden.
2.
2.1. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit bzw. die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gemäss Art. 29 Abs. 1 BGG von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 138 I 475 E. 1 S. 476; 138 III 46 E. 1, 471 E. 1 S. 475; 137 III 417 E. 1). Ist jedoch die Zulässigkeit eines Rechtsmittels zweifelhaft, beschlägt die der Beschwerde führenden Partei obliegende Begründungspflicht gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG grundsätzlich auch die Eintretensvoraussetzungen; die für deren Vorliegen massgeblichen Aspekte müssen diesfalls aufgezeigt werden (vgl. BGE 134 II 45 E. 2.2.3 S. 48; 133 II 249 E. 1.1 S. 251, 353 E. 1 S. 356, 400 E. 2 S. 404; s. auch BGE 138 III 46 E. 1.2 S. 47). Hängt die Zulässigkeit des Rechtsmittels vom Bestehen eines Rechtsanspruchs ab, ist ein potenzieller Anspruch in vertretbarer Weise geltend zu machen (BGE 139 I 330 E. 1.1 S. 332; 136 II 177 E. 1.1 S. 179; s. etwa auch Urteil 2C_133/2016 vom 9. Februar 2016 E. 2.2 mit weiteren Hinweisen).
2.2. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG unzulässig gegen Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts betreffend Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt. Nach dem Grundsatz der Einheit des Prozesses (vgl. BGE 138 II 501 E. 1.1 S. 503; 134 V 138 E. 3 S. 144; 134 II 192 E. 1.3 S. 195; 133 III 645 E. 2.2 S. 647 f.) ist sie, wenn sie gegen Sachentscheide unzulässig ist, auch ausgeschlossen gegen Entscheide verfahrensrechtlicher Natur (Nichteintretensentscheide oder Entscheide, die solche zum Gegenstand haben). An einer bundesgesetzlichen Anspruchsnorm fehlt es vorliegend.
2.2.1. Hinsichtlich der für ein Eintreten auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erforderlichen Anspruchsgrundlage machen die Beschwerdeführer geltend, die Beschwerdeführerin würde schon seit mehr als zehn Jahren und der Beschwerdeführer seit seiner Geburt in der Schweiz leben, womit sie sich sinngemäss auf Art. 8 EMRK in seiner Ausprägung als Schutz des Privatlebens bzw. des Schutzes des Familienlebens berufen. Um aus Art. 8 EMRK unter seinem Aspekt des Schutzes auf Privatlebens einen Anspruch auf Bewilligungserteilung ableiten zu können, bedürfte es nach bisheriger Rechtsprechung besonders vertiefter, über eine normale Integration hinausgehender Bindungen gesellschaftlicher oder beruflicher Natur bzw. vertiefter sozialer Beziehungen zum ausserfamiliären bzw. ausserhäuslichen Bereich; in der Regel genügen hierfür eine lange Anwesenheit und die damit verbundenen Beziehungen noch nicht; erforderlich ist eine eigentliche Verwurzelung in die hiesigen Verhältnisse (BGE 130 II 281 E. 3.2 S. 286). Das Bundesgericht hat diese Rechtsprechung kürzlich umfassend dargestellt und präzisiert (BGE 144 I 266 E. 3.5-3.9 S. 274 ff.). Eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens kann die behördlich angeordnete Beendigung des Aufenthalts im Land dann darstellen, wenn sich eine Person rechtmässig während zehn Jahren hier aufgehalten hat, weil nach dieser Zeitspanne regelmässig eine gute Integration vorausgesetzt werden kann. Längere Landesanwesenheit ist mithin unter Umständen geeignet, unter dem Aspekt von Art. 8 EMRK einen den Weg zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten öffnenden Bewilligungsanspruch zu begründen, weil es dann zur Beendigung des Aufenthalts besonderer Gründe bedarf, was im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen ist (BGE 144 I 266 E. 3.8 S. 277, E. 3.9 S. 277 ff.). Voraussetzung für die Zulassung des Rechtsmittels ist indessen, dass sich die Frage eines Eingriffs in Art. 8 EMRK prima vista überhaupt stellen kann. Dies trifft nicht schon grundsätzlich bei einer Aufenthaltsdauer von zehn Jahren zu. Erforderlich ist vor allem, dass der Aufenthalt rechtmässig war, um überhaupt integrationsbegründend zu sein (BGE 144 I 266 E. 3.9 S. 278 f.).
Die Beschwerdeführerin ist im Jahr 2009 in die Schweiz eingereist und hielt sich bis im Jahr 2012 illegal in der Schweiz auf. Die im Jahr 2012 erteilte Aufenthaltsbewilligung ist am 20. Mai 2016 ausgelaufen. Seit diesem Zeitpunkt beruht die Anwesenheit der Beschwerdeführerin ausschliesslich auf prekärer rein prozessualer Grundlage. Darauf lässt sich keine hinreichende, den Anspruch auf ausländerrechtliche Bewilligung nach Art. 8 EMRK begründende Integration stützen (vgl. Urteil 2C_18/2019 vom 9. Januar 2019 E. 2.3).
Dasselbe gilt im Ergebnis für ihren im Jahr 2011 geborenen aufenthaltsberechtigten Sohn, der mangels gefestigten Aufenthaltsrechts seiner biologischen Eltern, die beide nur über eine Aufenthaltsbewilligung verfügen, für sich keine aufenthaltsbegründenden Ansprüche aus Art. 8 EMRK ableiten kann (BGE 143 I 21 E. 5.2 S. 27; 135 I 143 E. 2.1 S. 147; BGE 122 II 1 E. 2 S. 6; 116 Ib 353 E. 3 S. 357 ff.).
2.2.2. Ebensowenig kann die Beschwerdeführerin aus Art. 50 AIG einen Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung ableiten. Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG (in der ursprünglichen, am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Fassung [AS 2007 5437]) setzt für einen nachehelichen Aufenthaltsanspruch eine Ehe von mindestens drei Jahren sowie eine erfolgreiche Integration voraus. Selbst falls die Ehe mit dem niederlassungsberechtigten Exmann drei Jahre gedauert hätte, würde es an der zweiten Voraussetzung fehlen, hat doch die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdeschrift nicht in der prozessual erforderlichen Weise (oben, E. 2.1) dargelegt, dass sie erfolgreich integriert wäre. Die Regelung von Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG, welche nach Auflösung der Familiengemeinschaft dem ausreisepflichtigen Gatten bzw. den Kindern bei wichtigen persönlichen Gründen einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gewährt, kommt im vorliegenden Fall deswegen nicht zum Tragen, weil sie vorab auf die gemeinsamen Kinder zugeschnitten ist (BGE 143 I 21 E. 4.2.1 S. 25), und der niederlassungsberechtigte Exmann nicht der Kindsvater ist. Mangels unbestrittenermassen fehlender sozialer Beziehung zwischen dem niederlassungsberechtigten Exmann der Beschwerdeführerin, der nicht der Kindsvater ist, und dem Sohn fällt der Sohn nicht unter den Begriff der "gemeinsamen Kinder", welcher ohne weitere Gründe (eheliche Gewalt, stark gefährdete soziale Wiedereingliederung usw.) eine Anwesenheit der geschiedenen Gattin und der Kinder "erforderlich" machen bzw. rechtfertigen könnte (Art. 50 Abs. 1 lit. b i.V.m. Abs. 2 AIG; BGE 143 I 21 E. 4.2.1 S. 25). Eine Anwendung von Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG mit Bezug auf den nur aufenthaltsberechtigten Kindsvater fällt schon deswegen ausser Betracht, weil die Beschwerdeführerin mit dem Kindsvater gemäss der Aktenlage nicht verheiratet war. Auf die nach Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG offensichtlich unzulässige Beschwerde ist mit Entscheid des präsidierenden Mitglieds als Einzelrichter im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 BGG nicht einzutreten.
2.3. Als bundesrechtliches Rechtsmittel in Sachen Bewilligungsverweigerung kommt die subsidiäre Verfassungsbeschwerde in Betracht (Art. 113 ff. BGG).
2.3.1. Mit diesem Rechtsmittel kann die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 116 BGG). Entsprechende Rügen bedürfen spezifischer Geltendmachung und Begründung (Art. 106 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 117 BGG). Die Berechtigung zur Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass der Beschwerdeführer ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (Art. 115 lit. b BGG). Die Beschwerdeführer berufen sich auf Art. 8 EMRK. Da sie im Hinblick auf eine Bewilligungserteilung keine Rechte aus dieser Konventionsnorm ableiten können (vorstehend E. 2.2.1), fehlt es insofern an einem rechtlich geschützten Interesse (BGE 133 I 185 E. 6.2 S. 199). Ein solches rechtlich geschütztes Interesse lässt sich in vertretbarer Weise auch nicht auf Art. 9 BV abstützen, hat doch die Behörde mit ihren Abklärungen zum Verdacht einer Scheinehe ohne gleichzeitigen Widerruf der Aufenthaltsbewilligungen mit Sicherheit keinen Vertrauensschutztatbestand geschaffen (vgl. dazu BGE 131 II 627 E. 6.1 S. 636 f.). Trotz der herausragenden Bedeutung, welche die bundesgerichtliche Rechtsprechung dem Kindeswohl bei der Anwendung ausländerrechtlicher Normen zumisst, vermögen die Art. 3, Art. 9 Abs. 2 und Abs. 3 sowie Art. 12 KRK für sich genommen keinen Anspruch auf eine ausländerrechtliche Bewilligung zu vermitteln (BGE 144 I 91 E. 5.2 S. 98; 140 I 145 E. 3.2 S. 148; 139 I 315 E. 2.4 S. 321), weshalb auch diese Normen kein rechtlich geschütztes Interesse im Sinne von Art. 115 lit. b BGG zu begründen vermögen. Die Beschwerdeführer sind zur Erhebung der subsidiären Verfassungsbeschwerde nicht legitimiert.
2.3.2. Trotz fehlender Legitimation in der Sache selbst sind A.A.________ und B.A.________ allerdings zur Rüge berechtigt, ihr zustehende Verfahrensgarantien seien verletzt worden. Nicht zu hören sind dabei aber Vorbringen, die im Ergebnis auf die Überprüfung des Sachentscheids abzielen (vgl. BGE 114 Ia 307 E. 3c S. 313; 129 I 217 E. 1.4 S. 222; 126 I 81 E. 7b S. 94; zur Weiterführung dieser so genannten "Star-Praxis" unter der Herrschaft des Bundesgerichtsgesetzes s. BGE 135 II 430 E. 3.2 S. 436 f.; s. auch BGE 138 IV 78 E. 1.3 S. 80; spezifisch zum Ausländerrecht BGE 133 I 185 E. 6.2 S. 198 f. und BGE 137 II 305 E. 2 S. 308). Die Beschwerdeführerin rügt die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. Sie rügt dabei insbesondere, das Migrationsamt habe es unterlassen, Unterlagen zur Abklärung der Aufgabe der ehelichen Gemeinschaft edieren zu lassen, und dadurch das rechtliche Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) der Beschwerdeführer verletzt. Es handelt sich dabei offensichtlich um Rügen, die im Sinne der zitierten Rechtsprechung im Ergebnis auf eine Überprüfung des Sachentscheids abzielen.
2.3.3. Auf die offensichtlich unzulässige subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist mit Entscheid des präsidierenden Mitglieds als Einzelrichter im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 BGG (in Verbindung mit Art. 117 BGG) nicht einzutreten.
2.4. Die Beschwerdeführer erheben zusätzlich subsidiäre Verfassungsbeschwerde in Bezug auf die Wegweisung und entsprechende behauptete Vollzugshindernisse; diesbezüglich ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unzulässig (Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG) und steht nur die Verfassungsbeschwerde zur Verfügung (Art. 113 BGG). Auf die Verfassungsbeschwerde ist schon darum nicht einzutreten, weil spezifisch in Bezug auf die Wegweisung keine verfassungsmässigen Rechte als verletzt gerügt werden (vgl. aber Art. 116 und Art. 106 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 117 BGG sowie BGE 137 II 305 E. 3.3 S. 310 f.).
2.5. Die Gerichtskosten (Art. 65 BGG) sind entsprechend dem Verfahrensausgang den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 erster Satz und Abs. 5 BGG). Mit dem instanzabschliessenden Urteil wird das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.
Demnach erkennt das präsidierende Mitglied:
1.
Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird nicht eingetreten.
2.
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 9. September 2019
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Zünd
Die Gerichtsschreiberin: Mayhall