BGer 6B_613/2019
 
BGer 6B_613/2019 vom 22.08.2019
 
6B_613/2019
 
Urteil vom 22. August 2019
 
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer,
Bundesrichter Rüedi,
Gerichtsschreiber Faga.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Stephan Jau,
Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Spisergasse 15, 9001 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Versuchte vorsätzliche Tötung; Willkür,
Grundsatz "in dubio pro reo",
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 25. Januar 2019 (ST.2017.174-SK3).
 
Sachverhalt:
A. Am 3. März 2013 führten X.________ und A.________ frühmorgens eine politische Diskussion über ihre Heimat Sri Lanka. X.________ wird vorgeworfen, A.________ dabei mit einem Küchenmesser (Klingenlänge 14 cm) verletzt zu haben. Dieser erlitt eine Stichverletzung im Unterbauch und musste in der Folge zweimal operiert werden.
B. Das Kantonsgericht St. Gallen sprach X.________ am 25. Januar 2019 im Berufungsverfahren gegen ein Urteil des Kreisgerichts Rheintal vom 27. September 2017 zweitinstanzlich der versuchten vorsätzlichen Tötung schuldig. Es bestrafte ihn mit einer teilbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren unter Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungshaft von 65 Tagen. Den zu vollziehenden Teil der Freiheitsstrafe legte es auf 12 Monate und die Probezeit auf drei Jahre fest.
C. X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und eventualiter subsidiäre Verfassungsbeschwerde. Er beantragt, das Urteil des Kantonsgerichts sei aufzuheben, und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem stellte er ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung, das die Strafrechtliche Abteilung am 17. Juli 2019 abwies.
 
Erwägungen:
1. Mit der Beschwerde in Strafsachen kann auch die Verletzung von Verfassungsrecht gerügt werden (Art. 95 BGG). Die zusätzlich erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist ausgeschlossen (vgl. Art. 113 BGG).
 
2.
2.1. Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz eine willkürliche Beweiswürdigung sowie die Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" vor (Beschwerde S. 3 ff.).
2.2. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 143 IV 241 E. 2.3.1 S. 244; 143 I 310 E. 2.2 S. 313; je mit Hinweis; vgl. zum Begriff der Willkür BGE 143 IV 241 E. 2.3.1 S. 244; 141 III 564 E. 4.1 S. 566; je mit Hinweisen).
Als Beweiswürdigungsregel besagt der Grundsatz "in dubio pro reo", dass sich das Strafgericht nicht von der Existenz eines für die beschuldigte Person ungünstigen Sachverhalts überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so verwirklicht hat (BGE 127 I 38 E. 2a S. 41 mit Hinweisen). Verurteilt das Strafgericht den Beschuldigten, obwohl bei objektiver Betrachtung des gesamten Beweisergebnisses unüberwindliche, schlechterdings nicht zu unterdrückende Zweifel an dessen Schuld bestehen, liegt auch immer Willkür vor. Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 144 IV 345 E. 2.2.3.1 - 2.2.3.3 S. 348 ff.; 143 IV 500 E. 1.1 S. 503; je mit Hinweisen).
Die Rüge der Verletzung von Grundrechten (einschliesslich Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung) muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen Entscheids präzise vorgebracht und substanziiert begründet werden, anderenfalls darauf nicht eingetreten wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 143 IV 500 E. 1.1 S. 503; 142 II 206 E. 2.5 S. 210; 142 I 135 E. 1.5 S. 144; je mit Hinweisen).
2.3. Unbestritten ist, dass sich der Beschwerdeführer und A.________ am 2./3. März 2013 gegen Mitternacht in die Wohnung des Beschwerdeführers begaben, nachdem sie zuvor bei einem Kollegen gekocht, gegessen und Alkohol konsumiert hatten. Beim Beschwerdeführer zu Hause trafen sie auf dessen Mitbewohner B.________, worauf sie zu dritt den Alkoholkonsum in der Küche fortsetzten. Dabei gerieten der Beschwerdeführer und A.________ in eine politische Diskussion respektive (vorerst) in einen Disput über Sri Lanka. Unbestritten ist weiter, dass A.________ in der Küche eine Stichverletzung erlitt, B.________ an der Tat nicht beteiligt war, der Beschwerdeführer kurz vor drei Uhr morgens den Notruf verständigte und er A.________ mit der Ambulanz ins Kantonsspital begleitete.
Bestritten wird vom Beschwerdeführer, Urheber der Stichverletzung zu sein. Die Vorinstanz bejaht dies. Sie würdigt in erster Linie die Aussagen des Opfers A.________ und dessen Ehefrau sowie die Schilderungen des beim Vorfall ebenfalls anwesenden Mitbewohners B.________. Die Vorinstanz lässt in ihre Beweiswürdigung die Aussagen des Beschwerdeführers einfliessen und würdigt verschiedene Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin (IRM) des Kantonsspitals St. Gallen zur körperlichen Untersuchung beider Kontrahenten und zum sichergestellten Küchenmesser (Entscheid S. 6 ff.).
2.4. Der Beschwerdeführer stellt sich zusammengefasst auf den Standpunkt, A.________ habe das Messer behändigt und sich die Stichverletzung im Rausch selbst zugefügt. Im Einzelnen macht der Beschwerdeführer geltend, das Opfer sei von der Polizei in seinen Aussagen beeinflusst worden. Zudem enthielten dessen Aussagen viele Widersprüche. Seine (des Beschwerdeführers) fehlende Erinnerung würdige die Vorinstanz einseitig zu seinen Lasten. Laut IRM hätten am Griff und an der Klinge des Messers einzig DNA-Spuren des Opfers nachgewiesen werden können (Beschwerde S. 3 ff.).
Mit Blick auf den eingeräumten Streit drängt sich dieser Tatablauf nicht ohne Weiteres auf. Was der Beschwerdeführer vorbringt, vermag Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung nicht aufzuzeigen. Soweit er auf Widersprüche in den Aussagen des Opfers und "kleinere Abweichungen" in den eigenen Schilderungen verweist, beschränkt er sich darauf, zum vorinstanzlichen Beweisergebnis wie in einem appellatorischen Verfahren frei zu plädieren. Er legt dar, wie seiner Auffassung nach seine Aussagen und jene der Auskunftsperson richtigerweise zu würdigen gewesen wären. Solche allgemein gehaltenen Einwände sind ungenügend und erschöpfen sich in einer unzulässigen appellatorischen Kritik am angefochtenen Entscheid. Sie setzen eine freie Prüfung in tatsächlicher Hinsicht voraus, welche das Bundesgericht nicht vornimmt.
Unter Hinweis auf das Protokoll der Konfrontationseinvernahme vom 24. April 2013 wiederholt der Beschwerdeführer seine Ausführungen im kantonalen Verfahren, das Opfer habe damals entgegen der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung eine Einflussnahme durch die Polizei geschildert. Die soweit erkennbar gegen die Glaubhaftigkeit der fraglichen Aussagen gerichtete Kritik überzeugt nicht. Zum einen fehlen für eine solche Unterstellung jegliche Hinweise in den polizeilichen Einvernahmeprotokollen vom 3. und 8. März 2013 (vorinstanzliche Akten Dossier D Urk. 2 und 3). Zum anderen zeigt die Vorinstanz auf, dass die fragliche Aussage ("Die ganze Sache hat mir die Polizei erzählt, was genau passiert ist") nicht vom Opfer, sondern vom Beschwerdeführer stammte. Sie erfolgte unmittelbar im Anschluss, nachdem (unbestrittenermassen) der Beschwerdeführer eine Erinnerungslücke erwähnt hatte und er von einem gegenseitigen Stossen nur auf Schilderung der Polizei wissen wollte (vorinstanzliche Akten Dossier E Urk. 5 S. 3 f.). Verneint die Vorinstanz eine polizeiliche Einflussnahme auf das Opfer und geht sie von einem (offenkundigen) Versehen im Protokoll aus, sind ihre Erwägungen überzeugend und können nicht als unhaltbar bezeichnet werden (vgl. etwa auch Protokoll der Konfrontationseinvernahme S. 6 Frage 40).
Was der Beschwerdeführer zum fehlenden Erinnerungsvermögen vorbringt, überzeugt ebenfalls nicht. Nach den vorinstanzlichen Erwägungen machte der Beschwerdeführer im Vorverfahren, vor der ersten Instanz und im Berufungsverfahren geltend, sich nicht an die Tat respektive den Messerstich zu erinnern. Vor Erstinstanz hielt er demgegenüber fest: "Ich habe ihn nicht gestochen, aber wenn Herr A.________ das meint, ich kann es auch nicht sagen. Ich war es nicht." Bezeichnet die Vorinstanz diese Aussagen des Beschwerdeführers wie auch etwa dessen Schilderungen zum zeitlichen Ablauf als widersprüchlich, verfällt sie nicht in Willkür. Zwar trifft mit dem Beschwerdeführer zu, dass es nicht ihm obliegt, seine Unschuld zu beweisen. Diesen Schluss zieht die Vorinstanz aber nicht, selbst wenn sie festhält, der Beschwerdeführer vermöge sich nicht zu entlasten. Sie belässt es nicht bei dieser Aussage, sondern stützt den Tatvorwurf in erster Linie auf die Schilderungen des Opfers und würdigt das Aussageverhalten des Beschwerdeführers. Sie stützt den Schuldspruch mithin nicht auf den Vorwurf, der Beschwerdeführer habe keine Erinnerungen an die Tat und deshalb seine Unschuld nicht nachgewiesen. Auch geht die Vorinstanz nicht davon aus, der Beschwerdeführer habe seine Unschuld zu beweisen. Mithin überbindet sie ihm offenkundig nicht die Beweislast.
In Würdigung unter anderem einer Fotodokumentation des kriminaltechnischen Dienstes schliesst die Vorinstanz Zweifel an der Tatwaffe aus (Entscheid S. 9 f.). Dies vermag der Beschwerdeführer gestützt auf die Aussagen von B.________ nicht umzustossen (Beschwerde S. 9). Thematisiert der Beschwerdeführer die auf dem Griff und der Klinge der Tatwaffe festgestellte DNA-Spur des Opfers, wiederholt er einzig seinen Standpunkt im kantonalen Verfahren. Damit hat sich die Vorinstanz in nachvollziehbarer und vertretbarer Weise auseinandergesetzt. Dass der fehlende Nachweis einer DNA-Spur des Beschwerdeführers auf dem Griff der Tatwaffe dessen Täterschaft nicht ausschliesst, kann nicht als unhaltbar bezeichnet werden. Dies gilt hier umso mehr, als neben dem inkompletten Hauptprofil des Opfers ein nicht interpretierbares Nebenprofil festgestellt wurde (vorinstanzliche Akten Dossier S Urk. 11 S. 1). Mit der Erklärung, das Messer sei vor der Tatnacht gereinigt worden, entfernt sich der Beschwerdeführer vom verbindlichen Sachverhalt der Vorinstanz. Selbst wenn sie zuträfe, vermag er damit das Beweisergebnis nicht in Frage zu stellen, geschweige denn zu erschüttern.
Insgesamt zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, dass und inwiefern das vorinstanzliche Beweisergebnis schlechterdings nicht mehr vertretbar sein und die Unschuldsvermutung verletzen sollte. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet, soweit sie den Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG überhaupt zu genügen vermag.
3. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Der Beschwerdeführer wird ausgangsgemäss kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Mangels Ausführungen zur Vermögenssituation kommt eine Reduktion der Gerichtskosten nicht in Betracht.
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, und A.________ schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 22. August 2019
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Der Gerichtsschreiber: Faga