BGer 2C_957/2018
 
BGer 2C_957/2018 vom 26.07.2019
 
2C_957/2018
 
Urteil vom 26. Juli 2019
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Zünd,
Bundesrichter Donzallaz,
Gerichtsschreiberin Mayhall.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Patrick Sutter,
gegen
Amt für Migration des Kantons Schwyz,
Regierungsrat des Kantons Schwyz.
Gegenstand
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom 28. August 2018 (III 2018 71).
 
Sachverhalt:
 
A.
A.________ (Jahrgang 1980) ist russische Staatsangehörige. Sie heiratete am 4. April 2007 in Deutschland den deutschen Staatsbürger B.________ (Jahrgang 1975). Das Ehepaar reiste am 29. September 2007 in die Schweiz ein, worauf das Migrationsamt des Kantons Zürich A.________ im Rahmen des Familiennachzugs eine bis 28. September 2012 gültige Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA erteilte. Nach Scheidung der Ehe mit Urteil vom 16. Oktober 2012 des Bezirksgerichts Zürich lehnte das Migrationsamt des Kantons Zürich mit Verfügung vom 3. Juli 2013 eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung von A.________ ab und setzte ihr eine Ausreisefrist an. Das Bundesgericht wies eine Beschwerde von A.________ letztinstanzlich mit Urteil vom 7. August 2015 (Verfahren 2C_474/2014) ab, soweit es darauf eintrat.
Gestützt auf die von A.________ mit dem schweizerischen Staatsangehörigen C.________ (Jahrgang 1950) am 5. Oktober 2015 geschlossene Ehe erteilte das Amt für Migration des Kantons Schwyz A.________ eine bis 4. Oktober 2016 gültige Aufenthaltsbewilligung, welche letztmals bis 4. Oktober 2017 verlängert wurde. Infolge Abmeldung des Ehemanns C.________ per 31. März 2017 und dessen Wegzug nach Deutschland verlängerte das kantonale Amt für Migration die Aufenthaltsbewilligung von A.________ mit Verfügung vom 12. Oktober 2017 nicht mehr, wies sie aus der Schweiz weg und setzte ihr eine Ausreisefrist an.
 
B.
Der Regierungsrat des Kantons Schwyz wies die von A.________ gegen die Verfügung vom 12. Oktober 2017 erhobene Verwaltungsbeschwerde mit Beschluss vom 14. Februar 2018 ab. Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz wies die von A.________ gegen den Beschluss vom 14. Februar 2018 geführte Beschwerde mit Urteil vom 28. August 2018 ebenfalls ab.
 
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 25. Oktober 2018 an das Bundesgericht beantragt A.________, in Aufhebung des Entscheids vom 28. August 2018 sei ihr die Aufenthaltsbewilligung zu erteilen bzw. zu verlängern und von einer Wegweisung sei abzusehen. Eventualiter sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zwecks zusätzlicher Sachverhaltsabklärungen und Neuentscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Subeventualiter sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und von einer Wegweisung sei abzusehen. Subeventualiter sei die Wegweisung bis zum rechtskräftigen Scheidungsurteil aufzuschieben.
Die Vorinstanz, der Regierungsrat des Kantons Schwyz und das Amt für Migration des Kantons Schwyz haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. Der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts hat der Beschwerde mit Verfügung vom 29. Oktober 2018 die aufschiebende Wirkung erteilt.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wurde unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42 BGG) eingereicht und richtet sich gegen einen Endentscheid einer letzten oberen kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 90 BGG) in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG).
1.2. Nach Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide über ausländerrechtliche Bewilligungen ausgeschlossen, auf deren Erteilung weder das Bundes- noch das Völkerrecht einen Rechtsanspruch einräumen. Auf Beschwerden, die sich gegen eine Nichtverlängerung einer Aufenthaltsbewilligung richten, kann eingetreten werden, wenn in vertretbarer Weise ein Anspruch auf Verlängerung geltend gemacht wird; ob der Anspruch besteht, ist Gegenstand der materiellen Beurteilung (BGE 136 II 177 E. 1.1 S. 179 f.; Urteil 2C_575/2013 vom 7. Februar 2014 E. 1.1). Die Beschwerdeführerin stützt ihren Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung auf Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG; SR 142.20; Fassung gemäss Ziff. I 1 des BG vom 15. Juni 2012 über Massnahmen gegen Zwangsheiraten, in Kraft seit 1. Juli 2013 [AS 2013 1035; BBl 2011 2185]). Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung ist zulässig (Art. 83 lit. c Ziff. 2
1.3. Die Beschwerdeführerin, die am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat und mit ihren Anträgen unterlegen ist, hat ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung und Abänderung des angefochtenen Urteils. Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist einzutreten (Art. 89 Abs. 1 BGG).
1.4. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 mit Hinweis). Die Verletzung von Grundrechten sowie von kantonalem und interkantonalem Recht untersucht es in jedem Fall nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 I 229 E. 2.2 S. 232; 134 II 244 E. 2.2 S. 246; 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254).
1.5. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zu Grunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig festgestellt ist ein Sachverhalt, wenn er willkürliche Feststellungen beinhaltet (BGE 137 I 58 E. 4.1.2 S. 62). Die Bewertung der vorgelegten Beweismittel beschlägt die Frage der Beweiswürdigung, die vom Bundesgericht nur unter dem eingeschränkten Gesichtspunkt der Willkür (Art. 9 BV) geprüft wird (statt vieler Urteile 9C_721/2015 vom 8. August 2016 E. 3.3; 8C_315/2016 vom 20. Juni 2016 E. 2.3 mit Hinweisen).
 
2.
Die Beschwerdeführerin rügt, sie lebe seit elf Jahren in der Schweiz, habe jeweils ihren eigenen Lebensunterhalt bestritten und sei vorbildlich integriert. Gegen sie würden keine Betreibungen vorliegen und sie habe sich keine strafbaren Handlungen zu Schulden kommen lassen. Die Vorinstanz habe sachverhaltswidrig festgestellt, dass sie nicht unzumutbarer häuslicher Gewalt ausgesetzt gewesen sei. Aus den im Recht liegenden, von Psychiatern erstellten Unterlagen gehe hervor, dass es während der Ehe zu massiven Kontrollen gekommen und die Beschwerdeführerin durch ihren Ehemann sozial isoliert worden sei. Die psychische Oppression könne auch von Drittpersonen bestätigt werden und habe den Rahmen zumutbarer häuslicher Gewalt überschritten. Die Vorinstanz habe somit den Sachverhalt betreffend häusliche Gewalt offensichtlich unrichtig, mithin willkürlich, festgestellt. Hinsichtlich der Zumutbarkeit der Wegweisung habe die Vorinstanz pauschal darauf verwiesen, dass die medizinische Versorgung in Russland gewährleistet sei, und sei auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die zur Behandlung ihrer Depression notwendigen Medikamente seien in Russland nicht erhältlich, nicht eingegangen, wodurch sie den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt habe. Dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe könne entnommen werden, dass in Russland die meisten Patientinnen und Patienten insbesondere in ambulanter Behandlung oft keinen Zugang zu teuren und wirksamen Medikamenten hätten. Die Vorinstanz habe sodann, ungeachtet der Feststellung, dass sich weder das Amt für Migration noch der Regierungsrat zur Verhältnismässigkeit der Wegweisung geäussert hätten, lediglich eine summarische Verhältnismässigkeitsprüfung durchgeführt, ohne auf die Vorbringen der Beschwerdeführerin einzugehen, womit sie ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt habe.
2.1. Vorab ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin, die sich seit über elf Jahren in der Schweiz aufhält und sich gemäss dem angefochtenen Urteil klaglos verhalten, keine Sozialhilfeleistungen bezogen sowie erfolgreich die deutsche Sprache erlernt hat und beruflich immer wieder Erwerbstätigkeiten nachgegangen ist, in ihrer Beschwerde keine Verletzung von Art. 8 EMRK in seiner Ausprägung als Privatleben geltend macht (vgl. dazu BGE 144 I 266 E. 3.5 S. 274, E. 3.9 S. 277 ff.). Auch in ihrer subsidiären Verfassungsbeschwerde, auf welche im vorliegenden bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren nicht eingetreten werden kann (unten, E. 2.4), rügt die Beschwerdeführerin ausdrücklich nur eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung (Art. 9 BV) und eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV). Zur Erfüllung der für die Rüge der Verletzung verfassungsmässiger Rechte vorausgesetzten qualifizierten Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. dazu oben, E. 1.4) hat eine Beschwerde eine kurz gefasste Darlegung dazu zu enthalten, welches verfassungsmässige Recht verletzt worden ist (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246; NICOLAS VON WERDT, in: Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2015, N. 15 zu Art. 106 BGG). Angesichts dessen, dass die Beschwerdeführerin die Rüge der Verletzung von Art. 8 EMRK in ihrer Beschwerde nicht erhoben hat, bleibt dem Bundesgericht eine Überprüfung des angefochtenen Urteils auf eine Verletzung des Privatlebens der Beschwerdeführerin hin verwehrt.
2.2. Als unbegründet erweist sich die Rüge, die Vorinstanz habe den Sachverhalt hinsichtlich einer häuslichen Oppression willkürlich festgestellt. In die Beweiswürdigung des Sachgerichts greift das Bundesgericht nur ein, wenn diese willkürlich ist (BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; Urteil 4A_56/2013 vom 4. Juni 2013 E. 2), was insbesondere dann der Fall ist, wenn das Sachgericht offensichtlich unhaltbare Schlüsse zieht, erhebliche Beweise übersieht oder solche willkürlich ausser Acht lässt (vgl. BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; 120 Ia 31 E. 4b S. 40). Die eigene Sachverhaltsdarstellung und die Ausführungen dazu, wie die im Recht liegenden Beweismittel zur psychischen Oppression nach Ansicht der Beschwerdeführerin hätten gewürdigt werden müssen, vermögen keine willkürliche Beweiswürdigung erkennen zu lassen (BGE 133 III 462 E. 2.4 S. 466 f. mit Hinweis; Urteil 1C_354/2012 vom 23. Januar 2013 E. 1.2).
2.3. Auszugehen ist somit gestützt auf den für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG) festgestellten vorinstanzlichen Sachverhalt, dass die Beschwerdeführerin in ihrer zweiten Ehe keine häusliche Gewalt erfahren hat. Die Beschwerdeführerin kann dementsprechend, entgegen der Beschwerdeschrift, gestützt auf Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AIG keinen Anspruch auf Verlängerung ihrer mittlerweile abgelaufenen Aufenthaltsbewilligung geltend machen. Besteht kein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, erübrigt sich eine Prüfung der Verhältnismässigkeit der Nichtverlängerung, da das Bundesgericht nur für Anspruchsbewilligungen zuständig ist (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG; Urteil 2C_981/2017 vom 18. Februar 2019 E. 6). Im Rahmen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist demzufolge nicht anlässlich einer Interessenabwägung zu prüfen, ob der Beschwerdeführerin eine Rückreise nach Russland zumutbar ist. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist unbegründet und abzuweisen, ohne dass auf die Rügen zur Zumutbarkeit einer Ausreise nach Russland einzugehen wäre.
2.4. Als bundesgerichtliches Rechtsmittel gegen die angeordnete Wegweisung fällt allein die subsidiäre Verfassungsbeschwerde in Betracht (Art. 83 lit. c Ziff. 4, Art. 113 ff. BGG). Mit diesem Rechtsmittel kann die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 116 BGG). Zur Verfassungsbeschwerde ist berechtigt, wer ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat. Ein solches rechtlich geschütztes Interesse kann sich namentlich aus Art. 3 EMRK ergeben (vgl. BGE 137 II 305 E. 3.3 S. 310), dessen Verletzung die Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe an das Bundesgericht jedoch nicht geltend macht. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) insofern, als die Vorinstanz die Argumente der unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidenden Beschwerdeführerin zur Zumutbarkeit einer Rückreise nach Russland nicht geprüft habe, ohne jedoch die Rüge der Verletzung von Art. 3 EMRK zu erheben. Des Weiteren rügt die Beschwerdeführerin eine willkürliche vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung (Art. 9 BV) bezüglich der durch den zweiten Ehemann erfahrenen häuslichen Oppression. Diese Frage ist für die Beendigungsverfügung bedeutsam und wurde dort abgehandelt. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist nicht einzutreten.
 
3.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen werden nicht gesprochen (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 3 BGG).
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.
2. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.
3. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 26. Juli 2019
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Seiler
Die Gerichtsschreiberin: Mayhall