BGer 8C_134/2019
 
BGer 8C_134/2019 vom 27.06.2019
 
8C_134/2019
 
Urteil vom 27. Juni 2019
 
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Frésard, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Polla.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Christine Fleisch,
Beschwerdeführerin,
gegen
IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 28. Dezember 2018 (IV.2018.00726).
 
Sachverhalt:
 
A.
A.a. Die 1981 geborene A.________ meldete sich am 4. Februar 2013 wegen psychischer Beschwerden mit einer depressiven Entwicklung seit September 2012 zum Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung an. Mit Verfügung vom 30. Oktober 2014 wies die IV-Stelle des Kantons Zürich das Leistungsbegehren ab. Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 21. März 2016 in dem Sinne gut, dass es die angefochtene Verfügung aufhob und die Sache an die IV-Stelle zu ergänzender Abklärung und neuer Verfügung zurückwies.
A.b. Nach weiteren medizinischen und erwerblichen Abklärungen, namentlich nach Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Zentrums Römerhof (MZR), Zürich, vom 22. März 2017, verneinte die IV-Stelle erneut einen Leistungsanspruch (Verfügung vom 5. Juli 2018).
B. Das Sozialversicherungsgericht wies die hiergegen geführte Beschwerde mit Entscheid vom 28. Dezember 2018 ab.
C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren um Zusprechung einer halben Invalidenrente ab 1. September 2013.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat auf eine Stellungnahme verzichtet.
 
Erwägungen:
1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzung gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der angefochtene Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell- und beweisrechtlichen Grundlagen (u.a.) Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a BGG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). Hingegen hat eine freie Überprüfung des vorinstanzlichen Entscheids in tatsächlicher Hinsicht zu unterbleiben. Ebenso entfällt eine Prüfung der Ermessensbetätigung nach den Grundsätzen zur Angemessenheitskontrolle.
 
2.
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht die rentenverneinende Verfügung der IV-Stelle vom 5. Juli 2018 bestätigte.
2.2. Bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit stützt sich die Verwaltung und im Beschwerdefall das Gericht auf Unterlagen, die von ärztlichen und gegebenenfalls auch anderen Fachleuten zur Verfügung zu stellen sind. Ärztliche Aufgabe ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes ist entscheidend, ob dieser für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge sowie der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen der Experten begründet sind (BGE 140 V 193 E. 3.2 S. 195; 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis).
2.3. Die vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit bzw. deren Veränderung in einem bestimmten Zeitraum betreffen grundsätzlich den Sachverhalt (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Gleiches gilt für die konkrete Beweiswürdigung. Demgegenüber stellt frei überprüfbare Rechtsfragen dar, ob der Untersuchungsgrundsatz und die Beweiswürdigungsregeln eingehalten sind (für viele: BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; SVR 2014 IV Nr. 1 S. 1, 9C_228/2013 E. 1.2; 2014 IV Nr. 20 S. 72, 9C_460/2013 E. 1.3).
2.4. Nach der Rechtsprechung ist bei psychischen Leiden unabhängig von der diagnostischen Einordnung auf objektivierter Beurteilungsgrundlage zu prüfen, ob eine rechtlich relevante Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit nachzuweisen ist (BGE 143 V 409 E. 4.5.2 S. 416). Bei der Frage der funktionellen Auswirkungen einer Störung haben sich sowohl die medizinischen Sachverständigen als auch die Organe der Rechtsanwendung bei ihrer Einschätzung des Leistungsvermögens an den normativen Vorgaben zu orientieren (BGE 144 V 50 E. 4.3 S. 53 f.; 143 V 418 E. 6 S. 427).
 
3.
3.1. Die Vorinstanz mass dem MZR-Gutachten vom 22. März 2017 in Bezug auf den medizinischen Sachverhalt Beweiskraft bei. Sie würdigte das Gutachten, das der Versicherten eine durch die diagnostizierte chronifizierte mittelgradige depressive Störung mit somatischem Syndrom (ICD-10 F32.11/F32.2) verursachte 50%ige Arbeitsunfähigkeit bescheinigte (Dr. med. B.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH), anhand der Indikatoren nach BGE 141 V 281 und verneinte einen invalidenversicherungsrechtlich relevanten Gesundheitsschaden.
3.2. Die Beschwerdeführerin bringt vor, das kantonale Gericht habe im Lichte der Rechtsprechung gemäss BGE 143 V 409 und 418 sowie BGE 141 V 281 Bundesrecht verletzt, indem es sich über die polydisziplinäre medizinische Arbeitsfähigkeitsschätzung gemäss MZR-Gutachten mit einer unzulässigen juristischen Parallelüberprüfung hinweggesetzt habe. Es sei weiter bei der Würdigung der nach BGE 141 V 281 massgebenden Indikatoren in Willkür (Art. 9 BV) verfallen.
 
4.
4.1. Die Vorbringen in der Beschwerde sind mit Blick auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid zur Frage, ob den gesundheitlichen Beeinträchtigungen nach Massgabe von BGE 141 V 281 sowie BGE 143 V 409 und BGE 143 V 418 (auch) rechtlich invalidisierende Wirkung zukommt, nicht stichhaltig. Unbestritten verlieren Gutachten nach Art. 44 ATSG, die vor den erwähnten Grundsatzurteilen erstellt wurden, was auf die Expertise des MZR vom 8. Oktober 2013 zutrifft, nicht per se ihren Beweiswert (BGE 141 V 281 E. 8 S. 309; Urteil 9C_680/2017 vom 22. Juni 2018 E. 5.3). Insofern hielt die Vorinstanz in Befolgung des massgeblichen Prüfungsprogramms in der Kategorie "funktioneller Schweregrad" (vgl. BGE 141 V 281 E. 4.1.3 S. 297 f.) gestützt auf die im Gutachten objektiv erhobenen Befunde eine mässige Ausprägung derselben fest. Diese Feststellung zum Indikator "Ausprägung der diagnoserelevanten Befunde und Symptome" (BGE 141 V 281 E. 4.3.1.1 S. 298) lässt sich angesichts der gefundenen psychopathologischen Auffälligkeiten nicht beanstanden. Weder kann darin mit Blick auf die gutachterlich festgehaltenen Abklärungsergebnisse eine offensichtlich unrichtige Tatsachenfeststellung erblickt werden, noch geht damit eine Bundesrechtswidrigkeit im Sinne einer falschen rechtlichen Würdigung einher. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, dass der Gutachter die depressive Episode diagnostisch als mittelschwer klassierte und in Anlehnung an das Mini-ICF-Rating zur Annahme gelangte, für Aktivitäts- und Partizipationsstörungen bei psychischen Erkrankungen bestünden mittelschwere Störungen der Aktivität und Partizipation. Die Versicherte zeigt denn auch nicht auf, womit die Vorinstanz die Schwere der Beeinträchtigung mit ihrer Würdigung der gutachterlichen Darlegungen des Dr. med. B.________ bagatellisiert habe soll, wie sie ihr vorwirft. Eine selektive und einseitige Würdigung der gutachterlichen Ausführungen ist nicht auszumachen.
4.2. Zum Indikator "Behandlungserfolg oder -resistenz" (BGE 141 V 281 E. 4.3.1.2 S. 299) äusserte sich das kantonale Versicherungsgericht nicht abschliessend. Es hielt aber fest, gestützt auf die MZR-Expertise habe sich der psychische Gesundheitszustand trotz fachärztlicher Behandlung im Vergleich mit den Vorbefunden nicht verbessert, wobei die Versicherte gemäss Gutachten aber in pharmakologischer und therapeutischer Hinsicht nicht ausreichend behandelt worden sei. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde erachtete Dr. med. B.________ die therapeutische Frequenz für unzureichend und hielt fest, die psychopharmakologische Dosierung sei unter Kontrolle der Serumsspiegelwerte anzupassen und bei ungenügender Wirkung leitliniengerecht zu erweitern. Schöpft die Versicherte - in psychischer Hinsicht - nicht alle ihr zumutbaren Behandlungsmöglichkeiten aus bzw. nimmt sie eine überwiegend passive Haltung ein, lässt dies auf einen fehlenden oder zumindest nicht allzu grossen Leidensdruck schliessen. Ihre Behauptung, der Medikamentenspiegel sei dadurch, dass sie seit der gastrointestinalen Operation mit Magenbypass im Mai 2013 an täglichem Durchfall leide, nur knapp im therapeutischen Bereich, findet in den medizinischen Akten keine Stütze, zumal der Medikamentenspiegel für Duloxetin am 8. Dezember 2016 über dem therapeutischen Referenzbereich lag.
4.3. Soweit die Beschwerdeführerin hinsichtlich des Indikators "Komorbiditäten" die somatischen Leiden als leistungsmindernde Faktoren geltend machen will, hat sich das kantonale Gericht mit den aus rheumatologischer Sicht bestehenden Beschwerden befasst und hierin keine ressourcenhemmende Komorbidität gesehen. Mit Blick auf die Ausführungen des rheumatologischen Gutachters Dr. med. Alder, es bestünden wenige weichteilrheumatische Befunde (alltägliche reaktive Tendomyosen), die die Versicherte funktionell nicht beeinträchtigten und in der breiten Bevölkerung in analoger Weise auch an anderen Gelenken nachweisbar seien, hält diese Schlussfolgerung ohne Weiteres stand. Im Gutachten findet sich sodann kein Hinweis, dass die behauptete erhöhte Ermüdbarkeit isoliert von den psychiatrischen Diagnosen als potenziell ressourcenhemmender Faktor zu werten wäre. Aus den psychiatrischen Darlegungen zu den Diagnosekriterien in Bezug auf eine depressive Störung ergibt sich, dass die erhöhte Ermüdbarkeit ein Hauptsymptom der Erkrankung darstellt. Was die Verdauungsbeschwerden in Form von Durchfall anbelangt, wurden diese im Gutachten in der Systemanamnese als "dreimal pro Tag, jedoch unterschiedlich", beschrieben. Im psychiatrischen Teil der Expertise fanden sie unter den psychovegetativen Beschwerden Eingang, indem der Gutachter "eher Durchfall" vermerkte. Aus den medizinischen Dokumenten, enthaltend auch den Bericht des bariatrischen Ambulatoriums am Spital X.________ vom 7. Juli 2016, welches die Versicherte zur Kontrolle bezüglich der Bypass-Operation aufsuchte, geht jedenfalls nicht hervor, dass diesen zufolge ihrer Ausprägung ressourcenhemmende Wirkung beizumessen wäre.
4.4. Im Hinblick auf den Komplex "Sozialer Kontext" und "Persönlichkeit" stellte das kantonale Gericht fest, dass die Versicherte eine ausgeglichene Persönlichkeit aufweise, eine gute emotionale Bindung zu ihren Eltern habe und es in ihrer Ehe mit den drei Kindern keine Probleme gebe. Sie halte auch Kontakt zu ihren Geschwistern, weitere soziale Kontakte pflege die Versicherte nicht. Diese Feststellungen fussen auf den gutachterlichen Erhebungen der Familienanamnese sowie den Angaben der Versicherten anlässlich der psychiatrischen Exploration und lassen auf (mobilisierbare) Ressourcen schliessen. Die mittels Mini-ICF-PP festgestellten Einschränkungen flossen sodann bereits bei der erhobenen Befundlage ein und sind gesamthaft zu werten. Nachdem die Versicherte den Haushalt besorgt (allenfalls unter Mithilfe der Familienangehörigen wegen der Müdigkeit) und die drei minderjährigen Kinder (geboren 2004, 2008 und 2012) betreut, ist es überdies nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz - trotz eines gewissen sozialen Rückzugs - von einem hohen Aktivitätsniveau ausging und diesem Umstand in der Kategorie "Konsistenz" Rechnung trug. Insgesamt vermag die Beschwerdeführerin auch mit den übrigen Einwänden nicht darzulegen, womit das kantonale Gericht die massgebenden Indikatoren aktenwidrig oder sonst wie rechtsfehlerhaft gewürdigt haben soll. Im Wesentlichen beschränkt sie sich darauf, ihre Sichtweise an die Stelle der Beurteilung der Vorinstanz zu setzen, was nicht genügt.
5. Nach dem Gesagten nahm die Vorinstanz die Indikatorenprüfung korrekt vor, weshalb sie ohne Verletzung von Bundesrecht das Vorliegen einer relevanten psychisch bedingten Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit im Rechtssinne verneinen durfte. Weiterungen zur Invaliditätsbemessung erübrigen sich demnach.
6. Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens werden die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 27. Juni 2019
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Frésard
Die Gerichtsschreiberin: Polla