BGer 8C_110/2019
 
BGer 8C_110/2019 vom 06.06.2019
 
8C_110/2019
 
Urteil vom 6. Juni 2019
 
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Elmiger-Necipoglu.
 
Verfahrensbeteiligte
A._________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Konrad Bünzli,
Beschwerdeführer,
gegen
IV-Stelle des Kantons Aargau,
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Neuanmeldung; Invalidenrente),
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 19. Dezember 2018 (VBE.2018.399).
 
Sachverhalt:
 
A.
A.a. Der 1965 geborene A._________ meldete sich am 12. Mai 2004 erstmals aufgrund von Rückenbeschwerden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Aargau verneinte mit Verfügung vom 31. Januar 2005 und Einspracheentscheid vom 10. Januar 2006 einen Leistungsanspruch. Eine vom Versicherten dagegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 28. November 2006 gut und wies die Sache zu weiteren medizinischen Abklärungen und anschliessender neuen Verfügung an die IV-Stelle zurück. Im Wesentlichen gestützt auf das in der Folge eingeholte bidisziplinäre Gutachten des Ärztlichen Begutachtungsinstituts in Basel (ABI) vom 30. Oktober 2007 in den Fachrichtungen Psychiatrie und Rheumatologie wies die IV-Stelle das Leistungsbegehren mit in Rechtskraft erwachsener Verfügung vom 16. Juli 2008 erneut ab.
A.b. Unter Hinweis auf eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes meldete sich A._________ am 15. Januar 2009 erneut bei der IV-Stelle zum Leistungsbezug an. Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren trat diese mit Verfügung vom 27. Mai 2010 auf das Leistungsbegehren nicht ein, was letztinstanzlich bestätigt wurde (Urteil 8C_6/2011 vom 16. März 2011).
A.c. Unter Berufung auf die Berichte des Medizinischen Zentrums B._________ vom 4. Juli 2017 und des Dr. med. C._________, Facharzt in Psychiatrie und Psychotherapie und in Allgemeiner Medizin FMH, vom 27. März 2018, meldete sich A._________ am 21. Juni 2017 bzw. am 1. Dezember 2017 (Posteingang) erneut bei der IV-Stelle zum Leistungsbezug an. Nach Rücksprache mit dem Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) und durchgeführtem Vorbescheidverfahren, trat die IV-Stelle mit Verfügung vom 27. April 2018 auf das neue Begehren nicht ein.
B. Eine vom Versicherten hiergegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 19. Dezember 2018 ab.
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A._________, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei die Sache an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit sie auf das Gesuch eintrete und die Rentenfrage materiell prüfe.
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichten die Vorinstanz und das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.
 
Erwägungen:
1. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
 
2.
2.1. Wurde ein Rentenanspruch wegen eines zu geringen Invaliditätsgrades verneint, so wird eine neue Anmeldung nur geprüft, wenn damit glaubhaft gemacht wird, dass sich der Grad der Invalidität in einer für den Anspruch erheblichen Weise geändert hat (Art. 87 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 IVV; BGE 130 V 71 E. 2.2 S. 72 mit Hinweisen). Nur unter dieser einschränkenden Voraussetzung ist die Neuanmeldung von der Verwaltung an die Hand zu nehmen.
2.2. Mit dem Beweismass des Glaubhaftmachens sind herabgesetzte Anforderungen an den Beweis verbunden; die Tatsachenänderung muss nicht nach dem im Sozialversicherungsrecht sonst üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 138 V 218 E. 6 S. 221) erstellt sein. Es genügt, dass für das Vorhandensein des geltend gemachten rechtserheblichen Sachumstands wenigstens gewisse Anhaltspunkte bestehen, auch wenn durchaus noch mit der Möglichkeit zu rechnen ist, bei eingehender Abklärung werde sich die behauptete Änderung nicht erstellen lassen (Urteil 8C_317/2018 vom 9. August 2018 E. 3.3).
2.3. Ob eine anspruchserhebliche Änderung im Sinne von Art. 87 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 IVV glaubhaft gemacht ist, ist eine vom Bundesgericht unter dem Blickwinkel von Art. 105 Abs. 2 BGG überprüfbare Tatfrage. Frei zu beurteilende Rechtsfrage ist hingegen, wie hohe Anforderungen an das Glaubhaftmachen im Sinne von Art. 87 Abs. 3 IVV zu stellen sind (Urteil 8C_325/2016 vom 31. August 2016 E. 2.2 mit Hinweisen).
3. Die Vorinstanz gelangte in Würdigung der medizinischen Akten zum Schluss, dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, eine anspruchserhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes im massgeblichen Vergleichszeitraum zwischen der Verfügung vom 16. Juli 2008 und jener vom 27. April 2018 in somatischer wie auch in psychischer Hinsicht zumindest glaubhaft zu machen.
 
4.
4.1. Der Beschwerdeführer macht im bundesgerichtlichen Verfahren keine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes aus somatischer Sicht mehr geltend. Mangels offenkundiger Fehler in den vorinstanzlichen Erwägungen ist nicht weiter darauf einzugehen (vgl. zur Rügepflicht E. 1 hiervor).
4.2. Er wendet aber ein, die Vorinstanz gehe in willkürlicher Weise davon aus, es habe in psychiatrischer Hinsicht keine Verschlechterung stattgefunden. Zur Glaubhaftmachung einer anspruchsrelevanten Verschlechterung seines psychischen Gesundheitszustandes beruft er sich auf zwei medizinische Berichte. Als Erstes stützt er sich auf einen Bericht des Medizinischen Zentrums B._________ vom 4. Juli 2017. Darin diagnostizierte Dr. med. D._________, Fachärztin für Psychotherapie und Psychiatrie, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (ICD-10 F.33.1). Zweitens beruft sich der Beschwerdeführer auf einen Bericht des Dr. med. C._________ vom 27. März 2018, der die Verdachtsdiagnose einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradig, stellte.
5. Streitig und zu prüfen ist demzufolge, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt hat, indem es in Bestätigung der Nichteintretensverfügung vom 27. April 2018 eine wesentliche Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustands im Zeitraum zwischen dem 16. Juli 2008 und dem 27. April 2018 als nicht glaubhaft erachtete.
 
6.
6.1. Die Argumentation des Beschwerdeführers, mit welcher er geltend macht, es handle sich bei den neu eingereichten Berichten um ein neues Krankheitsbild, ist nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Dr. med. D._________ und Dr. med. C._________ berichteten zwar beide, dass sich die depressive Störung bereits seit dem Jahre 2003 bzw. 2004 aufgrund zunehmender Schmerzen an der BWS und LWS entwickelt habe. Aus dem der Verfügung vom 16. Juli 2008 zugrunde liegenden ABI-Gutachten vom 30. Oktober 2007 geht allerdings hervor, dass zum damaligen Zeitpunkt keine psychiatrische Diagnose mit Relevanz für die Arbeitsfähigkeit gestellt wurde und somit auch die Arbeitsfähigkeit nicht eingeschränkt war. Dem Beschwerdeführer ist daher insoweit beizupflichten, als die Verfügung vom 16. Juli 2008 allein die bestehenden, somatisch begründeten Einschränkungen zum Gegenstand hatte. Indem die Vorinstanz erwog, mit der Neuanmeldung vom 1. Dezember 2017 habe der Beschwerdeführer keinen revisionsrechtlich erheblichen Sachverhalt glaubhaft gemacht, stellte sie zu hohe Anforderungen an das Beweismass des Glaubhaftmachens im Sinne von Art. 87 Abs. 3 IVV (vgl. hiervor E. 3.3), was Bundesrecht verletzt.
6.2. In Gutheissung der Beschwerde ist die Sache daher an die IV-Stelle zu weiteren Abklärung des psychischen Gesundheitszustandes und dessen Auswirkungen zurückzuweisen. In diesem Kontext wird sie die geänderte Rechtsprechung gemäss BGE 143 V 409 und 418 zu beachten haben.
7. Das Verfahren ist kostenpflichtig. Die Gerichtskosten sind der unterliegenden Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 19. Dezember 2018 und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Aargau vom 27. April 2018 werden aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verfügung an die IV-Stelle des Kantons Aargau zurückgewiesen.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
3. Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.
4. Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons Aargau zurückgewiesen.
5. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 6. Juni 2019
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Maillard
Die Gerichtsschreiberin: Elmiger-Necipoglu