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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
2C_337/2018
Urteil vom 13. März 2019
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Haag,
Gerichtsschreiberin Straub.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Caspar Baader,
gegen
1. Amt für Landwirtschaft,
2. Volkswirtschaftsdepartement
des Kantons Solothurn,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Tierhaltung,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 15. März 2018 (VWBES.2017.417).
Sachverhalt:
A.
A.________ führte einen Landwirtschaftsbetrieb, auf dem sie Rindvieh, Ziegen, Schafe, Ponys und Geflügel hielt. Nachdem bei Kontrollen der Tierhaltung auf ihrem Hof in den vorangegangenen Jahren wiederholt Verstösse beanstandet und mehrmals verwaltungs- und strafrechtliche Verfahren gegen A.________ geführt worden waren, stellte der Veterinärdienst des Amts für Landwirtschaft des Kantons Solothurn anlässlich einer Kontrolle am 10. März 2017 eine beträchtliche Verschlechterung der Zustände fest. Der Veterinärdienst erliess deshalb am 2. Mai 2017 eine Verfügung betreffend die Tierhaltung von A.________. Angeordnet wurde die Schlachtung oder Veräusserung zweier Kühe bzw. die unverzügliche tierärztliche Behandlung eines dieser Tiere (Ziff. 1 und 2); die Begrenzung der Tierhaltung auf zehn Mutterkühe mit ihren Saugkälbern verbunden mit Auflagen (Ziff. 3); die definitive Beschlagnahmung überzähliger Tiere bei späterer Kontrolle (Ziff. 4); ab 1. Juni 2017 das Verbot, den Anbindestall für jegliche Form der Tierhaltung zu verwenden (Ziff. 5); die Ankündigung eines Rindviehhalteverbots für den Fall der Feststellung weiterer wesentlicher Mängel in der Tierhaltung (Ziff. 6).
Die gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde wies das Volkswirtschaftsdepartement des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 12. Oktober 2017 ab. Die Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn blieb ebenfalls erfolglos (Urteil vom 15. März 2018).
B.
Mit Eingabe vom 19. April 2018 erhebt A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Sie beantragt, Dispositivziffer 1 des angefochtenen Urteils sei insoweit aufzuheben, als damit das ursprünglich vom Veterinärdienst gemäss Dispositivziffer 5 seiner Verfügung vom 2. Mai 2017 verfügte generelle Nutzungsverbot für den Anbindestall bestätigt worden sei, es sei die Nutzung des Anbindestalls weiterhin zu gestatten und das Nutzungsverbot aufzuheben. Eventualiter sei die Nutzung des Anbindestalls der Beschwerdeführerin zu verbieten, die Nutzung durch Dritte jedoch ausdrücklich zu gestatten, subeventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen.
Der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts hat dem Gesuch um aufschiebende Wirkung mit Verfügung vom 18. Mai 2018 insofern teilweise entsprochen, als das Verwendungsverbot für den Anbindestall bis zur Klärung von dessen Tragweite nur bezüglich der Beschwerdeführerin, nicht aber für Dritte vollstreckbar sei.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn, das Volkswirtschaftsdepartement des Kantons Solothurn und der Veterinärdienst des Amts für Landwirtschaft des Kantons Solothurn beantragen in ihren Vernehmlassungen die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV verzichtet auf Vernehmlassung. A.________ repliziert.
Erwägungen:
1.
1.1. Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Endentscheid in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts, die unter keinen Ausschlussgrund gemäss Art. 83 BGG fällt und daher mit dem ordentlichen Rechtsmittel der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht weitergezogen werden kann (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG). Auf die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist einzutreten (Art. 42 Abs. 1 und 2 und Art. 100 Abs. 1 BGG).
1.2. Die Vorbringen der Beschwerdeführerin beziehen sich einzig auf das in Dispositivziffer 5 der Verfügung des Veterinärdienstes vom 2. Mai 2017 angeordnete Verbot, den Anbindestall für jegliche Form der Tierhaltung zu verwenden. Die übrigen Anordnungen des Veterinärdienstes sind nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
2.
Dispositivziffer 5 der Verfügung des Veterinärdienstes vom 2. Mai 2017 lautet wie folgt:
"5. Der Anbindestall der Kühe darf ab dem 1. Juni 2017 nicht mehr für jegliche Formen der Tierhaltung verwendet werden."
Es stellt sich die Frage, was Gegenstand dieser Anordnung bildet.
2.1. Die Anordnung in Dispositivziffer 5 der Verfügung des Veterinärdienstes vom 2. Mai 2017 ist unter Berücksichtigung der ihr zugrunde liegenden Erwägungen zu verstehen. Wie im angefochtenen Entscheid festgehalten wurde, begründete der Veterinärdienst die Massnahme nicht mit den diversen defekten Einrichtungen im Anbindestall, sondern mit dem ausufernden Tierbestand der Beschwerdeführerin: Die Vergangenheit habe eindrücklich gezeigt, dass sie nicht in der Lage sei, einen adäquaten Tierbestand zu halten. Sie habe es soweit kommen lassen, dass nicht einmal alle Tiere einen Platz im Stall zur Verfügung hätten. Mit dem Verbot, irgendwelche Tiere im Anbindestall zu halten, solle verhindert werden, dass die Anzahl anderer Nutztiere ausgedehnt werde und diese anstelle der Milchkühe im Anbindestall untergebracht würden (vgl. angefochtener Entscheid E. 7.1 S. 17). In den Erwägungen der erstinstanzlichen Verfügung wird zudem ausdrücklich präzisiert, dass die Nutzung des Anbindestalls der Beschwerdeführerin verboten werde. Bei der vorliegend strittigen Anordnung handelt es sich mithin um ein Nutzungsverbot für die Beschwerdeführerin. Die Vorinstanz hielt wie bereits erwähnt fest, dass der Grund für die Anordnung nicht Mängel in der Einrichtung des Stalles waren. Der Veterinärdienst erwog betreffend der Tierschutzkonformität des Anbindestalls, diese werde nicht bestritten, der Stall werde jedoch für die Haltung von nunmehr nur noch zehn Mutterkühen von der Beschwerdeführerin nicht benötigt. Auch das Volkswirtschaftsdepartement erwog in seinem Entscheid vom 12. Oktober 2017, der Anbindestall sei für die Milchkuhhaltung tierschutzkonform. Der Beschwerdeführerin sei in Zukunft jedoch nur noch erlaubt, zehn Mutterkühe mit Kälbern zu halten, für die im Laufstall eine tierschutzkonforme Unterbringungsmöglichkeit vorhanden sei. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin den Stall für die Haltung anderer Nutztiere verwenden und deren Bestand ausdehnen werde. Dies werde durch das Nutzungsverbot für andere Tierarten verhindert.
2.2. Aus den vorinstanzlichen Erwägungen sowie den vorangegangenen Entscheiden des Veterinärdienstes und des Volkswirtschaftsdepartements ergibt sich, dass dem Nutzungsverbot der ausufernde Tierbestand der Beschwerdeführerin zugrunde lag und eine Ausdehnung der Anzahl anderer Nutztiere sowie deren Haltung im Anbindestall verhindert werden sollte. Die grundsätzliche Tierschutzkonformität des Stalles wurde dagegen nicht bezweifelt.
3.
Per 1. Januar 2018 hat die Beschwerdeführerin ihren Landwirtschaftsbetrieb an ihren Sohn verpachtet und den Viehbestand an ihn veräussert. Ein Interesse, den Anbindestall weiterhin selbst nutzen zu können, ist nicht ersichtlich und macht sie auch nicht geltend. Das schutzwürdige Interesse an der Aufhebung des angeordneten Nutzungsverbots leitet sie daraus ab, dass letzteres auch die Nutzung des Stalls durch ihren Sohn untersage und ihr die Verpachtung an ihn verwehre.
3.1. Sie geht davon aus, bei der angefochtenen Anordnung handle es sich um ein generelles Nutzungsverbot des Anbindestalls für jedermann, also auch für ihren Sohn B.________, der seit dem 1. Januar 2018 den gesamten Landwirtschaftsbetrieb gepachtet und der Beschwerdeführerin ihren gesamten Viehbestand abgekauft habe. Für ein solches objektbezogenes Nutzungsverbot fehle eine gesetzliche Grundlage, zumal der Anbindestall als solcher den Mindestanforderungen gemäss den Anhängen der Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 (TSchV; SR 455.1) genüge. Art. 23 des Tierschutzgesetzes vom 16. Dezember 2005 (TSchG; SR 455) könne ebenfalls nicht für ein generelles, nicht auf die Person der Beschwerdeführerin beschränktes Nutzungsverbot herangezogen werden. Der Sohn der Beschwerdeführerin sei im vorliegenden Verfahren weder Partei noch sonstwie beteiligt. Das generelle Nutzungsverbot für jedermann und jegliche Formen der Tierhaltung entfalte eine unzulässige Drittwirkung, verstosse gegen Art. 23 TSchG und verletze Bundesrecht.
3.2. Die Anordnung in Dispositivziffer 5 der Verfügung des Veterinärdienstes vom 2. Mai 2017 formuliert ohne weitere Präzisierung, der Anbindestall dürfe nicht mehr für jegliche Formen der Tierhaltung verwendet werden. Der angefochtene Entscheid stützt diese Anordnung. Die Vorinstanz führt dazu aus, die Massnahme eines Verbots jeglicher Tierhaltung im Anbindestall sei zur Einschränkung des zu grossen Tierbestands geeignet, und es stehe der Beschwerdeführerin frei, den Raum künftig als Lagerraum zu verwenden. Diese Formulierungen lassen sich in guten Treuen so verstehen, als dass damit der Beschwerdeführerin auch verboten wird, den Anbindestall durch Drittpersonen benutzen zu lassen.
3.3. Adressatin der Verfügung vom 2. Mai 2017 ist einzig die Beschwerdeführerin. Ihr Sohn B.________ ist unbestrittenermassen weder Verfügungsadressat noch Partei im vorliegenden Verfahren.
Aus dem angefochtenen Entscheid sowie den Erwägungen der unteren Instanzen ergibt sich, dass der Grund für die Anordnung gemäss Dispositivziffer 5 der Verfügung des Veterinärdienstes in der Person der Beschwerdeführerin liegt. Die Frage einer allfälligen Verpachtung des Anbindestalls an Drittpersonen wurde dabei nicht behandelt. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt, kann aufgrund der vom Veterinärdienst angewendeten Tierschutznormen kein generelles Nutzungsverbot angeordnet werden, sofern nicht der Stall selbst eine Gefährdung des Tierwohls birgt. Dies wurde vorliegend verneint; der Stall gilt als grundsätzlich tierschutzkonform (vgl. E. 2.1 hiervor). Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass vorliegend ein generelles Nutzungsverbot für den Anbindestall angestrebt worden wäre: Weder in der ursprünglichen Verfügung des Veterinärdienstes noch in den Rechtsmittelentscheiden erfolgten Erwägungen zu einer allfälligen Ausdehnung des Nutzungsverbots auf Drittpersonen.
3.4. Nach dem Gesagten kann sich das Nutzungsverbot gemäss Ziff. 5 der Verfügung des Veterinärdienstes vom 2. Mai 2017 nur auf die Beschwerdeführerin beziehen. Damit bleibt eine Verpachtung an Dritte sowie die Nutzung des Anbindestalles durch diese weiterhin möglich, soweit dem nicht andere tierschutzrechtliche Gründe entgegenstehen. Insofern ist das angefochtene Urteil nicht zu beanstanden. Angesichts des Umstands, dass gewisse Formulierungen im angefochtenen Urteil und in der erstinstanzlichen Verfügung in guten Treuen so verstanden werden konnten, als dass damit der Beschwerdeführerin auch verboten würde, den Anbindestall zwecks tierschutzkonformer Tierhaltung zu verpachten (vgl. E. 3.2 hiervor), rechtfertigt sich die Präzisierung, dass sich das Nutzungsverbot des Anbindestalls einzig auf die Beschwerdeführerin bezieht.
4.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist im Sinne dieser Erwägungen teilweise gutzuheissen.
Bei diesem Verfahrensausgang sind für das bundesgerichtliche Verfahren keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und Abs. 4 BGG). Der Kanton Solothurn hat der Beschwerdeführerin eine reduzierte Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 BGG). Für eine allfällige Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens wird die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückgewiesen (Art. 67 und Art. 68 Abs. 5 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird im Sinne der Erwägungen teilweise gutgeheissen.
2.
2.1. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
2.2. Der Kanton Solothurn hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.- zu entschädigen.
2.3. Die Sache wird für eine allfällige Neuverlegung der Kosten- und Entschädigungsfolge des kantonalen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn zurückgewiesen.
3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 13. März 2019
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Seiler
Die Gerichtsschreiberin: Straub