BGer 5A_673/2018
 
BGer 5A_673/2018 vom 11.03.2019
 
5A_673/2018
 
Urteil vom 11. März 2019
 
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Herrmann, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, von Werdt,
Gerichtsschreiber von Roten.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Donatus Strebel,
Beschwerdeführer,
gegen
B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Matthias Streiff,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Fuss- und Fahrwegrecht,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 15. Juni 2018 (LB1800003-O/U).
 
Sachverhalt:
 
A.
A.a. Das Grundstück Nr. www in der Gemeinde U.________ grenzt im Norden an den Flurweg Nr. xxx, eine befestigte Strasse im Gesamteigentum der Anstösser, im Süden an die öffentliche C.________strasse und im Westen an das Grundstück Nr. yyy.
Die benachbarten Grundstücke Nrn. www und yyy sind je mit einem Wohnhaus überbaut. Beide Wohnhäuser haben im Norden eine Freifläche am Flurweg und im Süden einen Vorplatz an der C.________strasse. Zwischen den Wohnhäusern besteht auf dem Grundstück Nr. yyy ein trichterförmiger, sich nach Süden erweiternder Durchgang, der an der engsten Stelle 82 cm breit ist.
A.b. Ende des 19. Jahrhunderts wurde zugunsten des Grundstücks Nr. www und zulasten des Grundstücks Nr. yyy ein Recht begründet, das als "Kehr- und Fahrwegrecht und Fuss- und Fahrwegrecht" im Grundregister eingetragen ist. Laut Servitutenprotokoll gestattete der Eigentümer des belasteten Grundstücks dem Eigentümer des berechtigten Grundstücks
a. auf der Hofreite hinterhalb seines Hauses ein unbeschränktes Kehr- und Fahrwegrecht bis in die alte Strasse;
b.ein beständiges Fuss- und Fahrwegrecht auf der Hofreite zwischen den beiderseitigen Gebäulichkeiten.
A.c. Die Grundstücke wechselten seither die Hand. Das berechtigte Grundstück Nr. www wurde von A.________ (1979) und das belastete Grundstück Nr. yyy von B.________ (1976) erworben. Die Nachbarn gerieten über die Ausübung des Wegrechts in Streit. Einigkeit besteht, dass das Kehr- und Fahrwegrecht gemäss Bst. a auf der Freifläche des Grundstücks Nr. yyy am Flurweg ausgeübt wird. Streitig ist hingegen, ob das Fuss- und Fahrwegrecht gemäss Bst. b nur auf der Fläche des Durchgangs zwischen den Wohnhäusern oder auch auf dem Vorplatz des Grundstücks Nr. yyy an der C.________strasse ausgeübt werden darf. Auf dem Vorplatz befinden sich ein Jägerzaun, Blumentröge, eine Blumenrabatte und andere Vorrichtungen wie ein Wäscheständer ("Stewi").
 
B.
B.a. Am 19. September 2014 stellte A.________ (Kläger) dem Bezirksgericht Pfäffikon die Begehren, B.________ (Beklagten) zu verpflichten, den Jägerzaun sowie die Blumentröge an der Hauswand im Durchgang und an der Grenze zu seinem Grundstück zu entfernen und Störungen des Fuss- und Fahrwegrechts, insbesondere durch Errichtung eines Zauns oder einer Blumenrabatte an der Grenze der dienstbarkeitsbelasteten Fläche oder durch Installation oder Deponieren von Gegenständen, die die Ausübung der Dienstbarkeit behindern, inskünftig zu unterlassen. Zudem sei der Beklagte zu verpflichten, den Baum auf seinem Grundstück Nr. zzz, der im Unterabstand zum Flurweg Nr. xxx stehe, zu beseitigen, alles unter Androhung der Zwangsvollstreckung im Unterlassungsfall.
B.b. Der Beklagte schloss auf Abweisung der Klage, soweit auf sie einzutreten sei. Widerklageweise beantragte er, dass der Kläger einen - während des Verfahrens entfernten - Strauch beseitige, eventuell unter der Schere halte, und dass dem Kläger verboten werde, das Fuss- und Fahrwegrecht für andere Zwecke als zum Durchgang und zur Durchfahrt zu nutzen.
B.c. Das Bezirksgericht schrieb die Widerklage betreffend Strauch als gegenstandslos ab (Beschluss vom 5. Dezember 2017). Es verpflichtete den Beklagten, den Jägerzaun sowie die Blumentröge an der Grenze zum Grundstück des Klägers zu entfernen (Dispositiv-Ziff. 1) und die eingeklagten Vorkehren, die die Ausübung der Dienstbarkeit behindern, inskünftig zu unterlassen (Dispositiv-Ziff. 2). Das Bezirksgericht wies die Klage im Übrigen (betreffend Blumentröge an der Hauswand und Beseitigung des Baums) ab, ordnete Vollstreckungsmassnahmen an und wies die Widerklage (betreffend Verbot) ab (Dispositiv-Ziff. 3-5 des Urteils vom 5. Dezember 2017).
C. Der Beklagte legte Berufung ein. Das Obergericht des Kantons Zürich kam zum Schluss, dass sich das Wegrecht nicht auf den Vorplatz des Grundstücks Nr. yyy an der C.________strasse erstreckt und der Kläger nicht berechtigt ist, über den Vorplatz zu gehen und/oder zu fahren. Es bejahte zudem ein unberechtigtes Verweilen des Klägers auf den wegrechtsbelasteten Flächen. Das Obergericht hiess die Berufung des Beklagten gut und hob die Dispositiv-Ziff. 1-5 des bezirksgerichtlichen Urteils auf. In Gutheissung der Widerklage verbot es dem Kläger, das Fuss- und Fahrwegrecht für andere Zwecke als zum Durchgang und zur Durchfahrt zu benutzen (Urteil vom 15. Juni 2018).
D. Mit Eingabe vom 17. August 2018 erneuert der Kläger (Beschwerdeführer) vor Bundesgericht seine Beseitigungs- und Unterlassungsbegehren, wie sie bezirksgerichtlich gutgeheissen worden sind. Im Eventualstandpunkt beantragt er, die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und die Rückweisung der Sache an das Obergericht. Es sind die kantonalen Akten eingeholt, aber weder das Obergericht noch der Beklagte (Beschwerdegegner) zu Vernehmlassungen eingeladen worden.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Das angefochtene Urteil betrifft den Umfang einer Grunddienstbarkeit (Art. 737 ff. ZGB) und damit eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG) in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit (BGE 109 II 491 E. 1c/cc S. 492 f.). Die Beschwerde ist deshalb nur zulässig, wenn der Streitwert mindestens Fr. 30'000.-- beträgt (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Da es das kantonale Verfahren abschliesst (Art. 90 BGG), bestimmt sich der Streitwert nach den Begehren, die vor der Vorinstanz streitig geblieben waren (Art. 51 Abs. 1 lit. a BGG). Das Obergericht als Vorinstanz hat ohne nähere Begründung ausgeführt, der Streitwert übersteige Fr. 30'000.-- (Dispositiv-Ziff. 9 S. 25 des angefochtenen Urteils). Der Beschwerdeführer verweist darauf ohne eigene Begründung (S. 3 Rz. 4 der Beschwerdeschrift).
1.2. Lautet ein Begehren nicht auf Bezahlung einer bestimmten Geldsumme, so setzt das Bundesgericht den Streitwert - wie bis anhin von Amtes wegen (Art. 36 Abs. 2 OG [BS 3 531]) - nach Ermessen fest (Art. 51 Abs. 2 BGG). Allerdings ist es nicht die Aufgabe des Bundesgerichts, eigene Abklärungen anzustellen, wenn der Streitwert nicht ohne Weiteres aus den Feststellungen im angefochtenen Urteil oder aus den Verfahrensakten hervorgeht. Der Beschwerdeführer hat nähere Angaben zu machen, die den Streitwert einfach zu schätzen gestatten. Das Bundesgericht ist dabei weder an die Schätzung des Beschwerdeführers noch an übereinstimmende Angaben der Parteien noch an eine offensichtlich unrichtige Schätzung des Obergerichts gebunden (BGE 140 III 571 E. 1.2 S. 574; betreffend Streitigkeiten aus Dienstbarkeiten: BGE 136 III 60 E. 1.1.1 S. 62; Urteile 5A_400/2013 vom 29. November 2013 E. 1.2; 5A_507/2010 vom 15. Dezember 2010 E. 2, in: SZZP 2011 S. 200).
1.3. Aufgrund der Berufungsbegehren vor Obergericht war nicht das Fuss- und Fahrwegrecht über das Grundstück des Beschwerdegegners streitig, sondern ausschliesslich die Frage, auf welcher Fläche des belasteten Grundstücks der Beschwerdeführer das Wegrecht ausüben und der Beschwerdegegner nichts vornehmen darf, was die Ausübung verhindert oder erschwert. Anders als im Streit um den Bestand der Dienstbarkeit (BGE 136 III 60 E. 1.1.1 S. 63) bestimmt sich, wenn es nur um deren Umfang oder ungestörte Ausübung geht, der Streitwert anhand der streitigen Ausdehnung oder des Interesses an der Beseitigung der Störung (BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, 1950, S. 43; POUDRET/SANDOZ-MONOD, Commentaire la loi fédérale d'organisation judiciaire, I, Bern 1990, N. 9.5 zu Art. 36 OG, S. 284; DONZALLAZ, Loi sur le Tribunal fédéral, 2008, S. 592 Rz. 1409 bei/in Anm. 3523; je mit Hinweisen).
1.4. Im Einzelnen ergibt sich zum Streitwert Folgendes:
1.4.1. In seiner Klage hat der Beschwerdeführer dafürgehalten, der Streitwert müsse geschätzt werden und betrage mindestens Fr. 30'000.-- für den Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch betreffend Dienstbarkeit und Fr. 5'000.-- für den Anspruch auf Beseitigung des Baums (S. 3 Rz. 4 der Klage, act. 1). Das Bezirksgericht hat den Streitwert unangefochten auf Fr. 35'000.-- geschätzt (S. 3) und die Klage des Beschwerdeführers abgewiesen, was die Entfernung der Blumentröge im Durchgang (E. IV/3.4 S. 29) und des Baums anbetrifft (E. IV/6 S. 34 ff. des bezirksgerichtlichen Urteils).
1.4.2. Auf Berufung des Beschwerdegegners hin waren vor Obergericht die bezirksgerichtliche Verurteilung streitig, dass auf dem Vorplatz des belasteten Grundstücks der Jägerzaun und die Blumentröge zu beseitigen sind (E. IV/3.3 S. 27 f. und E. IV/3.5 S. 29) und das Aufstellen eines Wäscheständers ("Stewi") und anderer Handlungen, die die Ausübung der Dienstbarkeit behindern, zu unterlassen sind (E. IV/3.6 S. 29 f. des bezirksgerichtlichen Urteils).
1.4.3. Im Vergleich zur Streitwertbestimmung des Bezirksgerichts (Fr. 35'000.--) erweist sich die nicht eigens begründete Streitwertschätzung des Obergerichts als offensichtlich unrichtig. Vom ursprünglichen Streitgegenstand ist der Baum (Fr. 5'000.--) weggefallen und haben sich die Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche (Fr. 30'000.--) um rund die Hälfte, d.h. räumlich auf einen Teilbereich des Vorplatzes (rund 10 m2) reduziert. Inwiefern ein Fr. 30'000.-- erreichendes Streitinteresse gleichwohl (noch) bestehen könnte, ist nicht ersichtlich, geschweige denn dargetan. Unangefochten steht zudem fest, dass das Grundstück des Beschwerdeführers über die C.________strasse und den Flurweg voll erschlossen ist und dass der Beschwerdeführer das Fuss- und Fahrwegrecht über das Grundstück des Beschwerdegegners lediglich für die Schneeabfuhr und die Bewässerung von Blumen benützt (E. II/1.1 S. 4 f. des bezirksgerichtlichen Urteils). Damit lässt sich eine Schätzung des Streitwertes auf über Fr. 30'000.-- nach den massgebenden Kriterien nicht begründen.
1.4.4. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass der Betrag der Widerklage nicht mit demjenigen der Hauptklage zusammengerechnet wird (Art. 53 Abs. 1 BGG). Es kann folglich dahingestellt bleiben, ob das widerklageweise erhobene und obergerichtlich gutgeheissene Verbotsbegehren einen eigenen Streitwert hat oder ob der Streitwert der Widerklage von ca. Fr. 500.-- (S. 3 des bezirksgerichtlichen Urteils) allein anhand des zu beseitigenden Strauchs geschätzt werden durfte (S. 3 Ziff. 2 der Klageantwort, act. 12), den der Beschwerdeführer bereits im Verlaufe des erstinstanzlichen Verfahrens entfernt hatte (E. III/1 S. 10 des bezirksgerichtlichen Urteils).
1.4.5. Aus den dargelegten Gründen kann nicht angenommen werden, der gesetzliche Mindeststreitwert von Fr. 30'000.-- werde erreicht (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Der stets anwaltlich vertretene Beschwerdeführer war sich des Umfangs der auf dem Spiele stehenden geldwerten Interessen von Beginn an bewusst und kann sich heute nicht einfach auf die für ihn günstige Streitwertangabe im angefochtenen Urteil (Art. 112 Abs. 1 lit. d BGG) berufen (BGE 140 III 571 E. 1.4 S. 576; zit. Urteil 5A_400/2013 E. 1.2.3). Die Praxis des Bundesgerichts ist amtlich veröffentlicht und wird auch in der Lehre wiedergegeben (z.B. HEINZMANN, Bundesgerichtsgesetz, Basler Kommentar, 3. Aufl. 2018, N. 26 f. zu Art. 51 BGG).
1.5. Fehlt es am Streitwert ist die Beschwerde in Zivilsachen - von anderen hier nicht gegebenen Ausnahmetatbeständen abgesehen - nur zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG). In der Beschwerdeschrift ist allerdings auszuführen, warum diese Voraussetzung erfüllt ist (Art. 42 Abs. 2 BGG). Auch daran fehlt es, so dass auf die Beschwerde in Zivilsachen nicht einzutreten ist.
 
2.
2.1. Erweist sich die Beschwerde in Zivilsachen als unzulässig, kann die Eingabe als Verfassungsbeschwerde entgegengenommen werden, soweit deren Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind (Art. 113 ff. BGG). Mit der Verfassungsbeschwerde kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 116 BGG). Das Bundesgericht prüft in diesem Rahmen nicht von Amtes wegen, ob das angefochtene kantonale Urteil verfassungsmässig ist, sondern nur rechtsgenügend vorgebrachte, klar erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (Art. 106 Abs. 2 BGG). Fehlt es daran, kann die Eingabe nicht als subsidiäre Verfassungsbeschwerde entgegengenommen werden (BGE 133 II 396 E. 3 S. 399 f.; 140 III 571 E. 1.5 S. 576).
2.2. Der Beschwerdeführer verwendet gelegentlich Worte wie "willkürlich" (z.B. S. 5 Rz. 11) und "unhaltbar" (z.B. S. 10 Rz. 33 der Beschwerdeschrift), erhebt und begründet damit jedoch keine Willkürrügen. Denn darzutun wäre eine qualifiziert falsche und nicht eine bloss unrichtige Rechtsanwendung (Art. 9 BV; vgl. zum Begriff: BGE 110 Ia 1 E. 2a S. 3 f.; 133 III 462 E. 4.4.1 S. 470).
2.3. Wo er eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung rügen will (S. 15 f. Rz. 50-51 der Beschwerdeschrift), beschränkt sich der Beschwerdeführer darauf, seine Sicht der Dinge darzustellen. Damit vermag er Willkür nicht zu belegen, so dass auch diesbezüglich auf seine Beschwerde nicht eingetreten werden kann (BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266 f.).
3. Insgesamt ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Der Beschwerdeführer wird damit kosten-, hingegen nicht entschädigungspflichtig, da der Beschwerdegegner zur Vernehmlassung nicht eingeladen wurde (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 11. März 2019
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Herrmann
Der Gerichtsschreiber: von Roten