BGer 2C_501/2018
 
BGer 2C_501/2018 vom 27.02.2019
 
2C_501/2018
 
Urteil vom 27. Februar 2019
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Zünd, Bundesrichterin Aubry Girardin,
Gerichtsschreiber Feller.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,
gegen
B.________,
Beschwerdegegnerin,
Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte im Kanton Zürich.
Gegenstand
Entbindung vom Anwaltsgeheimnis (Parteientschädigung),
Beschwerde gegen die Verfügung des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3. Abteilung, Einzelrichter, vom 19. April 2018 (VB.2018.00133).
 
Sachverhalt:
 
A.
Am 11. Dezember 2017 ersuchte Rechtsanwältin lic.iur. B.________ die Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte im Kanton Zürich um Entbindung vom Berufsgeheimnis gegenüber A.________, soweit dies hinsichtlich der von dieser gegen sie geltend gemachten Schadenersatzforderung aus angeblicher Verletzung der anwaltlichen Sorgfaltspflicht erforderlich sei. Am 3. Januar 2018 zog die Rechtsanwältin ihr Gesuch zurück, nachdem A.________ sie mit Schreiben vom 15. und 23. Dezember 2017 vom Anwaltsgeheimnis entbunden hatte. Darauf schrieb die Aufsichtskommission das Verfahren mit Verfügung vom 17. Januar 2018 ab; die Verfahrenskosten auferlegte sie der Rechtsanwältin, Parteientschädigungen sprach sie nicht zu.
Gegen diese Verfügung gelangte A.________ am 2. März 2018 mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich; sie wollte für das Verfahren vor der Aufsichtskommission prozessual entschädigt werden. Das Verwaltungsgericht setzte ihr mit Präsidialverfügung vom 6. März 2018 eine einmalige, nicht erstreckbare Nachfrist von zehn Tagen an, "von der Zustellung dieser Verfügung an gerechnet", um die bereits eingereichte 21-seitige Beschwerdeschrift mit einer Originialunterschrift zu versehen und dem Verwaltungsgericht zurückzusenden, ansonsten auf die Beschwerde nicht eingetreten würde. Die am 7. März 2017 versandte Verfügung wurde am 15. März 2018 zugestellt, die zehntägige Frist lief unter Berücksichtigung des Friststillstandes über Ostern am 9. April 2018 ab. Mit Verfügung VB.2018.00133 des Einzelrichters vom 19. April 2018 trat das Verwaltungsgericht auf die Beschwerde mit der Begründung nicht ein, dass die mit Unterschrift versehene Beschwerdeschrift nicht innert der hierfür angesetzten Frist nachgereicht worden sei.
 
B.
Mit Eingabe vom 5. Juni 2018 hat A.________ beim Bundesgericht gegen die verwaltungsgerichtliche Verfügung (ausgehend vom massgeblichen Eröffnungsdatum vom 7. Mai 2018, s. Art. 44 Abs. 2 BGG, fristgerecht) Beschwerde (in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) erhoben mit den Begehren, auf die Beschwerde VB.2018.00133 sei einzutreten, alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der gesuchstellenden Rechtsanwältin im Verfahren vor der Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei (Vernehmlassung vom 21./28. Juni 2018). Der Beschwerdeführerin wurde am 29. Mai 2018 Gelegenheit eingeräumt, eine allfällige Stellungnahme bis zum 11. Juli 2018 einzureichen. Ihre mit dem Datum 14. Juni 2018 versehene Stellungnahme wurde von der Poststelle 8012 Zürich Sihlpost am Sonntag, 15. Juli 2018, um 16.45 Uhr erfasst und ist damit verspätet.
Erwägungen:
 
1.
Gemäss Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG haben Rechtsschriften die Begehren und deren Begründung zu enthalten (dazu BGE 140 III 86 E. 2 S. 88 f. mit Hinweisen). Der von der Vorinstanz festgestellte Sachverhalt ist für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, die Partei zeige auf, dass und inwiefern die tatsächlichen Feststellungen qualifiziert falsch oder in Verletzung von Verfahrensvorschriften getroffen worden seien, was spezifisch geltend zu machen und zu begründen ist, sofern entsprechende Mängel nicht ins Auge springen (vgl. Art. 105 Abs. 2 sowie Art. 97 Abs. 1 BGG; dazu BGE 140 III 115 E. 2 S. 117, 264 E. 2.3 S. 266; 137 I 58 E. 4.1.2 S. 62 mit Hinweisen). Dabei dürfen gemäss Art. 99 Abs. 1 BGG neue Tatsachen und Beweismittel nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gab.
 
2.
2.1. Die Nichteintretensverfügung des Verwaltungsgerichts beruht in rechtlicher Hinsicht darauf, dass eine Beschwerdeschrift der Unterschrift bedarf und dass bei deren Fehlen eine Nachfrist zur Behebung des Mangels anzusetzen ist, wobei bei Nichteinhaltung der Frist auf das Rechtsmittel nicht eingetreten wird. Dies stellt die Beschwerdeführerin - zu Recht, s. §§ 11 Abs. 2 und Art. 23 Abs. 2 in Verbindung mit § 70 des Zürcher Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 (VRG) - nicht in Frage (dazu E. 2 der angefochtenen Verfügung).
2.2. In tatsächlicher Hinsicht stellt das Verwaltungsgericht fest, dass innert der am 9. April 2018 ablaufenden Frist kein mit Unterschrift versehenes Exemplar der Beschwerdeschrift beigebracht worden sei. Die Beschwerdeführerin bestreitet einzig diese Sachverhaltsfeststellung und macht geltend, dass sie der Aufforderung zur Behebung des diesbezüglichen Mangels rechtzeitig, am 20. März 2018, Folge geleistet habe. Sie behauptet, sie habe die verbesserte Rechtsschrift an jenem Tag kurz vor Mittag gegen Empfangsbestätigung beim Verwaltungsgericht persönlich abgeben wollen; der Empfang sei aber ab 11.30 Uhr geschlossen gewesen; zum Zeitpunkt der Öffnung um 14 Uhr hätte sie am selben Tag nicht nochmals vorbeikommen können, weil sie eine Fahrt nach Bern anzutreten gehabt habe; sie habe sich daher dazu entschlossen, das Schreiben direkt in den Briefkasten des Verwaltungsgerichts einzuwerfen; sie habe dazu das Datum bzw. den Zeitpunkt der effektiven Übergabe, 20.3.2018 12.00, auf dem Briefumschlag angemerkt; der sie begleitende Kollege habe den Brief mit seinem iPhone fotografiert. Sie hat dieses Foto in die dem Bundesgericht vorgelegte Rechtsschrift kopiert, zusammen mit Datum- und Zeit-Angaben ("Koordinaten") aus dem iPhone. Die Beschwerdeführerin hat auch Videoaufnahmen beigelegt, die ihr Kollege zum fraglichen Zeitpunkt zusätzlich angefertigt habe.
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus der angefochtenen Verfügung nicht. Es handelt sich, gleich wie bei den diesbezüglichen Foto- bzw. Videoaufnahmen, um neue Vorbringen, welche gemäss Art. 99 Abs. 1 BGG nur berücksichtigt werden können, wenn erst die angefochtene Verfügung Anlass dazu gab. Es kann für das weitere Verfahren davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin - sollte ihre Darstellung des Sachverhalts zutreffen - erst durch Kenntnisnahme von der Nichteintretensverfügung erfuhr, dass beim Verwaltungsgericht keine verbesserte Rechtsschrift eingegangen war. Insofern gab in der Tat der angefochtene Entscheid Anlass zu entsprechenden Vorbringen. Die Noven sind vom Bundesgericht zu berücksichtigen.
 
3.
3.1. Auf der in die Beschwerdeschrift kopierten Fotoaufnahme sieht man, dass auf einem an das Verwaltungsgericht adressierten Briefumschlag die Aufschrift "Briefkasten Einwurf 20.3.18 12.00" angebracht ist. Die Aufnahme lässt, ausgehend vom Schriftbild, zweifelsfrei erkennen, dass es sich beim Briefumschlag um denjenigen handelt, der im Verfahrensdossier des Verwaltungsgerichts liegt. Ausschlaggebend für den Ausgang des Verfahrens ist indessen nicht die Frage, 
3.2. Für die Behauptung eines Briefkasteneinwurfs am Mittag des 20. März 2018 sprechen die "Koordinaten" des iPhones ihres Kollegen. Als "Aufnahmedatum" ist festgehalten: "Dienstag, 20. März 2018 12:00". Die sodann von der Beschwerdeführerin ebenfalls vorgelegten Videodateien ihres Kollegen hingegen zeigen zwar, wie der streitbetroffene Briefumschlag in einen mit "Verwaltung" angeschriebenen Briefkasten eingeworfen wird. Für die entsprechenden Dateien (Scheiben von Hand beschriftet mit 20.03.18) sind verschiedene Daten über Erstellung oder Änderung dokumentiert (02.05.2018 um 17.04 Uhr, 03.06.2018 um 10.06 Uhr bzw. 05.06.2018 um 18.40 Uhr [kurz vor der am gleichen Tag um 21.42 Uhr bei der Poststelle 8021 Zürich 1, Sihlpost, registrierten Aufgabe der vorliegenden Beschwerde an das Bundesgericht]). Insofern sind die Videoaufnahmen für sich für die Eruierung des Einwurfszeitpunkts nicht beweisrelevant. Einzig die Dokumentierung von Datum und Zeit des privaten iPhones ihres Kollegen könnte die Angaben der Beschwerdeführerin stützen. Datums- und Zeit-Parameter eines iPhones können vom Inhaber beliebig variiert werden und haben damit für sich allein nicht stringente Beweiskraft. Der Stellenwert der Aufnahme (n) für die Beweiswürdigung ist vorliegend auf dem Hintergrund der gesamten weiteren Umstände zu würdigen.
3.3. Die Rechtsprechung zum Nachweis eines rechtzeitigen Einwurfs einer Sendung in einen Briefkasten betrifft Fälle, bei denen die zeitlichen Verhältnisse es verunmöglichen, den Nachweis der Rechtzeitigkeit auf die übliche Art zu erbringen, so, wenn eine prozessuale Handlung am letzten Tag der hierfür angesetzten Frist vorzunehmen ist und die Postschalter schon geschlossen sind, sodass eine Einschreibesendung nicht mehr aufgegeben werden kann, und wenn auch keine Möglichkeit für eine rechtzeitige direkte Abgabe gegen Unterschrift bei der Behörde selbst mehr besteht. In den anderen Fällen (ohne prekäre zeitliche Verhältnisse) dürfte die beweisbelastete Partei regelmässig eine Zustellungsart wählen, mit der sich die Rechtzeitigkeit problemlos dokumentieren lässt. Verzichtet sie darauf, ist dem im Rahmen der Beweiswürdigung Rechnung zu tragen.
3.4. Vorliegend ergibt sich aus der Beschwerdeschrift, dass die Beschwerdeführerin einen beträchtlichen Aufwand betrieben hat, um die Rechtzeitigkeit des Briefeinwurfs zu dokumentieren. Eine beweissichernde Aufgabe als Einschreibesendung bei der Post (z.B. bei der nicht weit vom Standort des Verwaltungsgerichts entfernten, über Mittag geöffneten Silhpost) wäre nicht mit mehr Aufwand verbunden gewesen als das von der Beschwerdeführerin geschilderte Vorgehen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass am 20. März 2018 nicht die geringste Notwendigkeit bestand, um auf die behauptete Art und Weise vorzugehen: Die Verfügung mit der Auflage, ein mit Unterschrift versehenes Exemplar der Beschwerdeschrift nachzureichen, wurde am 15. März 2018 entgegengenommen; so lief die angesetzte Frist am 20. März 2018 noch etliche Tage und sie hätte selbst bei Nichtberücksichtigung des (der Beschwerdeführerin eventuell unbekannten) Friststillstands nicht vor Montag, 26. März 2018, geendet. Der in Zürich wohnhaften Beschwerdeführerin wären in jedem Fall noch mehrere Tage zur Verfügung gestanden, um entweder die Eingabe (nochmals) beim Verwaltungsgericht persönlich vorbeizubringen oder aber sie (wie die vorliegende Beschwerde) bei der Post als Einschreibesendung aufzugeben. Ohnehin erstaunt, dass gerade eine Partei, die nach ihrer Darstellung schon mehrmals Probleme mit der Fristwahrung gehabt haben will, die geschilderte Vorgehensweise wählt, obwohl sie sich der Problematik des Briefkasteneinwurfs bewusst war.
3.5. Vorliegend fehlt es nun nicht bloss an einer in zeitlicher Hinsicht prekären Situation, die hauptsächlicher Ursprung der Rechtsprechung zur Fristwahrung bei einem Briefkasteneinwurf ist. Es gibt namentlich keinen Poststempel, der den Zeitpunkt der ersten Erfassung durch die Post nur kurze Zeit (in der Regel einen Tag) nach Ablauf der für die Prozesshandlung einzuhaltenden Frist dokumentierte und geeignet wäre, die Plausibilität des behaupteten Einwurfzeitpunkts zu untermauern (vgl. zu diesem möglichen Aspekt der Beweiswürdigung Urteil 2F_21/2017 vom 24. November 2017 E. 2.3). Es gibt allein den Eingangsstempel des Verwaltungsgerichts vom 7. Mai 2018, der aber nicht vereinbar ist mit dem von der Beschwerdeführerin Vorgetragenen.
Das Verwaltungsgericht hat in seiner Vernehmlassung erklärt, dass es den fraglichen Briefkasten werktags mindestens einmal (d.h. täglich) zu leeren pflegt. Die Beschwerdeführerin hat von der ihr eingeräumten Möglichkeit, bis am 11. Juli 2018 zur Darstellung des Verwaltungsgerichts betreffend die Betreuung seines Briefkastens bzw. zu entsprechenden Belangen Stellung zu nehmen, erst am 14./15. Juli 2018 Gebrauch gemacht. Die um mehrere Tage verspätete Stellungnahme kann nicht berücksichtigt werden. Es ist von einer täglichen Leerung des verwaltungsgerichtlichen Briefkastens auszugehen. Zwar könnte die in die Beschwerdeschrift kopierte Datum- bzw. Zeitangabe des iPhone ihres Kollegen (als einziges für die Version der Beschwerdeführerin sprechendes Indiz) für einen Briefkasteneinwurf zum behaupteten Zeitpunkt sprechen. Ist aber von einer täglichen Leerung des fraglichen Briefkastens durch das Verwaltungsgericht auszugehen, erscheint die Möglichkeit eines Briefeinwurfs bereits am 20. März 2018 gering. Unter Berücksichtigung aller Umstände sind die Vorbringen der die Beweislast tragenden Beschwerdeführerin nicht geeignet, die Rechtzeitigkeit der Prozesshandlung mit hinreichender Gewissheit darzutun (eine blosse Wahrscheinlichkeit, selbst eine überwiegende, würde nicht genügen, s. vorne E. 3.1).
3.6. Als Ergebnis der Beweiswürdigung ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin den Mangel der fehlenden Unterschrift innert der hierfür angesetzten, spätestens am 9. April 2018 abgelaufenen Frist nicht behoben hat. Die Nichteintretensverfügung des Verwaltungsgerichts verletzt schweizerisches Recht in keinerlei Hinsicht.
 
4.
Die Beschwerde ist unbegründet und abzuweisen.
Diesem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten (Art. 65 BGG) der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 erster Satz BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 3. Abteilung, Einzelrichter, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 27. Februar 2019
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Seiler
Der Gerichtsschreiber: Feller