BGer 8C_364/2018
 
BGer 8C_364/2018 vom 19.12.2018
 
8C_364/2018
 
Urteil vom 19. Dezember 2018
 
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione,
Gerichtsschreiberin Durizzo.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin PD. Dr. Silvia Bucher,
Beschwerdeführerin,
gegen
IV-Stelle des Kantons Aargau,
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Massnahme beruflicher Art),
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 26. März 2018 (VBE.2017.727).
 
Sachverhalt:
A. A.________, geboren 1968, Mutter von drei Kindern (geboren 1993, 1996 und 1997), stürzte am 2. November 2000 nachts auf einem Parkplatz in eine Grube. Dabei zog sie sich einen bis ins Handgelenk reichenden Trümmerbruch des rechten Unterarms zu (dominante Seite) und litt danach unter einer Arthrose sowie neuropathischen Beschwerden, die die Beweglichkeit der Hand erheblich und schmerzhaft einschränkten. Ab dem 1. Juni 2004 bezog sie deswegen eine halbe Invalidenrente (Verfügung vom 14. September 2012).
Im Zuge einer von Amtes wegen eingeleiteten Revision holte die IV-Stelle des Kantons Aargau ein Gutachten der Klinik B.________ vom 23. November 2015 ein. Gestützt darauf hob sie den Rentenanspruch mit Verfügung vom 10. Februar 2016 auf. Diese blieb unangefochten. Am 10. Mai 2016 gewährte die IV-Stelle Unterstützung bei der Suche eines Arbeitsplatzes. Nach einem Abklärungsgespräch mit der Eingliederungsberaterin der IV-Stelle am 8. September 2016 beauftragte die IV-Stelle die C.________ GmbH mit einem Bewerbungscoaching und der Stellensuche. Gemäss Bericht vom 5. Januar 2017 war eine Reintegration in den Arbeitsmarkt nicht möglich gewesen. Die IV-Stelle teilte A.________ am 26. Januar 2017 mit, dass sie die Arbeitsvermittlung deshalb abschliesse. Auf Ersuchen erliess sie am 10. August 2017 eine entsprechende Verfügung, mit der sie den Anspruch auf berufliche Massnahmen ablehnte.
B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 26. März 2018 ab.
C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei die IV-Stelle zur Gewährung (weiterer) Massnahmen beruflicher Art, insbesondere Arbeitsvermittlung, zu verpflichten.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
Erwägungen:
1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Eine - für den Ausgang des Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) - vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann das Bundesgericht nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).
2. Streitig und zu prüfen ist, ob die vorinstanzlich bestätigte Ablehnung des Anspruchs auf Weiterführung der Arbeitsvermittlung vor Bundesrecht standhält.
3. Das kantonale Gericht hat die Bestimmung über den Anspruch auf Arbeitsvermittlung nach Art. 18 IVG und insbesondere die Rechtsprechung zu dessen zeitlicher Begrenzung nach Massgabe des (im gesamten Leistungsrecht der Invalidenversicherung geltenden) Verhältnismässigkeitsgrundsatzes im Sinne des situativ Notwendigen beziehungsweise der noch bestehenden Erfolgsaussichten (BGE 119 V 250 E. 3a S. 354; Urteile 8C_388/2013 vom 16. Dezember 2013 E. 3.2.1; 8C_19/2011 vom 9. Juni 2011 E. 2.2; 9C_16/2008 vom 2. September 2008 E. 1, E. 2 und E. 3.3.2; 8C_156/2008 vom 11. August 2008   E. 2.3; I 776/04 vom 29. März 2005 E. 4.3; I 412/04 vom 22. Dezember 2004 E. 2.4) zutreffend dargelegt. Es wird darauf verwiesen.
4. Das kantonale Gericht stellte fest, dass Vermittlungsbemühungen vom 8. September 2016 (Erstgespräch mit der Eingliederungsberaterin der IV-Stelle) bis zum 20. November 2016 stattgefunden hätten und die Beschwerdeführerin während dieser Zeit intensiv betreut worden sei. Am 29. September 2016 habe sie sich erstmals mit dem Jobcoach getroffen. Er habe mit ihr eine Standortbestimmung durchgeführt und eine Bewerbungsstrategie entwickelt, sie dabei intensiv geschult und ihr gezeigt, bei welchen Plattformen sie nach Stellen suchen und wie sie sich dort bewerben könne. Des Weiteren habe er die Bewerbungsunterlagen bei mehreren potentiellen Arbeitgebern aus verschiedenen von der Beschwerdeführerin ausgesuchten Berufsfeldern (Detailhandel Food/Nonfood/Parfümerie, Produktion, Sicherheitsfirmen, Mystery Shopping [Testkauf]) eingereicht und aktiv nach einer Möglichkeit für einen Arbeitsversuch mit Option auf Festanstellung gesucht. Die Weiterführung dieser durchwegs erfolglosen Bemühungen erachtete die Vorinstanz als unverhältnismässig. Bei diesem Ergebnis verzichtete sie auf die abschliessende Beurteilung des für den Anspruch weiter vorausgesetzten subjektiven Eingliederungswillens. Dieser erschien ihr als höchst fraglich. Sowohl der bei den Gesprächen jeweils anwesende Ehemann der Versicherten wie auch - auf Rückfrage des Coachs - sie selber hätten sich davon überzeugt gezeigt, dass sie zu 100 % arbeitsunfähig sei.
5. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die Vermittlungsbemühungen sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch in ihrer Intensität unzureichend gewesen seien.
Dass die Vorinstanz den Anspruch auf weitere Arbeitsvermittlung nach Massgabe des - nach den bisher getätigten Bemühungen - noch zu erwartenden Erfolges beurteilte, ist mit Blick auf den zu beachtenden Verhältnismässigkeitsgrundsatz bundesrechtskonform (vgl. die unter E. 3 dargelegte Rechtsprechung). Dies gilt auch insoweit, als das kantonale Gericht dabei die Intensität der Betreuung berücksichtigt und bejaht hat. Die IV-Stelle beschränkte sich nicht auf die Begleitung durch einen eigenen Berufsberater mit entsprechend bescheidenen zeitlichen Ressourcen, sondern beauftragte einen externen Jobcoach. Dieser war mit der Beschwerdeführerin zusammen für die Erstellung der Bewerbungsunterlagen besorgt. Er gab ihr Tipps zur Stellensuche und zeigte, wie sie sich bewerben könne. Daneben kontaktierte er selber potentielle Arbeitgeber. Es wird nicht dargetan und ist unter diesen Umständen auch nicht erkennbar, wie die Unterstützung noch aktiver und umfassender hätte gestaltet werden können. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der Palette der vom Jobcoach anvisierten Berufsfelder. Diese hatte die Beschwerdeführerin selber ausgesucht. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass eine Ausdehnung durch den Coach die Erfolgsaussichten einer Eingliederung verbessert hätte. An dieser Beurteilung kann auch nichts ändern, dass die Suche des Jobcoachs unter anderem auch einzelne Arbeitsstellen betroffen haben mag, die sich aus gesundheitlichen Gründen als nicht geeignet erwiesen, weil insbesondere mit der Regalpflege im Detailhandel teilweise auch das für die Beschwerdeführerin unzumutbare Heben von schwereren Verpackungen verbunden ist. Es ist bei der gegebenen Intensität der Betreuung nicht nachvollziehbar, dass eine längere Dauer der Bemühungen des professionellen Berufsberaters zu einer anderen Beurteilung der Erfolgsaussichten hätte führen müssen. Daran ändert die Berufung auf das Kreisschreiben des BSV über die Eingliederungsmassnahmen beruflicher Art (KSBE), welches eine Dauer von sechs Monaten als in der Regel angemessen erachtet (Ziff. 5009, Stand 1. Januar 2016), nichts. Schliesslich gaben die angefragten Arbeitgeber, wie die Vorinstanz festhielt, insbesondere auch die ungenügenden Deutschkenntnisse als Grund für ihre Absagen an. Wenn dieser Aspekt den Anspruch auf Arbeitsvermittlung nach der Rechtsprechung auch grundsätzlich nicht auszuschliessen vermag, kann er dennoch bezüglich der verhältnismässigen Dauer der Bemühungen nicht unbeachtlich bleiben. Die vorinstanzlich bestätigte Ablehnung des Anspruchs auf Weiterführung der Arbeitsvermittlung erweist sich damit als rechtens.
6. Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 19. Dezember 2018
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Maillard
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo