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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
{T 0/2}
1B_361/2016
Urteil vom 21. November 2016
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Eusebio,
Gerichtsschreiber Dold.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel U. Walder,
gegen
Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl.
Gegenstand
Entsiegelung,
Beschwerde gegen die Verfügung vom 26. August 2016 des Bezirksgerichts Zürich, Zwangsmassnahmengericht.
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl führt gegen B.________ und seine Tochter, A.________, eine Strafuntersuchung. B.________ habe die Buchhaltung der C.________AG geführt und auch die D.________AG und die E.________AG betreut. Als die Inhaber der C.________AG beschlossen hätten, die Aufgaben von B.________ auszulagern, habe sich dieser übergangen gefühlt und befürchtet, seine beiden Töchter, die er als Sekretärinnen angestellt hatte, könnten ihre Arbeitsstelle verlieren. Da er zudem das Gefühl gehabt habe, während seiner mehrjährigen Tätigkeit finanziell zu kurz gekommen zu sein, habe er eigenmächtig insgesamt ca. 1,9 Mio. Fr. von der C.________AG, der D.________AG und der E.________AG auf ein Konto bei der Credit Suisse überwiesen oder A.________ damit beauftragt. Von diesem Konto habe er in der Folge Fr. 500'000.-- auf ein Konto bei der Crédit Andorra und Fr. 300'000.-- auf ein Konto bei der Siam Commercial Bank überwiesen. Später sei vom Konto bei der Crédit Andorra mehrmals Geld auf das Konto von B.________ bei der Credit Suisse zurück überwiesen und daraufhin von A.________ bar abgehoben worden. A.________, der die Staatsanwaltschaft Geldwäscherei vorwirft, soll zwischen dem 29. November 2013 und dem 15. Januar 2014 insgesamt Fr. 332'500.-- vom Privatkonto ihres Vaters abgehoben haben.
Im Rahmen der Ermittlungen wurden das alte Geschäftsmobiltelefon sowie der alte Geschäftscomputer von A.________ sichergestellt. Auf deren Antrag versiegelte die Staatsanwaltschaft die beiden Datenträger am 17. Mai 2016.
Am 25. Mai 2016 stellte die Staatsanwaltschaft beim Zwangsmassnahmengericht am Bezirksgericht Zürich einen Antrag auf Entsiegelung und Durchsuchung. Zur Begründung führte sie aus, sämtliche Daten auf den sichergestellten Datenträgern seien von Bedeutung für die Aufklärung des Sachverhalts. A.________ habe zudem den Siegelungsantrag zu spät gestellt. Weiter wies die Staatsanwaltschaft darauf hin, dass die WhatsApp-Ausdrucke bereits gesichtet worden seien, weshalb das Siegelungsbegehren diesbezüglich wirkungslos sei. A.________ nahm zum Entsiegelungsgesuch Stellung.
Mit Verfügung vom 26. August 2016 hiess das Zwangsmassnahmengericht das Gesuch gut und gab die versiegelten Geräte der Staatsanwaltschaft zur Durchsuchung und weiteren Verwendung frei. Den Antrag von A.________ auf Entfernung der WhatsApp-Ausdrucke aus den Akten wies es ab.
B.
Mit Beschwerde ans Bundesgericht vom 30. September 2016 beantragt A.________, die Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts sei aufzuheben und die Siegelung des Geschäftstelefons, des Geschäftscomputers und der WhatsApp-Ausdrucke sei aufrechtzuerhalten. Eventualiter sie die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts sei nicht aufzuheben, und verzichtet im Übrigen auf eine Stellungnahme. Das Zwangsmassnahmengericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Mit Präsidialverfügung vom 12. Oktober 2016 hat das Bundesgericht der Beschwerde aufschiebende Wirkung gegeben.
Erwägungen:
1.
Gegen die angefochtene Verfügung ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben. Die Vorinstanz hat gemäss Art. 248 Abs. 3 lit. a i.V.m. Art. 380 StPO als einzige kantonale Instanz entschieden. Die Beschwerde ist somit nach Art. 80 BGG zulässig. Die Beschwerdeführerin ist gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde befugt. Sie macht im Entsiegelungsverfahren geschützte Geheimnisrechte geltend und damit einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (vgl. Urteil 1B_273/2015 vom 21. Januar 2016 E. 1 mit Hinweisen). Die Sachurteilsvoraussetzungen sind somit erfüllt. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
Die Vorinstanz legte dar, der hinreichende Tatverdacht werde von der Beschwerdeführerin zu Recht nicht bestritten. Auch der Deliktskonnex sei zu bejahen. Die Daten auf dem Geschäftscomputer und dem Geschäftstelefon vermöchten wohl Aufschlüsse über getätigte Transaktionen und den Austausch von Informationen zwischen Vater und Tochter zu geben. Auch sei zu erwarten, dass sich daraus Rückschlüsse hinsichtlich des Vorwurfs der später begangenen Geldwäscherei ziehen liessen. Angesichts des hohen Deliktsbetrags sei die Durchsuchung der Datenträger zudem verhältnismässig. Schliesslich treffe auch der Einwand der Beschwerdeführerin nicht zu, sie könne im Strafverfahren gegen ihren Vater die Aussage gemäss Art. 168 Abs. 1 lit. c StPO verweigern, weshalb von der Entsiegelung abzusehen sei. Das Aussageverweigerungsrecht von Angehörigen begründe gemäss Art. 264 StPO kein Beschlagnahmeverbot. Grund dafür sei, dass die Beschlagnahme ein blosses Dulden erfordere und keine aktive Mitwirkung. Der bei der Zeugenaussage bestehende Konflikt für Angehörige komme deshalb nicht zum Tragen.
3.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz hätte das Entsiegelungsgesuch der Staatsanwaltschaft abweisen müssen, weil es nicht hinreichend begründet gewesen sei. Indem sie davon abgesehen habe, habe sie namentlich Art. 248 Abs. 2 StPO und Art. 29 Abs. 2 BV verletzt.
Die Staatsanwaltschaft hat ihr Entsiegelungsgesuch gemäss Art. 248 Abs. 2 StPO zu begründen. Eine allenfalls ungenügende Begründung kann nachträglich ergänzt werden (Urteil 1B_424/2013 vom 22. Juli 2014 E. 2.4 mit Hinweisen, nicht publ. in BGE 140 IV 108). Das Zwangsmassnahmengericht hatte jedoch vorliegend keinen Anlass, das Gesuch zur Verbesserung zurückzuweisen. Die darin enthaltenen Angaben erlaubten es der Beschwerdeführerin, eine einlässliche Stellungnahme abzugeben, und dem Zwangsmassnahmengericht, daraufhin über die Zulässigkeit der Durchsuchung zu entscheiden. Die Beschwerdeführerin brachte im vorinstanzlichen Verfahren denn auch nicht vor, das Entsiegelungsgesuch sei unzureichend begründet.
4.
Weiter bringt die Beschwerdeführerin vor, das Zwangsmassnahmengericht habe sich nicht genügend mit ihrem Vorbringen auseinandergesetzt, es seien Daten illegal wiederhergestellt worden.
Das Zwangsmassnahmengericht führte aus, im jetzigen Zeitpunkt stehe nicht fest, dass ein strafbares Verhalten vorliege. Sollten sich die Vorwürfe, die die Beschwerdeführerin in ihrer Strafanzeige vom 30. Juni 2016 erhoben habe, bewahrheiten, werde allenfalls das Sachgericht die Unverwertbarkeit der Beweismittel feststellen.
Diese Ausführungen genügen der Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV). Dafür ist ausreichend, wenn das Gericht die wesentlichen Punkte für seinen Entscheid darlegt, so dass dieser gegebenenfalls sachgerecht angefochten werden kann (BGE 140 II 262 E. 6.2 S. 274; 136 I 229 E. 5.2 S. 236 mit Hinweisen). Die Rüge ist somit unbegründet. Dass die vorinstanzliche Auffassung inhaltlich gegen Bundesrecht verstösst, macht die Beschwerdeführerin nicht substanziiert geltend (Art. 42 Abs. 2 BGG).
5.
5.1. Schliesslich stellt sich die Beschwerdeführerin auf den Standpunkt, es komme ihr in Bezug auf ihren Vater ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Darauf könne sie sich auch im Siegelungsverfahren berufen, denn Art. 248 StPO sei vom Gesetzgeber bewusst weit formuliert worden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass ein Mobiltelefon und ein Computer im Normalfall zuerst herausgegeben werden müssten und in der Regel ein Passwort erforderlich sei. Entsprechend sei eine Mitwirkung nötig, die von einer Person mit Zeugnisverweigerungsrecht gerade nicht erzwungen werden könne ("Was der Mund nicht zu offenbaren braucht, soll auch die Hand nicht preisgeben müssen").
5.2. Gegenstände und Vermögenswerte einer beschuldigten Person oder einer Drittperson können beschlagnahmt (oder vorläufig sichergestellt) werden, wenn sie voraussichtlich als Beweismittel gebraucht werden (Art. 263 Abs. 1 lit. a und Abs. 3 StPO). Macht eine berechtigte Person geltend, eine Beschlagnahme von Gegenständen und Vermögenswerten sei wegen eines Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechts oder aus anderen Gründen nicht zulässig, so gehen die Strafbehörden nach den Vorschriften über die Siegelung vor (Art. 264 Abs. 3 StPO). Nicht zu Beweiszwecken entsiegelt und beschlagnahmt werden dürfen Aufzeichnungen und Gegenstände in den Fällen von Art. 264 Abs. 1 StPO. Darunter fallen Unterlagen, die aus dem Verkehr der beschuldigten Person mit ihrer Verteidigung stammen (lit. a), persönliche Aufzeichnungen und Korrespondenz der beschuldigten Person, wenn ihr Interesse am Schutz der Persönlichkeit das Strafverfolgungsinteresse überwiegt (lit. b), Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr der beschuldigten Person mit Personen, die nach den Artikeln 170 - 173 StPO das Zeugnis verweigern können und im gleichen Sachzusammenhang nicht selber beschuldigt sind (lit. c), sowie Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr einer anderen Person mit ihrer Anwältin oder ihrem Anwalt, sofern die Anwältin oder der Anwalt vor schweizerischen Gerichten zugelassen und im gleichen Sachzusammenhang nicht selber beschuldigt ist (lit. d).
Für Aufzeichnungen und Gegenstände, die sich bei Beschuldigten oder Drittpersonen befinden, besteht über diese gesetzlich geregelten Fälle hinaus kein absolutes Hindernis der Beweismittelbeschlagnahmung und Entsiegelung (Art. 263 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 264 Abs. 1 und Abs. 3 sowie Art. 248 StPO). Kein solches Hindernis gilt insbesondere für Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr der beschuldigten Person mit Personen, die nach den Artikeln 168 und 169 StPO das Zeugnis verweigern können, also mit Zeugnisverweigerungsberechtigten aufgrund persönlicher Beziehungen (Art. 168 StPO) oder mit Personen, die ein Zeugnisverweigerungsrecht zum eigenen Schutz (bzw. zum Schutz ihnen nahe stehender Personen) geltend machen (Art. 169 StPO; zum Ganzen: Urteil 1B_125/2015 vom 15. Juni 2016 E. 3.4 mit Hinweisen).
Mithin besteht weder bei potentiellen Auskunftspersonen noch bei Beschuldigten ein gesetzliches (absolutes) Beschlagnahme- oder Entsiegelungshindernis. Ebenso wenig sieht das Gesetz - anders als in den (hier nicht gegebenen) Fällen von Art. 264 Abs. 1 lit. b und Art. 173 Abs. 1 StPO und über die allgemeinen Voraussetzungen von Art. 197 Abs. 1 lit. c-d und Abs. 2 StPO hinaus - eine Abwägung vor zwischen dem Strafverfolgungsinteresse und einem allfälligen Nichtentsiegelungsinteresse von potentiellen Auskunftspersonen (a.a.O., E. 3.5).
Nicht nachvollziehbar ist, wie die Beschwerdeführerin zur Annahme gelangt, sie sei zur Mitwirkung gezwungen worden. Die Beweismittel wurden vielmehr ohne ihr Zutun zu den Strafakten genommen. Wie das Zwangsmassnahmengericht zu Recht festhielt, steht ein Zeugnisverweigerungsrecht dem blossen Dulden einer Zwangsmassnahme (hier: der Beschlagnahme) nicht entgegen (a.a.O., E. 3.7 mit Hinweisen).
Das Zwangsmassnahmengericht hat somit kein Bundesrecht verletzt, wenn es davon ausging, dass das Zeugnisverweigerungsrecht der Beschwerdeführerin in Bezug auf ihren Vater kein Beschlagnahmeverbot begründe und damit auch nicht der Entsiegelung entgegenstehe.
6.
Die Beschwerde ist abzuweisen.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 f. BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl und dem Bezirksgericht Zürich, Zwangsmassnahmengericht, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 21. November 2016
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Dold