BGer 1C_116/2016
 
BGer 1C_116/2016 vom 14.04.2016
{T 0/2}
1C_116/2016
 
Urteil vom 14. April 2016
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Dold.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwälte Manfred Döring
und Oliver Wallasch,
gegen
Bundesamt für Justiz, Fachbereich Auslieferung, Bundesrain 20, 3003 Bern.
Gegenstand
Auslieferung an die Türkei,
Beschwerde gegen den Entscheid vom 3. März 2016 des Bundesstrafgerichts, Beschwerdekammer.
 
Sachverhalt:
A. Mit Interpolmeldung vom 29. August 2014 ersuchte die Türkei um Fahndung und Verhaftung des deutsch-türkischen Staatsangehörigen A.________ zwecks Auslieferung. Am 15. Juni 2015 wurde A.________ in Rheinfelden verhaftet. Er befindet sich seither in Auslieferungshaft.
Mit Note vom 29. Juni 2015 ersuchte die Türkei die Schweiz um die Auslieferung von A.________ wegen vorsätzlicher Tötung sowie wegen Kauf/Führen/Mitnahme von Feuerwaffen und Munition, begangen am 15. Oktober 2007. Aus den Beilagen zum Auslieferungsgesuch geht hervor, dass A.________ vom Strafgericht Aksaray, Türkei, mit Urteil vom 11. März 2014 zwei Mal zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe und zu einer weiteren Gefängnisstrafe von einem Jahr verurteilt worden war. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Weil A.________ geltend machte, im Falle einer Auslieferung sei sein Leben wegen einer anhaltenden Familienfehde in Gefahr, ersuchte das Bundesamt für Justiz (BJ) die türkischen Behörden um die Garantie, dass die physische und psychische Integrität von A.________ gemäss Art. 3 EMRK und Art. 7, 10 und 17 UNO-Pakt II (SR 0.103.2) gewahrt und er vor Übergriffen durch Drittpersonen geschützt werde. Diese wurde in der Folge von der Türkei gewährt.
Am 21. Dezember 2015 bewilligte das BJ die Auslieferung.
Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesstrafgericht mit Entscheid vom 3. März 2016 ab.
B. Mit Eingaben vom 7., 9. und 10. März 2016 erhebt A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, die Entscheide des Bundesstrafgerichts und des BJ seien aufzuheben.
Das Bundesstrafgericht verweist in seiner Vernehmlassung auf seinen Entscheid vom 3. März 2016. Das BJ ist der Auffassung, es liege kein bedeutender Fall im Sinne von Art. 84 BGG vor. Der Beschwerdeführer hat dazu Stellung genommen.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unter den in Art. 84 BGG genannten Voraussetzungen zulässig. Im vorliegenden Fall geht es um eine Auslieferung und damit um ein Sachgebiet, bei dem die Beschwerde nach Art. 84 Abs. 1 BGG insoweit möglich ist. Weiter ist erforderlich, dass es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt.
Art. 84 BGG bezweckt die wirksame Begrenzung des Zugangs zum Bundesgericht im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen (BGE 134 IV 156 E. 1.3.1 S. 160 mit Hinweisen). Ein besonders bedeutender Fall ist mit Zurückhaltung anzunehmen (BGE 136 IV 139 E. 2.4 S. 144 mit Hinweis).
Ein besonders bedeutender Fall kann auch bei einer Auslieferung nur ausnahmsweise angenommen werden. In der Regel stellen sich insoweit keine Rechtsfragen, die der Klärung durch das Bundesgericht bedürfen, und kommt den Fällen auch sonst wie keine besondere Tragweite zu (BGE 134 IV 156 E. 1.3.4 S. 161).
Bei der Beantwortung der Frage, ob ein besonders bedeutender Fall gegeben ist, steht dem Bundesgericht ein weiter Ermessensspielraum zu (BGE 134 IV 156 E. 1.3.1 S. 160 mit Hinweis).
Nach Art. 109 BGG entscheidet die Abteilung in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen kein besonders bedeutender Fall vorliegt (Abs. 1). Der Entscheid wird summarisch begründet und es kann ganz oder teilweise auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Abs. 3).
1.2. Vorliegend handelt es sich nicht um einen besonders bedeutenden Fall:
Der Beschwerdeführer erwähnt beiläufig, die Haftverhältnisse in der Türkei seien unerträglich, setzt sich aber mit den entsprechenden Ausführungen im Entscheid des Bundesstrafgerichts nicht auseinander. Darauf ist mangels hinreichend substanziierter Kritik nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 2 BGG).
Weiter macht er geltend, dass in der Türkei die lebenslange Freiheitsstrafe bis zum Tod vollstreckt werde und die Möglichkeit einer bedingten Entlassung nicht bestehe. Eine Begnadigung sei nur bei dauernder Krankheit oder Behinderung möglich und müsse vom Staatspräsidenten angeordnet werden. Eine Auslieferung an die Türkei verstosse deshalb gegen das deutsche Grundgesetz und gegen die Bundesverfassung. Das BJ hat zu dieser Rüge, die erstmals im Verfahren vor Bundesgericht vorgetragen wurde, Stellung genommen. Aus der seiner Vernehmlassung beigelegten deutschen Übersetzung von Art. 107 Abs. 3 lit. b des türkischen Gesetzes Nr. 5275 über die Vollstreckung der Strafen und der Sicherheitsmassnahmen geht hervor, dass entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers eine bedingte Entlassung möglich ist, und zwar nach dreissig Jahren. Im Urteil vom 11. März 2014 des Strafgerichts Aksaray wird die bedingte Entlassung sogar mehrfach erwähnt. Eine unmenschliche oder erniedrigende Strafe droht dem Beschwerdeführer insoweit nicht (Art. 3 EMRK; Urteil des EGMR Vinter und andere gegen das Vereinigte Königreich vom 9. Juli 2013, Beschwerde-Nrn. 66069/09, 130/10 und 3896/10, §§ 68 und 82 ff.). Die türkischen Behörden haben überdies auf Aufforderung des BJ die Einhaltung der Menschenrechte des Beschwerdeführers gemäss EMRK und UNO-Pakt II zugesichert.
Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich nicht. Auch sonst ist der Fall nicht von aussergewöhnlicher Tragweite. Für das Bundesgericht besteht daher kein Anlass, die Sache an die Hand zu nehmen.
2. Die Beschwerde ist deshalb unzulässig.
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege kann wegen Aussichtslosigkeit nicht bewilligt werden (Art. 64 BGG). Unter den gegebenen Umständen erscheint es indessen gerechtfertigt, dem Beschwerdeführer keine Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
4. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bundesamt für Justiz, Fachbereich Auslieferung, und dem Bundesstrafgericht, Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 14. April 2016
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Dold