BGer 6F_32/2015
 
BGer 6F_32/2015 vom 16.02.2016
{T 0/2}
6F_32/2015
 
Urteil vom 16. Februar 2016
 
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jaquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer,
Gerichtsschreiber Briw.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Steiner,
Gesuchsteller,
gegen
Departement Volkswirtschaft und Inneres, Amt für Justizvollzug, Bahnhofplatz 3c, 5001 Aarau,
Gesuchsgegner.
Gegenstand
Revision des Urteils des Bundesgerichts 6B_911/2015 vom 9. November 2015,
 
Sachverhalt:
 
A.
In der Ehescheidung von X.________ wurde die elterliche Sorge für die gemeinsame Tochter der Mutter zugeteilt. Nachdem diese verstorben war, ordnete das Familiengericht für die Tochter eine Vormundschaft gemäss Art. 327a ZGB an. Das Obergericht des Kantons Aargau wies am 15. Dezember 2014 eine gegen diese Anordnung erhobene Beschwerde von X.________ ab und verpflichtete ihn zu einer Parteientschädigung von Fr. 1'250.-- an die Vormundin. Auf deren Zahlungsaufforderung hin sicherte er ihr die Leistung nach seiner Haftentlassung zu, denn zurzeit besitze er weder Vermögen noch Einkommen.
Die Direktion der JVA Lenzburg verfügte am 9. April 2015 die Überweisung des Betrags von Fr. 1'250.-- ab dem Sperrkonto von X.________ an die Vormundin.
Die von diesem gegen die Verfügung erhobenen Beschwerden wiesen das Departement Volkswirtschaft und Inneres (DVI) und in der Folge das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau ab.
 
B.
X.________ beantragte mit Beschwerde in Strafsachen:
1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben.
2. Das Departement Volkswirtschaft und Inneres sei anzuweisen, den bereits dem Beschwerdeführer weggenommenen Betrag von Fr. 1'250.-- dem Unterzeichneten zu Gunsten des Beschwerdeführers zurückzuzahlen.
3. Dem Beschwerdeführer seien für die Verfahren vor dem DVI sowie dem Verwaltungs- und Bundesgericht die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen und der Unterzeichnete als sein unentgeltlicher Rechtsvertreter zu bezeichnen.
4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge.
Das Bundesgericht erwog, im ersten Beschwerdeverfahren sei beim DVI im Hauptstandpunkt beantragt worden, das Vermögen des Vertretenen festzustellen und dem Rechtsvertreter "als Entschädigung für seine jahrelangen Bemühungen und Auslagen auszuzahlen". In der Folge sei vor der Vorinstanz und nun vor Bundesgericht gefordert worden, den "Betrag von Fr. 1'250.-- dem Unterzeichneten [...] zurückzuzahlen". Zu dieser Prozessführung im eigenen Interesse sei der Rechtsvertreter nicht legitimiert (Urteil 6B_911/2015 vom 9. November 2015 E. 1.3). Das Bundesgericht trat auf die Beschwerde nicht ein, wies das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ab und auferlegte die Gerichtskosten gestützt auf Art. 66 Abs. 3 BGG dem Rechtsvertreter.
 
C.
X.________ stellt ein Revisionsgesuch:
1. In Gutheissung des Revisionsbegehrens sei das Urteil des Bundesgerichts vom 9. November 2015 aufzuheben und die Beschwerde vom 14. September 2015 gemäss den nachfolgenden Anträgen gutzuheissen:
2. Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 28. Juli 2015 sei aufzuheben.
3. Das Departement Volkswirtschaft und Inneres sei anzuweisen, den bereits dem Beschwerdeführer weggenommenen Betrag von Fr. 1'250.-- dem Unterzeichneten zu Gunsten des Beschwerdeführers zurückzuzahlen.
4. Dem Beschwerdeführer seien für die Verfahren vor Departement sowie vor Verwaltungsgericht und vor Bundesgericht die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen und der Unterzeichnete als sein unentgeltlicher Rechtsvertreter zu bezeichnen.
5. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge.
 
Erwägungen:
 
1.
Auf die Beschwerde wurde mit der Begründung nicht eingetreten, dass der Rechtsvertreter nicht legitimiert ist, einen Prozess im eigenen Interesse zu führen. Die Gründe wurden im Urteil dargelegt. Ob das Bundesgericht die Legitimation allenfalls unrichtig beurteilt hat, bildet keinen Revisionsgrund. Die Revision dient nicht dazu, um angebliche Rechtsfehler zu korrigieren (ELISABETH ESCHER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 21 zu Art. 121 BGG).
Es versteht sich von selbst, dass Anträge an sich unbeurteilt bleiben, wenn mangels Legitimation auf eine Beschwerde nicht eingetreten wird. Die Revision kann sich nur auf die Eintretensfrage beziehen.
 
2.
Der Gesuchsteller begründet sein Gesuch mit Verletzungen von Verfahrensvorschriften, indem "einzelne Anträge unbeurteilt geblieben sind" (Art. 121 lit. c BGG) und "das Gericht in den Akten liegende erhebliche Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt hat" (Art. 121 lit. d BGG).
Im Gesuch wird auf die Nichtzitierung eines Bestandteils des Rechtsbegehrens Ziff. 2 (" zu Gunsten des Beschwerdeführers") in der bundesgerichtlichen Erwägung 1.3 ( den "Betrag von Fr. 1'250.-- dem Unterzeichneten [...] zurückzuzahlen") verwiesen. In diesem Zitat wird die Kürzung explizit mit Auslassungspunkten gekennzeichnet (Duden, Die deutsche Rechtschreibung, 26. Aufl. 2013, K17), so dass von einer Nichtbeurteilung im Sinne einer Nichtkenntnisnahme nicht die Rede sein kann. Das Rechtsbegehren Ziff. 2 wurde im Sachverhalt mit vollem Wortlaut zitiert. Auf das Begehren Ziff. 3 wurde ausdrücklich nicht eingetreten, und die Begehren Ziffn. 1 und 4 sowie das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege vor Bundesgericht wurden ausgangsgemäss entschieden. Ein Revisionsgrund im Sinne von Art. 121 lit. c BGG ist nicht gegeben.
Dem Gesuch ist eine vom 18. März 2013 datierte (Standard-) Vollmacht in Kopie beigelegt, aus welcher sich ergibt, dass der Rechtsvertreter u.a. berechtigt ist, "Gelder und andere Vermögenswerte zu empfangen und herauszugeben". Soweit ersichtlich, soll damit die Versehensrüge (Art. 121 lit. d BGG) belegt sein. Das ist unbehelflich. Auf Versehen beruht eine Feststellung nur, wenn sie darauf zurückzuführen ist, dass das Bundesgericht eine bestimmte Aktenstelle übersehen oder unrichtig (nicht in ihrer wahren Gestalt, insbesondere nicht mit ihrem wirklichen Wortlaut) wahrgenommen hat (NIKLAUS OBERHOLZER, in: Hansjörg Seiler et al., Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2015, N. 22 zu Art. 121 BGG; ESCHER, a.a.O., N. 9 zu Art. 121 BGG). Der Gesuchsteller nennt keine in den Akten liegende Tatsachen, die das Bundesgericht aus Versehen nicht berücksichtigt hat. Er stellt sich allein auf den Standpunkt, die Tatsachen hätten anders gewürdigt werden müssen. Auch dies bildet keinen Revisionsgrund.
 
3.
Auf die Beschwerde war auch in der Sache nicht einzutreten.
3.1. Es drängt sich auf, im Rahmen eines obiter dictum zunächst auf die allgemeine Rechtslage hinzuweisen: Der Bundesgesetzgeber verzichtete ausdrücklich darauf, in Art. 83 Abs. 2 StGB näher über die Verwendung des Arbeitsentgelts zu legiferieren. Massgebend ist das kantonale Recht (Art 19 V-StGB-MStG). Das Gesetz will Gefangenen ermöglichen, [auch] "den nicht frei verfügbaren Teil ihres Verdienstanteils bereits während des Vollzugs mit Zustimmung der Anstaltsleitung für geeignete Zwecke wie beispielsweise Familienunterstützung [...] einzusetzen" (Botschaft zur Änderung des StGB [...] vom 21. September 1998, BBl 1999 2117). In diesem Sinne wird die Gesetzgebung in der Praxis von Anfang an verstanden (HANSJAKOB/SCHMITT/SOLLBERGER, Kommentierte Textausgabe zum revidierten Strafgesetzbuch, 2. Aufl. 2006, Art. 83 StGB). Das Arbeitsentgelt darf in "verhältnismässiger" Weise herangezogen werden (Art. 5 Abs. 2 BV; zu dieser Verfassungsnorm BGE 140 II 194 E. 5.8.2).
Die Vormundschaft über Minderjährige ist neu im Kindesschutzrecht geregelt. Die Vormundin hat in Ersetzung der Eltern deren Aufgabenbereich zu übernehmen (TUOR/SCHNYDER/JUNGO, ZGB, 14. Aufl. 2015, S. 539 Rz. 38) und erhielt in dieser Funktion eine Parteientschädigung zugesprochen (oben Bst. A; zu Pflichten und Entschädigung des Prozessbeistands des Kindes vgl. zur Veröffentlichung bestimmtes Urteil 5A_52/2015 vom 17. Dezember 2015). Kosten von Kindesschutzmassnahmen gehören zum Unterhaltsanspruch des Kindes (Art. 276 Abs. 1 ZGB). Ist ein Elternteil gestorben, trägt der andere die Unterhaltslast alleine. Staatliche Unterstützung ist nur dann nötig, wenn kein Elternteil in der Lage ist, für den gebührenden Unterhalt des Kindes aufzukommen (BGE 141 III 401 E. 4 und E. 4.1).
3.2. Im Beschwerde- wie im Revisionsverfahren wird beantragt, das DVI "anzuweisen, den bereits dem Beschwerdeführer weggenommenen Betrag von Fr. 1'250.-- dem Unterzeichneten zu Gunsten des Beschwerdeführers zurückzuzahlen" (oben Bst. B und C). Diese Anträge werden mit einer gegen den Willen des Insassen und deshalb als rechtswidrig behaupteten Überweisung an die Vormundin durch die Direktion der JVA Lenzburg begründet. Dabei würde es sich um eine Haftung des Staates aus fehlerhafter Handlung eines Beamten (Art. 110 Abs. 3 StGB; BGE 141 IV 329 E. 1.3) handeln und damit um die nach kantonalem Staatshaftungsrecht zu beurteilende Frage, ob der Staat dem Insassen für die von der Direktion vorgenommene Überweisung Schadenersatz zu leisten hat. Zur Beurteilung dieser Frage und Anweisung an das DVI war und ist das Bundesgericht weder im Beschwerde- noch im Revisionsverfahren zuständig.
 
4.
Auf das Revisionsgesuch ist nicht einzutreten. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (und Verbeiständung) ist wegen Aussichtslosigkeit des Rechtsbegehrens abzuweisen (Art. 29 Abs. 3 BV; Art. 64 BGG). Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht hat (Art. 66 Abs. 3 BGG). Das Gericht kann ausnahmsweise die Gerichtskosten anstatt der unterliegenden Partei ihrem Rechtsvertreter auferlegen (BGE 129 IV 206 E. 2.2; vgl. BGE 141 III 426 E. 2.4.1 ff.).
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Auf das Revisionsgesuch wird nicht eingetreten.
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden Dr. Peter Steiner auferlegt.
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 16. Februar 2016
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Der Gerichtsschreiber: Briw