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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
{T 0/2}
5A_697/2015
Urteil vom 9. Februar 2016
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Herrmann, Schöbi, Bovey,
Gerichtsschreiber Möckli.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Paul Brantschen,
Beschwerdeführerin,
gegen
B.B._ _______,
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Hotz,
Beschwerdegegner,
C.________.
Gegenstand
Ausstand (Eheungültigkeit),
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 4. August 2015.
Sachverhalt:
A.
Am 5. Juni 2009 schloss der damals bereits betagte D.B.________ mit A.________ die Ehe. Ab dem Jahr 2010 war er vollkommen pflegebedürftig und nicht mehr kommunikationsfähig.
Am 30. November 2011 erhob sein Sohn B.B.________ gegen A.________ Klage auf Eheungültigkeit, in welcher er geltend machte, D.B.________ sei zum Zeitpunkt der Eheschliessung nicht mehr urteilsfähig gewesen.
Am 7. Januar 2014 beauftragte das Kantonsgericht Schaffhausen Dr. med. C.________ mit der Beurteilung der Urteilsfähigkeit von D.B.________ in Bezug auf den Eheschluss.
Am 6. Juni 2014 erstattete dieser das Gutachten, welches den Parteien vom Gericht am 13. Juni 2014 zugestellt wurde, verbunden mit einer Frist bis zum 11. Juli 2014, um Einwendungen zum Gutachten zu erheben und Ergänzungsfragen zu stellen. Zur fünften Gutachtensfrage, ob er noch weitere sachdienliche Bemerkungen anzubringen habe, hielt der Gutachter unter anderen fest: "Ich schliesse mich der Einschätzung des Hausarztes Dr. E.________ an, dass die seit 2009 verheiratete neue Ehefrau des seit 2010 vollkommen pflegebedürftigen und nicht mehr kommunikationsfähigen Exploranden diesen mit sehr grossem Engagement seit nun gut vier Jahren tagtäglich und offenbar sehr gut pflegt. Eine Person, die nur auf das Geld ihres Partners aus wäre, würde sich mit grösster Wahrscheinlichkeit nicht so aufopfern."
Mit Schreiben vom 10. Juli 2014 ersuchte B.B.________ um Verlängerung der Frist zur Stellungnahme. Mit Verfügung vom 15. Juli 2014 wurde diese bis zum 18. August 2014 erstreckt.
B.
Am 18. August 2014 stellte B.B.________ gegen Dr. C.________ ein Ablehnungsbegehren.
Mit Verfügung vom 18. September 2014 wies der Präsident des Kantonsgerichtes Schaffhausen das Ablehnungsgesuch ab mit der Begründung, beim Hinweis des Gutachters handle es sich um eine persönliche Beurteilung der Situation der Ehefrau des Exploranden, welche mit der gutachterlich zu prüfenden Frage nicht direkt in Zusammenhang stehe, jedoch sehr wohl für das Verfahren sachdienlich sein könne; der Gutachter sei mithin lediglich dem gerichtlichen Hinweis auf weitere sachdienliche Bemerkungen nachgekommen. Zudem habe er erklärt, die Parteien nicht zu kennen.
Hingegen bejahte das Obergericht des Kantons Schaffhausen mit Entscheid vom 4. August 2015 in Gutheissung der Beschwerde von B.B.________ den Anschein von Befangenheit mit der Begründung, die Bemerkung des Gutachters erscheine in keiner Weise sachdienlich und sei für die gutachterliche Fragestellung unerheblich; sie erwecke den Eindruck, der Gutachter hege gewisse Sympathien für die Beschwerdeführerin, und lege deshalb den Verdacht nahe, dass er bei der Beurteilung der Urteilsfähigkeit von D.B.________ gegenüber einer Partei oder der Sache nicht mehr unvoreingenommen sei. Gleiches gelte für den Umstand, dass er von sich aus die Zivilstandsbeamtin sowie die beiden Trauzeugen qualifiziert und damit zumindest teilweise die allein dem Kantonsgericht zustehende Beweiswürdigung vorweggenommen habe.
C.
Gegen diesen Entscheid hat A.________ am 10. September 2015 eine Beschwerde erhoben, mit welcher sie dessen Aufhebung und die Abweisung des Ablehnungsgesuches beantragt. Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren (Art. 92 Abs. 1 BGG). Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg demjenigen der Hauptsache (BGE 137 III 380 E. 1.1. S. 382). Bei dieser geht es um ein Verfahren auf Eheungültigkeit, so dass streitwertunabhängig die Beschwerde in Zivilsachen gegeben ist.
2.
Vorab stellt sich die Frage, ob der Beschwerdegegner das Ablehnungsbegehren rechtzeitig gestellt hat.
2.1. Beide kantonalen Instanzen haben die Frage bejaht. Das Obergericht hat erwogen, dass dem Beschwerdegegner mit Verfügung vom 13. Juni 2014 die Frist zur Stellung von Anträgen gemäss Art. 187 Abs. 4 ZPO bis zum 18. August 2014 erstreckt worden sei. Während dieser Zeit von der Zustellung des Gutachtens bis zum 18. August 2014 sei das Verfahren nicht fortgesetzt worden, sondern das Kantonsgericht habe auf die Eingabe des Beschwerdegegners gewartet. Ferner habe dieser während der betreffenden Zeit keine Aussagen gemacht oder Handlungen vorgenommen, welche darauf hingedeutet hätten, dass er den Sachverständigen akzeptieren würde; vielmehr habe er mit dem Fristerstreckungsgesuch kundgetan, dass er mehr Zeit benötige. Auch wenn sich die gewährte Fristerstreckung nicht auf ein Ausstandsbegehren beziehen könne, sondern nur auf Anträge gemäss Art. 187 Abs. 4 ZPO, könne dem Beschwerdegegner nicht vorgeworfen werden, er habe sein Ausstandsgesuch verspätet geltend gemacht, sei doch das Verfahren in kein weiteres Prozessstadium überführt worden.
2.2. Die Beschwerdeführerin macht wie bereits vor Obergericht geltend, das Ablehnungsgesuch sei erst über zwei Monate nach Erhalt des Gutachtens und damit nicht "unverzüglich" im Sinn von Art. 49 Abs. 1 ZPO bzw. nicht innerhalb der zehntägigen Frist von Art. 51 Abs. 1 ZPO gestellt worden. Es gehe darum, eine ungebührliche Verfahrensverzögerung zu verhindern, und die Prozessparteien hätten nach Treu und Glauben zu handeln. Der Beschwerdegegner habe bereits mit der Zustellung des Gutachtens Kenntnis von den zu spät geltend gemachten Ablehnungsgründen gehabt und es sei nicht relevant, dass das Kantonsgericht den Prozess zwischenzeitlich nicht weitergeführt habe. Ebenso wenig könne entscheidend sein, dass der Beschwerdegegner den Sachverständigen in dieser Zeitspanne nicht akzeptiert habe; er habe sein Recht auf Ablehnung bereits durch sein passives Untätigbleiben verwirkt. Schliesslich sei auch die Fristerstreckung irrelevant, weil diese erst nach dreieinhalb Wochen und damit nach Verstreichen der Ablehnungsfrist gewährt worden sei; im Übrigen habe sich die Fristerstreckung nicht auf das Ausstandsbegehren bezogen.
2.3. Gemäss Art. 49 Abs. 1 ZPO hat eine Partei, die eine Gerichtsperson ablehnen will, dem Gericht unverzüglich ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis erhalten hat; Art. 51 Abs. 1 ZPO schreibt ferner vor, dass Amtshandlungen, an denen eine zum Ausstand verpflichtete Gerichtsperson mitgewirkt hat, aufzuheben und zu wiederholen sind, sofern dies eine Partei innert zehn Tagen verlangt, nachdem sie vom Ausstandsgrund Kenntnis erhalten hat.
Beide Normen knüpfen an die Kenntnis vom Ausstandsgrund. Vorliegend ergab sich der Anschein der Befangenheit nicht bereits aus der Person des Gutachters, weshalb das Vorbringen der Beschwerdeführerin, nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung beginne die Frist mit der Zustellung zu laufen, an der Sache vorbeigeht (der Ausstandsgrund wäre diesfalls sogar schon im Zusammenhang mit der Bezeichnung des Gutachters geltend zu machen gewesen). Vielmehr war Anlass für die Geltendmachung der Befangenheit eine persönliche Bemerkung des Gutachters gegen Schluss des Gutachtens. Der Anschein der Befangenheit ergab sich in dieser spezifischen Konstellation mithin erst aufgrund einer genaueren Lektüre des Gutachtens. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers hatte im Ablehnungsgesuch ausgeführt, aufgrund seiner Ferienabwesenheit sowie derjenigen des Beschwerdegegners habe man erst in der letzten Woche die Gelegenheit gehabt, das Gutachten eingehend zu prüfen. Wie es sich damit im Einzelnen verhält, betrifft die Sachverhaltsfeststellung. Jedenfalls ist aber im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, weshalb er bzw. der Beschwerdegegner bereits unmittelbar nach Erhalt des Gutachtens sich eingehend mit dessen Inhalt hätten beschäftigen müssen. Vielmehr durfte er für die Stellungnahme die laufende und schliesslich verlängerte Frist ausschöpfen und erst diese Stellungnahme erforderte ein genaueres Studium des Gutachtens.
Bereits vor diesem Hintergrund lässt sich halten, wenn das Obergericht - wie schon das Kantonsgericht - auf die Befangenheitsrüge eingetreten ist. Damit ist auf die Frage, ob auf ein trotz Kenntnis nicht unverzüglich eingereichtes Ablehnungsbegehren einzutreten wäre, wenn zwischenzeitlich keine gerichtlichen Schritte ergangen sind, nicht weiter einzugehen.
3.
In der Sache würde es darum gehen, ob aufgrund der persönlichen Bemerkungen des Gutachters ein Ausstandsgrund gegeben ist.
3.1. Im Unterschied zum erstinstanzlichen Gericht hat das Obergericht den objektiven Anschein der Befangenheit des Gutachters bejaht. Indes beschränkt die Beschwerdeführerin ihre Vorbringen auf die Frage der Rechtzeitigkeit des Ablehunungsgesuches. Einzig auf S. 19 ihrer Beschwerde kommt sie mit wenigen Worten auf den Anschein der Befangenheit zu sprechen, welcher nach ihrer Auffassung jedenfalls nicht klar zu bejahen wäre. Sie hält aber fest, dass sie in diesem Punkt keine Beschwerde führe.
3.2. Selbst wenn es sich anders verhalten sollte und die Frage der Befangenheit implizit dennoch angefochten sein sollte, so würden jedenfalls die wenigen und relativ vagen Worte auf S. 19 oben der Begründungspflicht, wie sie sich aus Art. 42 Abs. 2 BGG ergibt, nicht genügen: Das Obergericht hat sich auf den Ausstandsgrund von Art. 47 Abs. 1 lit. f i.V.m. Art. 183 Abs. 2 ZPO gestützt, welcher im Sinn einer Generalklausel einen Auffangtatbestand darstellt (RÜETSCHI, Berner Kommentar, N. 37 zu Art. 47 ZPO). Dabei genügt, dass bei objektiver Betrachtungsweise der Anschein von Befangenheit besteht; rein subjektive Eindrücke einer Verfahrenspartei genügen hingegen nicht (Botschaft zur ZPO, BBl 2006 7272; BGE 138 IV 142 E. 2.1 S. 144 f.; 138 I 1 E. 2.2 S. 3; 137 I 227 E. 2.1 S. 229; 136 III 605 E. 3.2.1 S. 608). Vorliegend ist die persönliche Stellungnahme des Gutachters zwar nicht in die eigentlichen Befunde integriert, sondern gewissermassen ein Anhängsel zu diesen. Sie ist aber wertend und könnte als eigentliche Parteinahme angesehen werden, zumal ein sachlicher Bezug zur gutachterlichen Fragestellung nicht ersichtlich ist. Die Sympathiekundgebung zugunsten der beklagten Verfahrenspartei könnte objektiv durchaus Zweifel erwecken, ob der Gutachter unvoreingenommen und neutral an die von ihm zu beantwortenden Fragen herangetreten ist oder ob er sich allenfalls von sachfremden Motiven hat beeinflussen lassen. Zumal dem Sachgericht bei der Beurteilung der Befangenheit ein gewisses Ermessen zukommt, müsste die Beschwerdeführerin vor dem geschilderten Hintergrund angesichts der Begründungspflicht von Art. 42 Abs. 2 BGG näher darlegen, inwiefern sich die obergerichtliche Auffassung nicht halten lassen und demzufolge als bundesrechtswidrig erweisen soll.
4.
Zusammengefasst ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind bei diesem Verfahrensausgang der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Gegenpartei ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, C.________ und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 9. Februar 2016
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: von Werdt
Der Gerichtsschreiber: Möckli