Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
{T 0/2}
5A_471/2015
Urteil vom 15. Oktober 2015
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Bovey,
Gerichtsschreiber Möckli.
Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Peter M. Conrad,
Beschwerdeführer,
gegen
1. B.B.________,
2. C.B.________,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Lukas Breunig,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Herausgabe (Vindikation),
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Aargau, Zivilgericht, 2. Kammer,
vom 29. April 2015.
Sachverhalt:
A.
Der Maler D.A.________ verstarb am xx.xx.2012. A.A.________ ist sein Sohn.
B.B.________ und C.B.________ waren langjährige Nachbarn von D.A.________. Insgesamt 65 Bilder von D.A.________ befinden sich in ihrem Besitz.
B.
Mit Vindikationsklage vom 10. Dezember 2013 beantragte A.A.________, B.B.________ und C.B.________ hätten ihm die 65 Bilder herauszugeben.
Mit Urteil vom 6. Januar 2015 verpflichtete das Bezirksgericht Laufenburg die Beklagten zur Herausgabe von 64 Bildern (mit Ausnahme des Bildes "E.________", welches es für bereits in den 90er Jahren gekauft erachtete).
In Gutheissung der Berufung von B.B.________ und C.B.________ wies das Obergericht des Kantons Aargau die Klage mit Urteil vom 29. April 2015 ab.
C.
Gegen das obergerichtliche Urteil erhob A.A.________ am 10. Juni 2015 eine Beschwerde. Am 1. Juli 2015 reichte das Obergericht seine Stellungnahme ein. Mit Beschwerdeantwort vom 10. August 2015 verlangten B.B.________ und C.B.________ die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzliches Urteil über eine Zivilsache mit einem Streitwert von rund Fr. 130'000.--. Die Beschwerde in Zivilsachen steht mithin offen (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG).
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). In diesem Bereich kann lediglich eine offensichtlich unrichtige, d.h. willkürliche Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung gerügt werden, wobei hierfür das strenge Rügeprinzip gilt; auf ungenügend substanziierte Rügen und rein appellatorische Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung bzw. Beweiswürdigung tritt das Bundesgericht nicht ein (Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445; 140 III 264 E. 2.3 S. 266).
2.
Das Obergericht hat festgehalten, es sei lediglich der Vindikationsanspruch gemäss Art. 641 Abs. 2 ZGB eingeklagt. Es sei gerade umstritten, woraus die Beschwerdegegner ihren Besitz herleiten würden, weshalb die Rechtsvermutung von Art. 930 Abs. 1 ZGB nicht greife. Vielmehr würden sie die volle Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der von ihnen behaupteten Handschenkung tragen. Im folgenden würdigte das Obergericht die betreffenden Umstände.
Im Rahmen seiner diesbezüglichen Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung hielt das Obergericht fest, gemäss Darstellung der Beschwerdegegner habe D.A.________ ihnen am 25. Oktober 2011 die Bilder über seine Familie geschenkt. Er habe sie vernichten wollen, da er mit seiner Familie aufgrund diverser Vorkommnisse keinen Kontakt mehr gewünscht habe. Sie hätten ihn davon abhalten können, worauf er ihnen die Bilder mit der Bemerkung übergeben habe, er wolle diese nicht mehr sehen. Dies stimme überein mit der Aussage der als Zeugin befragten Nachbarin F.________, wonach D.A.________ von konkreten Familien-Bildern gesprochen habe, welche er zerstören wolle; sie habe das speziell gefunden und ihm gesagt, dass er die Bilder unzerstört lassen solle. Gemäss den weiteren Ausführungen der Beschwerdegegner sei D.A.________ Anfang Dezember 2011 mit der Bitte an sie herangetreten, sich aus den im Haus befindlichen Bildern jene auszusuchen, welche sie behalten möchten. Auf diese Aufforderung hin hätten sie in seinem Beisein in zwei Etappen am 9. und 21. Dezember 2011 die Bilder ausgesucht. Das Obergericht hielt diese Ausführungen für schlüssig und nachvollziehbar. Die Beschwerdegegner hätten keinerlei Motiv für ein heimliches Beiseiteschaffen der Bilder gehabt. Sie hätten zu D.A.________ ein sehr gutes Verhältnis gehabt und dieser habe bis Ende 2011 mehrfach seinen Willen geäussert, ihnen die Bilder nach seinem Tod bzw. bei seinem Auszug aus dem Haus zu vermachen. Am 27. September 2011 habe er dies schriftlich festgehalten. Diesen Willen habe er auch gegenüber der Zeugin F.________ mehrmals geäussert; sodann habe er zu ihr zwischen Herbst und Ende 2011 auch einmal gesagt: "Jetzt haben sie die Bilder noch immer nicht mitgenommen." Auch der Zeuge G.________ habe bestätigt, dass D.A.________ zwei bis drei Mal gesagt habe, dass die Beschwerdegegner Bilder erhalten sollten. Sodann habe Notar H.________ bestätigt, dass D.A.________ bei der Besprechung des Testaments vom 11. November 2011 noch überzeugt gewesen sei, die Beschwerdegegner zu begünstigen; tatsächlich habe er ihnen im betreffenden Testament im Sinn eines Legates all seine Bilder vermacht, wovon sie auch Kenntnis gehabt hätten. So hätten sie am 28. Januar 2012 an Rechtsanwalt Dr. I.________, als dieser von ihnen im Namen des Beschwerdeführers die Bilder zurückgefordert habe, denn auch geantwortet, dass man die Eröffnung des Testamentes abwarten solle. Vor diesem Hintergrund liege die Annahme, dass sie sich die Bilder am 25. Oktober sowie 9. und 21. Dezember 2011 unrechtmässig, d.h. heimlich oder gegen den Willen von D.A.________ angeeignet hätten, ausserhalb einer vernünftigen Betrachtungsweise. Schliesslich spreche auch das Verhalten von D.A.________ für die behaupteten Handschenkungen: Er habe sich, als er noch in seinem Haus gewohnt habe, nie über das Abhandenkommen oder Fehlen von Bildern geäussert. In Anbetracht der erheblichen Anzahl von 64 Bildern, darunter auch grossformatige Exemplare, sei auszuschliessen, dass er den Abtransport oder das Fehlen nicht bemerkt haben könnte. Daran ändere nichts, dass er im Januar 2012 nach der Einlieferung ins Spital und Erstellung des zweiten Testaments vom 5. Januar 2012 kurz vor seinem Tod mit den Beschwerdegegnern telefoniert und in Rage geschrien haben soll: "Hast du diese Bilder rausgenommen?" Zum einen seien die näheren Umstände dieses Telefonats und insbesondere die Frage, um welche Bilder es gegangen sei, unklar geblieben; zum anderen könnte daraus nicht geschlossen werden, dass D.A.________ die Handschenkungen am 25. Oktober sowie 9. und 21. Dezember 2011 nicht gewollt oder mitbekommen habe, stünde dies doch im Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten bis zur Einlieferung ins Spital. Denkbar sei, dass er kurz vor seinem Tod die vorher vollzogenen Handschenkungen bereut habe, nachdem mit seinem Sohn ein versöhnliches Gespräch stattgefunden und er am 5. Januar 2012 ein neues Testament verfasst habe. Ohne massgebliche Bedeutung für den Beweis der Handschenkungen sei schliesslich, wie es sich mit dem geistigen Zustand von D.A.________ nach der Einlieferung ins Spital, insbesondere am 5. Januar 2012 verhalten und in welchem Umfang der Beschwerdeführer allenfalls Einfluss auf D.A.________ genommen habe, denn all diese Umstände hätten sich erst mehrere Wochen nach den Handschenkungen zugetragen und seien nicht geeignet, mehr als theoretische oder bloss sehr entfernte Zweifel an deren Vorliegen zu wecken.
3.
Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht eine Verletzung von Art. 152 und 157 ZPO vor. Worin genau die Verletzung von Bundesrecht bestehen soll, tut der Beschwerdeführer aber nicht dar.
Falsch ist die Behauptung des Beschwerdeführers, das Obergericht sei aufgrund von bundesgerichtlich frei überprüfbaren Erfahrungssätzen zum Schluss gekommen, die schenkungsweise Übergabe der Bilder sei der Wille von D.A.________ gewesen; vielmehr ist das Obergericht aufgrund einer Würdigung von Beweisen (Aussagen der Beschwerdegegner; Aussagen der Zeugin F.________ sowie der Zeugen G.________ und H.________; Legat im Testament vom 11. November 2011; keine Bemerkungen des Erblassers über ein Abhandenkommen, solange er im Haus lebte) zum Schluss gekommen, die Beschwerdegegner hätten den ihnen obliegenden Beweis für die tatsächlichen Voraussetzungen einer Handschenkung erbracht.
Was der Erblasser schliesslich am 5. Januar 2012 testierte sowie die tatsächlichen Schlüsse in Bezug auf seinen früheren Schenkungswillen betreffen ebenfalls die Beweiswürdigung und nicht die Normen von Art. 152 und 157 ZPO als solche. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, er habe bei der Besprechung bei Notar I.________ am 5. Januar 2012 in Anwesenheit von D.A.________ thematisiert, dass bereits Bilder weggekommen seien und man diese nun zurückholen müsse, und D.A.________ habe dieser Darstellung nicht widersprochen bzw. nicht gesagt, dass er die Bilder den Beschwerdegegnern geschenkt habe, begründen keine angebliche Verletzung von Bundesrecht. Vielmehr geht es dabei um die Frage, ob aus diesen Ausführungen tatsächliche Schlüsse in Bezug auf den seinerzeitigen Schenkungswillen von D.A.________ gezogen werden können. Dazu hat das Obergericht Stellung bezogen und diesbezüglich wäre eine willkürliche Beweiswürdigung zu rügen. Gleiches gilt für die Ausführungen der Beschwerdegegner in der Beschwerdeantwort, wonach D.A.________ gemäss Zeugin F.________ am Morgen des 5. Januar 2012 zusammengebrochen und dann aufgrund einer notfallmässigen Einweisung durch den Hausarzt hospitalisiert worden sei, so dass er an diesem Tag sicher nicht in der Lage gewesen sei, dem Druck des Beschwerdeführers, ein Testament zu seinen Gunsten zu verfassen, oder dessen Behauptung, es seien unrechtmässig Bilder abhanden gekommen, Widerstand zu leisten. Ebenso wenig betrifft die weitere Behauptung des Beschwerdeführers, wenn D.A.________ die Bilder vorher hätte schenken wollen, hätte ein Testament am 5. Januar 2012 gar keinen Sinn gemacht, nicht die Auslegung von Art. 152 oder 157 ZPO. Im Übrigen hat das Obergericht auch diesbezüglich Stellung genommen, nämlich dahingehend, dass spätere testamentarische Anordnungen nicht auf die frühere Vornahme oder Nichtvornahme von Schenkungen zurückschliessen lassen und vollzogene Schenkungen im Fall eines späteren Bereuens auch nicht rückgängig machen könnten. Ebenso wenig steht es in einem Zusammenhang mit Art. 152 oder 157 ZPO, sondern vielmehr in demjenigen der Beweiswürdigung, aus welchen Gründen und wie stark das Obergericht jeweils auf die einzelnen Zeugenaussagen abgestellt hat; auch dies hat es im Übrigen detailliert begründet.
Die Schlussfolgerung des Beschwerdeführers, es bestünden ernsthafte Zweifel an einer Handschenkung, betrifft ebenfalls die Beweiswürdigung und nicht die Auslegung von Bundesrecht. Weder tut der Beschwerdeführer dar, dass angebotene Beweismittel verweigert worden wären (so dass eine Verletzung von Art. 152 ZPO zu diskutieren wäre) noch dass sich das Obergericht unzulässige Beweisrestriktionen auferlegt hätte oder von einem falschen Beweismass ausgegangen wäre (so dass Art. 157 ZPO verletzt sein könnte).
4.
Ab S. 13 der Beschwerde wird eine willkürliche Beweiswürdigung gerügt. Dabei beschränkt sich der Beschwerdeführer auf eine Wiederholung seiner Behauptung, die Beschwerdegegner hätten den Beweis für die behauptete Handschenkung nicht erbracht und das Obergericht habe auf den mutmasslichen Willen des Erblassers sowie auf die allgemeine Lebenserfahrung abgestellt. Zutreffend ist aber, dass das Obergericht ausschliesslich Parteiaussagen, Zeugenaussagen, Dokumente und das Verhalten von D.A.________ (übrigens nicht in seiner Funktion als Erblasser) gewürdigt hat. Inwiefern es dabei in Willkür verfallen sein soll, tut der Beschwerdeführer nicht dar; die mehrmalige Wiederholung, die Beschwerdegegner hätten angesichts erheblicher Zweifel betreffend den Willen von D.A.________ den ihnen obliegenden Beweis nicht erbracht, ist nicht geeignet, eine willkürliche Beweiswürdigung durch das Obergericht zu substanziieren. Der Beschwerdeführer müsste hierfür vielmehr im konkreten Kontext dartun, dass und inwiefern das Obergericht auf grundlegend falsche Beweismittel abgestellt oder diese inhaltlich in schlechterdings nicht vertretbarer Weise gewürdigt hätte.
5.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann. Der Beschwerdeführer wird somit kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 6'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 8'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 15. Oktober 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: von Werdt
Der Gerichtsschreiber: Möckli