BGer 1C_612/2014
 
BGer 1C_612/2014 vom 26.08.2015
{T 0/2}
1C_612/2014
 
Urteil vom 26. August 2015
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen, Chaix, Kneubühler,
Gerichtsschreiberin Gerber.
 
Verfahrensbeteiligte
1. A.A.________,
2. B.A.________,
3. C.A.________,
4. D.A.________,
gegen
Einwohnergemeinderat Sarnen,
Regierungsrat des Kantons Obwalden,
vertreten durch das Bau- und Raumentwicklungsdepartement (BRD) des Kantons Obwalden.
Gegenstand
Revision Ortsplanung Einwohnergemeinde Sarnen,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Obwalden
vom 5. November 2014.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.
 
C.
 
D.
 
E.
 
F.
 
G.
 
Erwägungen:
 
1.
 
2.
2.1. Art. 38a RPG enthält die Übergangsbestimmungen zur RPG-Revision vom 15. Juni 2012. Danach müssen die Kantone innert fünf Jahren nach Inkrafttreten der Änderung (am 1. Mai 2014) ihre Richtpläne an die Anforderungen von Art. 8 und 8a Absatz 1 RPG anpassen (Abs. 1) und den angemessenen Ausgleich für erhebliche Vor- und Nachteile nach den Anforderungen von Artikel 5 RPG regeln (Abs. 4). Bis zur Genehmigung der Richtplananpassung durch den Bundesrat darf im betreffenden Kanton die Fläche der rechtskräftig ausgeschiedenen Bauzonen insgesamt nicht vergrössert werden (Abs. 2; sogenanntes Einzonungsmoratorium). Nach Ablauf der Frist von Absatz 1 ist die Ausscheidung neuer Bauzonen unzulässig, solange der betreffende Kanton nicht über eine vom Bundesrat genehmigte Richtplananpassung (Abs. 3) und einen angemessenen Ausgleich für erhebliche Vor- und Nachteile nach den Anforderungen von Artikel 5 RPG (Abs. 5) verfügt.
Art. 52a Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 2. April 2014
2 Während der Übergangsfrist nach Artikel 38a Absatz 2 RPG dürfen Einzonungen nur genehmigt werden, wenn:
a. im Kanton seit dem Inkrafttreten dieser Bestimmung mindestens die gleiche Fläche ausgezont wurde oder dies mit dem gleichen Entscheid erfolgt;
b. Zonen für öffentliche Nutzungen geschaffen werden, in denen der Kanton sehr wichtige und dringende Infrastrukturen plant; oder
c. andere Zonen von kantonaler Bedeutung geschaffen werden, die dringend notwendig sind, und bei der Genehmigung nach Artikel 26 RPG die Fläche festgelegt und planungsrechtlich gesichert ist, die rückgezont werden muss; die Pflicht zur Rückzonung fällt dahin, wenn diese sich aufgrund des genehmigten Richtplans erübrigt.
2.2. Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass Art. 38a Abs. 1 RPG seit dem 1. Mai 2014 anwendbar und deshalb grundsätzlich auf die am 14. Mai 2014 eingereichte Beschwerde anwendbar sei. Eine Ausnahme gelte nur unter den in Art. 52a Abs. 1 RPV umschriebenen Voraussetzungen. Danach sei erforderlich, dass im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung, d.h. am 1. Mai 2014, eine Beschwerde gegen den Genehmigungsentscheid rechtshängig gewesen sei. Vorliegend sei die Beschwerde erst am 14. Mai 2014 eingereicht worden, d.h. sie sei im Zeitpunkt des Inkrafttretens der RPG-Revision am 1. Mai 2014 noch nicht rechtshängig gewesen (BGE 140 II 298 E. 5.4 S. 302). Dies führe dazu, dass die Ausnahme von Art. 52a Abs. 1 RPV nicht greife und Art. 38a Abs. 2 RPG i.V.m. Art. 52a Abs. 2 RPV anwendbar sei. Deren Voraussetzungen seien nicht erfüllt: Im Kanton Obwalden seien seit dem 1. Mai 2014 keine Flächen ausgezont worden; die streitige Einzonung schaffe auch weder eine Zone für öffentliche Nutzungen noch von kantonaler Bedeutung i.S.v. Art. 52a Abs. 2 lit. b und c, sondern diene privaten Interessen.
2.3. Die Beschwerdeführer wenden dagegen ein, weder aus dem Wortlaut von Art. 52a Abs. 1 RPV noch aus dem Erläuternden Bericht des ARE zur Teilrevision der Raumplanungsverordnung vom 2. April 2014 (im Folgenden: Erläuternder Bericht) lasse sich entnehmen, dass die Beschwerde gegen den Genehmigungsentscheid vor dem 1. Mai 2014 eingereicht werden müsse. Entscheidend sei vielmehr, dass der Genehmigungsentscheid vor diesem Datum ergangen und anschliessend, innerhalb der gesetzlichen Frist, angefochten worden sei. Dies sei vorliegend der Fall. Die Interpretation des Verwaltungsgerichts würde zu einer unzulässigen Verkürzung der gesetzlichen Rechtsmittelfrist und zu einer stossenden Ungleichbehandlung führen: Der Entscheid des Regierungsrats sei den Beschwerdeführern erst am 14. April 2014 zugestellt worden, d.h. sie hätten innert sechzehn Tagen (statt der gesetzlichen Beschwerdefrist von dreissig Tagen) Beschwerde erheben müssen, um in den Genuss von Art. 52a Abs. 1 RPV zu gelangen. Stelle man auf das Datum der Publikation der revidierten RPV in der Amtlichen Sammlung vom 23. April 2014 ab, wären sogar nur noch acht Tage bis zum 1. Mai 2014 verblieben.
2.4. Tatsächlich erscheint es nicht sachgerecht, nach dem Datum der Beschwerdeerhebung zu differenzieren. Art. 52a RPV will die besondere übergangsrechtliche Konstellation der Rechtsänderung zwischen Genehmigungs- und Beschwerdeentscheid regeln, wenn in einem Beschwerdeentscheid nach dem 1. Mai 2014 ein Genehmigungsentscheid beurteilt wird, der noch vor diesem Stichtag nach altem Recht ergangen ist. Diese Situation besteht auch dann, wenn die Beschwerde - wie hier - erst kurz nach Inkrafttreten des neuen Rechts erhoben worden ist.
2.5. Art. 52a Abs. 1 RPV setzt eine Beschwerde gegen den kantonalen Entscheid "über die Genehmigung einer Einzonung" voraus. Im Erläuternden Bericht (S. 28) wird ausgeführt, es gehe um die Auswirkungen von Art. 38a Abs. 2 RPG auf Einzonungen, in denen die Genehmigung durch die kantonale Behörde beim Inkrafttreten der Revision am 1. Mai 2014 bereits erfolgt sei, gegen diesen Entscheid aber noch ein Beschwerdeverfahren hängig sei. Eine solche Einzonung unterliege nur dann den Voraussetzungen von Artikel 38a Absatz 2 RPG und damit von Artikel 52a Absatz 2 RPV, wenn der Genehmigungsentscheid ganz oder teilweise korrigiert werden müsse oder das Verfahren aus anderen Gründen zu neuem Entscheid an die Genehmigungsbehörde zurückgewiesen werde.
2.6. Art. 52a Abs. 1 RPV ist als Ausnahme zu Art. 38a Abs. 2 RPG konzipiert ("ist Art. 38a Abs. 2 RPG ... nicht anwendbar, wenn..."); der Verordnungsgeber ging davon aus, dass in allen anderen Fällen die Kompensationspflicht greift. Dies entspricht den gesetzgeberischen Intentionen:
2.7. Es ist unstreitig, dass eine Kompensation nach Art. 52 Abs. 2 lit. a RPV nicht erfolgt ist. Lit. b und c dieser Bestimmung kommen schon deshalb nicht zur Anwendung, weil es sich um eine im privaten Interesse erfolgende Einzonung handeln würde.
 
3.
3.1. Zwar ist die streitige Teilfläche der Parzelle Nr. 225 schon heute baulich genutzt und erschlossen; die einzuzonende Teilfläche befindet sich jedoch zu 80 % im übergangsrechtlichen Gewässerraum gemäss Ziff. 2 lit. b ÜbBst. GSchV (SR 814.201) und vollständig in der blauen Gefahrenzone gemäss Gefahrenzonenkarte (GfZ II gemäss § 32 des Bau- und Zonenreglements der Gemeinde Sarnen vom 25. November 2012 [BNO]). Die bestehenden Bauten geniessen Bestandesschutz, auch soweit sie innerhalb des Gewässerraums liegen (Art. 41c Abs. 2 GSchV), unabhängig davon, ob sie einer Bau- oder einer Nichtbauzone zugewiesen sind. Dagegen ist eine weitere Überbauung der Teilfläche in einer hochwassergefährdeten Zone unerwünscht und im Gewässerraum unzulässig (Art. 41c Abs. 1 GSchV), was grundsätzlich gegen die begehrte Einzonung spricht.
3.2. Ein Anspruch auf Einzonung ergibt sich weder aus der bereits vorhandenen Überbauung noch aus der bisherigen Zuweisung zur Reserve- und Pufferzone bzw. zum Übrigen Gebiet, da es sich dabei unstreitig um Nichtbauzonen handelt. Es ist auch nicht ersichtlich, welche gewichtigen und nicht wieder rückgängig zu machenden Dispositionen die Beschwerdeführer im Vertrauen auf diese Zonenzuweisung getroffen hätten, datieren doch die bestehenden Bauten noch aus der Zeit vor der Auszonung der Parzelle Nr. 225.
3.3. Die Zuweisung der bereits überbauten Teilfläche zur Landwirtschaftszone kann auch nicht als rechtswidrig und sachfremd erachtet werden. Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass sich die fast 10'000 m2 grosse Parzelle Nr. 225 im nicht überbauten Teil für die (im Gewässerraum nach Art. 41c Abs. 4 GSchV gebotene extensive) landwirtschaftliche Bewirtschaftung eignet. Die Gemeinde ist nicht verpflichtet, besondere Nichtbauzonen für kleine überbaute Teilflächen solcher Parzellen zu schaffen.
3.4. Soweit sich die Beschwerdeführer auf andere vom Regierungsrat genehmigte Einzonungen im Gewässerraum bzw. in einer Gefahrenzone berufen, vermögen sie keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung aufzuzeigen. Wie das Verwaltungsgericht dargelegt hat, unterscheiden sich die Fälle in verschiedener Hinsicht; insbesondere handelt es sich beim Gebiet Zopf um eine Umzonung und nicht um eine Einzonung.
 
4.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.
3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
4. Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Einwohnergemeinderat Sarnen, dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden sowie dem Bundesamt für Raumentwicklung schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 26. August 2015
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Die Gerichtsschreiberin: Gerber