BGer 2C_1095/2014
 
BGer 2C_1095/2014 vom 17.07.2015
{T 0/2}
2C_1095/2014
 
Urteil vom 17. Juli 2015
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Stadelmann,
Gerichtsschreiberin Petry.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Guido Hensch,
gegen
Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau.
Gegenstand
Erlöschen der Niederlassungsbewilligung,
Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungs-
gerichts des Kantons Aargau, 2. Kammer,
vom 24. Oktober 2014.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.
 
C.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts, der grundsätzlich der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unterliegt (vgl. Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG).
1.2. Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide ausgeschlossen, welche Bewilligungen betreffen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Für das Eintreten genügt, wenn die betroffene Person in vertretbarer Weise dartut, dass potenziell ein solcher Anspruch besteht (BGE 136 II 177 E. 1.1 S. 179 f., 497 E. 3.3 S. 500 f.). Zur Begründung seines Anspruchs beruft sich der Beschwerdeführer in erster Linie auf die Beziehung zu seinen hier anwesenheitsberechtigten Kindern und macht einen Aufenthaltsanspruch nach Art. 8 EMRK geltend. Dies reicht für das Eintreten aus. Ob die Bewilligungsvoraussetzungen tatsächlich gegeben sind, bildet praxisgemäss Gegenstand der materiellen Beurteilung (BGE 139 I 330 E. 1.1 S. 332; 136 II 177 E. 1.1 S. 179 f.; Urteil 2C_375/2014 vom 4. Februar 2015 E. 1.1 mit Hinweisen).
1.3. Soweit der Beschwerdeführer eine unrichtige Anwendung von Art. 30 AuG (SR 142.20) durch die kantonalen Behörden beanstandet, ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ausgeschlossen (vgl. Art. 83 lit. c Ziff. 5 BGG; in BGE 140 II 289 nicht publizierte E. 1.2 des Urteils 2C_873/2013 vom 25. März 2014).
1.4. Dasselbe gilt bezüglich der Wegweisung. Diese kann nur mit der subsidiären Verfassungsbeschwerde angefochten werden (vgl. Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG), soweit sich die betroffene ausländische Person auf besondere verfassungsmässige Rechte beruft, welche ihr unmittelbar ein rechtlich geschütztes Interesse im Sinne von Art. 115 lit. b BGG verschaffen (bspw. Art. 3 EMRK; vgl. BGE 137 II 305 E. 3.3 S. 310). Da sich der Beschwerdeführer auf kein solches Recht beruft, kann auf seine Vorbringen nicht eingetreten werden.
 
2.
2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 139 II 404 E. 3 S. 415). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 I 229 E. 2.2 S. 232; 136 II 304 E. 2.5 S. 314).
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2 S. 117). Die beschwerdeführende Partei kann die Feststellung des Sachverhalts unter den gleichen Voraussetzungen beanstanden, wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine entsprechende Rüge ist rechtsgenüglich substanziiert vorzubringen (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 136 II 304 E. 2.5 S. 314 mit Hinweisen).
 
3.
3.1. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, seine Beweisanträge hinsichtlich seiner Integration in der Schweiz bzw. dem Verhältnis zu seinen hier lebenden Kindern seien unberücksichtigt geblieben, rügt er sinngemäss eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV).
Das Verwaltungsgericht hat sich bei der Beurteilung der Situation des Beschwerdeführers gebührend mit den Akten auseinandergesetzt und sämtliche wesentlichen Umstände berücksichtigt. Die der Vorinstanz vorliegenden Informationen zur Integration des Beschwerdeführers bzw. zu seinem Verhältnis zu seinen Kindern sind umfassend genug und geeignet, um ihre Feststellungen zu untermauern. Daher durfte sie in willkürfreier antizipierter Beweiswürdigung auf die Abnahme weiterer Beweise verzichten. Zudem legt der Beschwerdeführer in keiner Weise dar, welche neuen entscheidrelevanten Erkenntnisse durch die von ihm im kantonalen Verfahren verlangten Beweiserhebungen hätten gewonnen werden können. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs erweist sich damit als unbegründet.
3.2. Der Beschwerdeführer rügt sinngemäss eine unrichtige bzw. unvollständige Sachverhaltsfestellung (Art. 97 BGG). Die Vorinstanz habe den Sachverhalt um seine Lebensverhältnisse, insbesondere seine Beziehung zu seinen hier lebenden Kindern, nicht ausreichend erstellt. Zudem sei sie zu Unrecht davon ausgegangen, er sei über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren landesabwesend gewesen.
 
4.
4.1. Art. 49 AuG betrifft Ausnahmen vom Erfordernis des Zusammenwohnens, welches in den Artikeln 42-44 AuG verankert ist. Diese Bestimmung setzt voraus, dass eine Ehegemeinschaft mit einem Schweizer Bürger, einer Person mit Niederlassungsbewilligung oder einer Person mit Aufenthaltsbewilligung besteht (vgl. Art. 42 bis 44 AuG). Dies ist hier offensichtlich nicht der Fall, war doch der Beschwerdeführer bereits zum Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils rechtskräftig von seiner Ehefrau geschieden. Aus dieser Bestimmung kann er somit nichts zu seinen Gunsten ableiten.
4.2. Gemäss Art. 50 AuG besteht nach Auflösung der Ehe oder der Familiengemeinschaft der Anspruch des Ehegatten auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach den Artikeln 42 und 43 AuG weiter, wenn die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre gedauert hat und eine erfolgreiche Integration besteht (Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG) oder wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG).
4.3. Zu prüfen ist schliesslich, inwiefern der Beschwerdeführer mit Blick auf sein Verhältnis zu seinen hier lebenden anwesenheitsberechtigten minderjährigen Kindern aus Art. 8 EMRK (bzw. Art. 13 BV) einen Anspruch auf Neuerteilung einer Aufenthaltsbewilligung ableiten kann.
4.3.1. Es kann das in Art. 8 EMRK (bzw. Art. 13 BV) geschützte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzen, wenn einem Ausländer, dessen Familienangehörige hier weilen, die Anwesenheit untersagt und damit das Familienleben vereitelt wird (BGE 135 I 143 E. 1.3.1 S. 145, 153 E. 2.1 S. 154 f.). Es ergibt sich daraus jedoch weder ein Recht auf Einreise oder Aufenthalt in einem bestimmten Staat noch auf Wahl des für das Familienleben am geeignetsten erscheinenden Ortes. Das in Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Achtung des Familienlebens kann nur angerufen werden, wenn eine staatliche Entfernungs- oder Fernhaltemassnahme zur Trennung von Familienmitgliedern führt. Selbst dann gilt der Anspruch jedoch nicht absolut. Vielmehr ist nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK ein Eingriff in das durch Ziff. 1 geschützte Rechtsgut statthaft, soweit er eine Massnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesellschaft und Moral sowie der Rechte und Pflichten anderer notwendig erscheint.
4.3.2. Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz, die der Beschwerdeführer nicht erfolgreich in Zweifel zu ziehen vermag, hat er im August 2010 seinen Lebensmittelpunkt nach Serbien verlegt und sich bis 2013 nur noch sporadisch in der Schweiz aufgehalten. Seine fünf aus der Ehe stammenden Kinder und zwei seiner vier in der Schweiz lebenden ausserehelichen Kinder liess er hier zurück. Dem Ehescheidungsurteil des Bezirksgerichts Baden vom 20. November 2013 lässt sich entnehmen, dass die vier minderjährigen ehelichen Kinder des Beschwerdeführers unter der Obhut der in der Schweiz lebenden Mutter stehen. Der Beschwerdeführer ist berechtigt, die Kinder jeweils am 1. und 3. Samstag eines jeden Monats mit sich auf Besuch zu nehmen sowie zwei Wochen Ferien pro Jahr mit ihnen zu verbringen. Zudem wird der Beschwerdeführer verpflichtet, sowohl seiner geschiedenen Ehefrau als auch seinen vier minderjährigen Kindern je einen Unterhaltsbeitrag von monatlich Fr. 200.-- zu leisten. Hinsichtlich der weiteren in der Schweiz lebenden Kinder, welche aus der ausserehelichen Beziehung stammen, ist laut Verwaltungsgericht keine Sorgerechtsregelung aktenkundig. Der Beschwerdeführer macht vor Bundesgericht nicht geltend, zu letzteren einen regelmässigen Kontakt zu pflegen.
4.3.3. Wie die Vorinstanz zudem zutreffend ausführt, hat der Beschwerdeführer bereits seit seiner Ausreise im Jahr 2010 den Kontakt zu seinen in der Schweiz lebenden Kindern im Rahmen von Besuchsaufenthalten gepflegt. Ihm ist daher zuzumuten, dies weiterhin zu tun, wobei allenfalls die Modalitäten des Besuchsrechts geeignet aus- bzw. umzugestalten sind. Die Vorinstanz hat somit zu Recht einen Aufenthaltsanspruch gestützt auf den Schutz des Familienlebens verneint.
4.4. Soweit der Beschwerdeführer aus seiner langjährigen Anwesenheit einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abzuleiten versucht, dringt er nicht durch. Unter besonderen Umständen kann sich aus dem in Art. 8 Abs. 1 EMRK verankerten Anspruch auf Schutz des Privatlebens ein Recht auf Verbleib im Land ergeben (Urteil 2C_838/2013 vom 23. September 2013 E. 2.2.3; vgl. auch Urteile des EGMR Der Beschwerdeführer kam 1994 im Alter von 17 Jahren in die Schweiz, wo er dann rund 16 Jahre gelebt hat. Eine überdurchschnittliche Integration ist jedoch nicht erkennbar. Zwar ging er bis zu seiner Ausreise verschiedenen Erwerbstätigkeiten nach; von einer beruflichen Verankerung kann jedoch nicht gesprochen werden. Zudem war es ihm trotz Erwerbstätigkeit nicht möglich, den Lebensunterhalt seiner Familie zu bestreiten, weshalb diese von der Sozialhilfe unterstützt werden musste. Welche sonstigen engen sozialen Beziehungen der Beschwerdeführer konkret zur Schweiz geknüpft haben soll, ist nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer hat im Gegenteil die Schweiz im Jahr 2010 freiwillig verlassen, um in sein Heimatland zurückzukehren, wo auch zwei seiner elf Kinder leben. Wie die Vorinstanz zu Recht ausführt, ist der Beschwerdeführer mit den dortigen sprachlichen und kulturellen Verhältnissen nach wie vor bestens vertraut und wäre bei einer erneuten Rückkehr nicht mit Integrationsschwierigkeiten konfrontiert.
 
5.
5.1. Nach dem Gesagten verletzt der angefochtene Entscheid weder Bundes- noch Konventionsrecht. Folglich ist die Beschwerde unbegründet und abzuweisen.
5.2. Da der angefochtene Entscheid der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung entspricht und somit die Gewinnaussichten der Prozessbegehren von Anfang an beträchtlich geringer waren als die Verlustgefahren, erweist sich die Beschwerde als aussichtslos, so dass das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung abzuweisen ist (Art. 64 Abs. 1 BGG; BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 f.; Urteil 2C_856/2012 vom 25. März 2013 E. 7.1). Dem Verfahrensausgang entsprechend wird der unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig. Angesichts der besonderen Umstände werden ihm reduzierte Gerichtskosten (Fr. 1'000.--) auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 1-3 BGG).
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 17. Juli 2015
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Zünd
Die Gerichtsschreiberin: Petry