BGer 2C_456/2014
 
BGer 2C_456/2014 vom 04.06.2015
{T 0/2}
2C_456/2014
 
Urteil vom 4. Juni 2015
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Stadelmann,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.
 
Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Guido Ehrler,
gegen
Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern,
Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern.
Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung,
Beschwerde gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 9. April 2014.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.
 
C.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide ausgeschlossen, welche Bewilligungen betreffen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumen (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Für das Eintreten genügt, wenn der Betroffene in vertretbarer Weise dartut, dass potenziell ein Anspruch auf die Bewilligung besteht; ob die jeweiligen Voraussetzungen tatsächlich gegeben sind, bildet Gegenstand der materiellen Beurteilung (BGE 136 II 177 E. 1.1 S. 179 f., 497 E. 3.3 S. 500 f.). Der Beschwerdeführer hatte bereits vor der Vorinstanz Ansprüche aus Art. 50 AuG (SR 142.20) geltend gemacht, welche von dieser im Grundsatz anerkannt worden sind. Streitfrage vor dem Bundesgericht ist das Erlöschen dieser Ansprüche (vgl. Art. 51 Abs. 2 lit. b in Verbindung mit Art. 62 lit. e AuG). Die Beschwerde ist damit zulässig und der Beschwerdeführer hierzu legitimiert (Art. 89 lit. a BGG); auf das Rechtsmittel ist einzutreten.
1.2. Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und 96 BGG geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem Urteil die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Mit einer Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten können diese nur dann gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.2.2 S. 252; 133 III 393 E. 7.1 S. 398) oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen. Zudem ist vom Beschwerdeführer aufzuzeigen, dass die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig ist eine Sachverhaltsfeststellung namentlich dann, wenn die Vorinstanz erhebliche Beweise übersieht oder solche willkürlich ausser Acht lässt (BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; Urteil 2C_630/2014 vom 24. Oktober 2014 E. 3.2).
 
2.
2.1. Im Umstand, dass die Vorinstanz entgegen einem ausdrücklichen Antrag die Akten der Invalidenversicherung nicht beigezogen hat, liegt weder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) noch eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung: Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass die Eidgenössische Invalidenversicherung (IV) sein Leistungsbegehren abgewiesen hat und die Veweigerung dieser Leistungen vom kantonalen Versicherungsgericht geschützt worden ist (vgl. Rz. 8 der Beschwerdeschrift); die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ist ihm daher zuzumuten. Ob diese zumutbare Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vollzeitstelle mit reduziertem Verdienst oder in einer Teilzeitstelle auszuüben wäre, ist nicht ausschlaggebend.
2.2. Die Rüge, wonach die Vorinstanz (einzig) aus einer nicht unterzeichneten Aktennotiz des Migrationsdienstes abgeleitet habe, die Integration des Beschwerdeführers in Serbien sei möglich und zumutbar (Rz. 18 der Beschwerdeschrift), ist sodann unbegründet. Dass eine Aktennotiz der zuständigen Verwaltungsbehörde nicht unterzeichnet ist, begründet für sich allein noch keine willkürliche Sachverhaltsfeststellung. Ausserdem ergibt sich aus dem angefochtenen Entscheid (E. 4), dass die Vorinstanz alle wesentlichen Umstände, die den Beschwerdeführer in der Heimat erwarten (u.a. dort lebende nahe Familienangehörige, gesicherte BVG-Rentenauszahlung) berücksichtigt hat (vgl. hinten E. 3.4).
2.3. Auch der Vorwurf, die Vorinstanz habe willkürlich festgestellt, der in Serbien lebende Sohn sei in der Lage, für seinen Vater zu sorgen, ist unbegründet. Die vom Verwaltungsgericht als zumutbar erachtete Wohnsitznahme bei Familienangehörigen bedeutet nicht, dass die Vorinstanz von einer möglichen finanziellen Unterstützung des Sohnes an den Vater ausgegangen wäre.
 
3.
3.1. Ausländische Ehegatten von Personen mit Niederlassungsbewilligung haben Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammenwohnen (Art. 43 Abs. 1 AuG). Gemäss Art. 50 Abs. 1 AuG besteht nach Auflösung der Ehe oder der Familiengemeinschaft der Anspruch des Ehegatten auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach den Artikeln 42 und 43 weiter, wenn die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre bestanden hat und eine erfolgreiche Integration besteht (lit. a) oder wenn wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (lit. b), so genannter "nachehelicher Härtefall" (vgl. dazu BGE 137 II 345).
3.2. Beim Widerruf bzw. der Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung eines Ausländers wegen Bedürftigkeit geht es in erster Linie darum, eine zusätzliche und damit künftige Belastung der öffentlichen Wohlfahrt zu vermeiden. Ob dies der Fall sein wird, ist allerdings kaum je mit Sicherheit feststellbar. Es muss daher auf die wahrscheinliche finanzielle Entwicklung beim Ausländer abgestellt werden. Nach der Rechtsprechung ist für die Bejahung dieses Widerrufsgrundes eine konkrete Gefahr der Sozialhilfeabhängigkeit erforderlich und es kann dafür nicht auf Hypothesen und pauschalierte Gründe abgestellt werden (vgl. Urteile 2C_42/2011 vom 23. August 2012 E. 5.4; 2C_685/2010 vom 30. Mai 2011 E. 2.3.1 und E. 2.3.2). Neben den bisherigen und den aktuellen Verhältnissen ist auch die wahrscheinliche finanzielle Entwicklung auf längere Sicht abzuwägen. Ein Widerruf soll in Betracht kommen, wenn eine Person hohe finanzielle Unterstützungsleistungen erhalten hat und nicht damit gerechnet werden kann, dass sie in Zukunft für ihren Lebensunterhalt sorgen wird (BGE 122 II 1 E. 3c S. 8; Urteil 2C_780/2013 vom 2. Mai 2014 E. 3.3.1).
3.3. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz beliefen sich die Unterstützungsleistungen an den Beschwerdeführer allein bis im Mai 2013 (Entscheid der Polizei- und Militärdirektion) auf über Fr. 138'000.-- . Die Erheblichkeitsschwelle, welche das Bundesgericht mit seiner Rechtsprechung zu Art. 63 Abs. 1 lit. c AuG entwickelt hat (vgl. Urteile 2C_502/2011 vom 10. April 2012 E. 4.1; 2C_79/2011 vom 8. Dezember 2011 E. 3.3; 2C_672/2008 vom 9. April 2009 E. 3.3) und die umso mehr im Rahmen von Art. 62 lit. e AuG beachtlich ist (Urteil 2C_1228/2012 vom 20. Juni 2013 E. 5.2), wird klarerweise erreicht, wobei - anders als der Beschwerdeführer anzunehmen scheint (vgl. Rz. 35 der Beschwerdeschrift) - vergangene und künftige Bezüge gesamthaft betrachtet werden müssen und nicht allein auf die zu erwartenden rund Fr. 56'000.-- der nächsten drei Jahre abgestellt werden kann.
3.4. Die Vorinstanz hat hiezu erwogen, der Beschwerdeführer arbeite zwar motiviert im Beschäftigungsprogramm mit. Trotzdem sei den bereits länger dauernden Integrationsmassnahmen kein Erfolg beschieden gewesen, obschon dem Beschwerdeführer eine angepasste Teilzeitarbeit zugemutet werden könne. Deshalb sei er für die fortgesetzte Sozialhilfeabhängigkeit zumindest teilweise verantwortlich. Andererseits lebe der Beschwerdeführer erst seit dem 45. Lebensjahr ununterbrochen in der Schweiz und habe damit den weitaus grössten Teil seines Lebens in der Heimat verbracht, mit deren Sprache und Kultur er nach wie vor vertraut sei. Ausserdem lebten nahe Familienangehörige dort und die BVG-Rente von monatlich Fr. 606.-- werde ihm auch nach Serbien überwiesen. Sein Lebensunterhalt sei durch die Witwerrente daher gesichert und er befinde sich auch nicht in einer medizinischen Notlage, weshalb die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung verhältnismässig erscheine.
 
4.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 4. Juni 2015
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Zünd
Der Gerichtsschreiber: Klopfenstein