Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
8C_116/2015 {T 0/2}
Urteil vom 5. Mai 2015
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Frésard, Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Durizzo.
Verfahrensbeteiligte
Visana Versicherungen AG,
Weltpoststrasse 19/21, 3000 Bern 15,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Christian Haag,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Unfallversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern vom 6. Januar 2015.
Sachverhalt:
A.
A.________, geboren 1985, studierte Medizin und absolvierte im Studienjahr 2005/2006 ein Einzeltutoriat bei Dr. med. B.________, Allgemeine Innere Medizin FMH. Am 5. April 2006 stürzte sie in C.________ mit ihrem Fahrrad und zog sich ein schweres Schädelhirntrauma zu. Die Visana Versicherungen AG (nachfolgend: Visana) lehnte ihre Leistungspflicht als obligatorischer Unfallversicherer der Hausarztpraxis des Dr. med. B.________ mit Verfügung vom 31. Mai 2013 und Einspracheentscheid vom 16. September 2013 ab.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Luzern mit Entscheid vom 6. Januar 2015 gut und stellte fest, dass A.________ für den Unfall vom 5. April 2006 obligatorisch bei der Visana versichert gewesen sei, welche die gesetzlichen Leistungen nach UVG prüfen werde.
C.
Die Visana führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheides und Bestätigung ihres Einspracheentscheides vom 16. September 2013.
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen und ersucht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Beschwerdegegnerin sei als Medizinstudentin während ihres Einzeltutoriats bei Dr. med. B.________ nicht obligatorisch unfallversichert gewesen. Streitig und zu prüfen ist damit die Versicherungsdeckung. Das Bundesgericht entscheidet mit beschränkter Kognition (BGE 135 V 412).
2.
2.1. Nach Art. 1a Abs. 1 UVG sind die in der Schweiz beschäftigten Arbeitnehmer, einschliesslich der Heimarbeiter, Lehrlinge, Praktikanten, Volontäre sowie der in Lehr- oder Invalidenwerkstätten tätigen Personen, obligatorisch nach den Bestimmungen des UVG versichert. Gleiches galt bereits nach Art. 60 KUVG. Nach dem Wortlaut von dessen Abs. 3 galten Lehrlinge, Volontäre und Praktikanten als Arbeiter (vgl. BBl 1976 III 141 ff., 144; Karl Dürr, Kommentar zum KUVG, 2. Aufl. 1945 S. 69 f., 72, 230; Maurice Roullet, La détermination du cercle des personnes assurées en matière d'assurance obligatoire contre les accidents, Diss. Genf 1928, S. 37, 40, 42 f.). Nach Art. 1a Abs. 1 UVV sind Personen, die zur Abklärung der Berufswahl bei einem Arbeitgeber tätig sind, auch obligatorisch versichert.
Das UVG umschreibt den Begriff des Arbeitnehmers, an den es für die Unterstellung unter die obligatorische Versicherung anknüpft, nicht. Die Rechtsprechung hat im Sinne leitender Grundsätze als Arbeitnehmer gemäss UVG bezeichnet, wer um des Erwerbes oder der Ausbildung willen für einen Arbeitgeber, mehr oder weniger untergeordnet, dauernd oder vorübergehend tätig ist, ohne hiebei ein eigenes wirtschaftliches Risiko tragen zu müssen (BGE 115 V 55 E. 2d S. 58; ebenso SVR 2012 UV Nr. 9 S. 32, 8C_503/2011 E. 3.4). Aus diesen Grundsätzen allein lassen sich indessen noch keine einheitlichen, schematisch anwendbaren Lösungen ableiten. Die Arbeitnehmereigenschaft ist daher jeweils unter Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (SZS 2015 S. 144, 8C_183/2014 E. 7.1; Jean-Maurice Frésard/Margit Moser-Szeless, L'assurance-accidents obligatoire, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 2. Aufl., Basel 2007, S. 839 Rz. 2). Im Regelfall besteht zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein Arbeitsvertrag gemäss Art. 319 ff. OR oder ein öffentlich-rechtliches Anstellungsverhältnis. Sind solche Rechtsverhältnisse gegeben, besteht kaum Zweifel, dass es sich um einen Arbeitnehmer gemäss UVG handelt. Das Vorhandensein eines Arbeitsvertrages ist jedoch nicht Voraussetzung für die Versicherteneigenschaft gemäss Art. 1a Abs. 1 UVG. Liegt weder ein Arbeitsvertrag noch ein öffentlich-rechtliches Anstellungsverhältnis vor, ist unter Würdigung der wirtschaftlichen Umstände in ihrer Gesamtheit zu beurteilen, ob die Arbeitnehmereigenschaft gegeben ist. Dabei ist zu beachten, dass das UVG im Interesse eines umfassenden Versicherungsschutzes auch Personen einschliesst, deren Tätigkeit mangels Erwerbsabsicht nicht als Arbeitnehmertätigkeit einzustufen wäre, wie beispielsweise Volontärverhältnisse, bei welchen der für ein eigentliches Arbeitsverhältnis typische Lohn in der Regel weder vereinbart noch üblich ist (BGE 124 V 301 E. 1 S. 303; 115 V 55 E. 2d S. 58; Thomas Locher/Thomas Gächter, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 4. Aufl. 2014, S. 198 Rz. 14). Wo die unselbständige Tätigkeit ihrer Natur nach nicht auf die Erzielung eines Einkommens, sondern auf Ausbildung gerichtet ist, kann eine Lohnabrede somit kein ausschlaggebendes Kriterium für oder gegen den Unfallversicherungsschutz sein. Von der obligatorischen Unfallversicherung werden somit auch Tätigkeiten erfasst, die die Begriffsmerkmale des Arbeitnehmers nicht vollumfänglich erfüllen. Der Begriff des Arbeitnehmers gemäss Art. 1a Abs. 1 UVG ist damit weiter als im Arbeitsvertragsrecht (SZS 2015 S. 144, 8C_183/2014 E. 7.2; André Ghélew/Olivier Ramelet/Jean-Baptiste Ritter, Commentaire de la loi sur l'assurance-accidents [LAA], 1992, S. 21).
2.2. Nach der Rechtsprechung fielen unter das Versicherungsobligatorium etwa die Volontärin an einer Universität, die ohne Arbeitsvertrag und Lohnvereinbarung für ein Forschungsprojekt in Afrika tätig war und dort als Mitfahrerin eines Dienstfahrzeuges bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt wurde (SZS 2015 S. 144, 8C_183/2014), der Schnupperlehrling bei den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) ohne Lohnanspruch im letzten Schuljahr, dem nach einem schweren Stromunfall am ersten Arbeitstag der linke Unterschenkel amputiert werden musste (BGE 124 V 301), oder die Schülerin, welche in ihrer Freizeit regelmässig in einem Reitstall Stallarbeiten verrichtete und Gelegenheit zum Reiten erhielt und dort von einem Pferd gebissen wurde (BGE 115 V 55; vgl. zum Arbeitsversuch in einem Restaurant SVR 2012 UV Nr. 9 S. 32, 8C_503/2011).
3.
Die Betätigung der Beschwerdegegnerin bei Dr. med. B.________ ist in erster Linie mit einer Lehre, einem Volontariat oder einem Praktikum, welche von Gesetzes wegen obligatorisch versichert sind (Art. 1a Abs. 1 UVG), beziehungsweise mit einer Schnupperlehre zu vergleichen, für welche nach der Rechtsprechung das Gleiche gilt (BGE 124 V 301). Ihre Tätigkeit diente nach den vorinstanzlichen Feststellungen nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch Ausbildungszwecken. Dies ist ebenso der Fall bei einem Lehrverhältnis und einem Praktikum und genügt nach der Rechtsprechung, wenn die Tätigkeit in Abhängigkeit von einem Betriebsinhaber nach dessen Anweisungen im Interesse des Betriebes, aber ohne eigenes ökonomisches Risiko ausgeübt wird (Erwerb oder Ausbildung; BGE 115 V 55 E. 2b S. 57; SZS 2015 S. 144, 8C_183/2014 E. 8.3; Alfred Maurer, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, 2. Aufl. 1989, S. 107; Peter Schlegel, Gedanken zum Arbeitnehmerbegriff in der obligatorischen Unfallversicherung, SZS 1986 S. 239 ff., 241; Maurice Roullet, a.a.O.). Dass sich die Beschwerdegegnerin zu Ausbildungszwecken in der Praxis des Dr. med. B.________ aufgehalten hat, ist insoweit unbestritten. Auch die Beschwerdeführerin geht davon aus, dass die Beschwerdegegnerin bei Dr. med. B.________ das praktische Arbeiten geübt habe. Nicht nachvollziehbar ist der Einwand, dass das Versicherungsobligatorium für Praktikanten und Volontäre nur Beschäftigte mit abgeschlossener Ausbildung erfasse. Dies liesse sich weder mit dem Wortlaut noch mit dem Sinn und Zweck der Bestimmung von Art. 1a Abs. 1 UVG vereinbaren.
4.
4.1. Die Vorinstanz ist zu Recht von einem Innominatkontrakt ausgegangen mit den essenziellen Wesenszügen eines Arbeitsvertrages, insbesondere denjenigen der Arbeitsleistung im Rahmen eines Subordinationsverhältnisses. Dieses ist im vorliegenden Fall bei der Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft im Sinne von Art. 1a Abs. 1 UVG unter Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls (oben E. 2.1) von entscheidwesentlicher Bedeutung (vgl. auch EVGE 1952 S. 231 ff., 233).
4.2. Das frühere Eidgenössische Versicherungsgericht, heute Bundesgericht, hat sich zur Natur von Praktikanten- beziehungsweise Ausbildungsverhältnissen (im Zusammenhang mit paritätischen bundes- und kantonalrechtlichen Sozialversicherungsbeiträgen zuhanden der Ausgleichskasse) etwa im Fall einer Rechtspraktikantin geäussert, die zum Erwerb des Anwaltspatents in eine Kanzlei eingetreten war, und eine arbeitsorganisatorische Abhängigkeit bejaht. Entscheidend sei, dass die Praktikanten während des gesamten Praktikums ihre Arbeit unter der Verantwortung des ausbildenden Anwalts ausübten. Dieser entscheide darüber, inwieweit er Weisungen und Kontrollen für nötig erachte. Es verhalte sich letztlich nicht anders als bei einer qualifizierten Arbeitnehmerin, zum Beispiel einer angestellten Rechtsanwältin, die nach angemessener Einführung und bei entsprechender Qualifikation ihre unselbständige Berufstätigkeit meistens recht selbständig organisieren und abwickeln könne, ohne dauernden Kontrollen ihrer Vorgesetzten ausgesetzt zu sein. Das ändere indes nichts daran, dass auch hier eine Weisungsbefugnis der Vorgesetzten und damit, als Gegenstück, ein Unterordnungsverhältnis bestehen bleibe. Umgekehrt, aus der Sicht der Praktikanten gesehen, könnten diese die Anwaltstätigkeit, in die sie eingeführt werden, nicht selbständig ausüben. Vor Gericht treten sie als Substituten des verantwortlichen Rechtsanwalts auf und im Schriftverkehr benützen sie den Briefkopf des ausbildenden Anwalts, auch wenn sie Briefe und Eingaben in eigenem Namen verfassen und unterschreiben. Sie tragen den Klienten gegenüber keine unmittelbare, eigene Verantwortung für eine korrekte Mandatsführung. Diese treffe den sie beschäftigenden Rechtsanwalt, weshalb die ein Praktikum absolvierende Person ihm gegenüber weisungsgebunden sei. Bedeutsam sei (beitragsrechtlich) weiter, dass Praktikanten zur persönlichen Arbeitsleistung beziehungsweise Aufgabenerfüllung verpflichtet seien. Das stelle ein wesentliches Element unselbständiger Erwerbstätigkeit dar (Urteil H 211/00 vom 19. August 2002 E. 5.2.2). Auch im Fall der Volontärin in Afrika war das Subordinationsverhältnis beziehungsweise waren die Pflichten der Verunfallten als Mitglied der von Verantwortlichen der Universität geleiteten Expeditionsgruppe zur Feldforschung ausschlaggebend (SZS 2015 S. 144, 8C_183/2014 E. 8.3). Es ist nicht einzusehen, weshalb für die Beschwerdegegnerin in dieser Hinsicht etwas anderes gelten sollte.
4.3. Die Beschwerdegegnerin war als Praktikantin bei Dr. med. B.________ anders als bei den Vorlesungen an der Universität in arbeitnehmerähnlicher Stellung in dessen Betrieb eingebunden. Sie hatte unter Anleitung oder selbständig auch praktische Tätigkeiten durchzuführen. Ziel des Einzeltutoriats ist die aktive Mitarbeit im Berufsfeld des Tutors. Es sollen der direkte Umgang und die verantwortliche Arbeit mit kranken Menschen erlernt werden. Dabei sollen insbesondere auch untersuchungstechnische Fertigkeiten geübt werden wie zum Beispiel Blutentnahmen oder Untersuchungen von Blut und Urin im Labor (Ruedi Isler und andere, Das Einzeltutoriat in Basel - eine zehnjährige Erfolgsgeschichte, PrimaryCare 9/2009 S. 74 ff.; Hans-Ruedi Banderet, Das Einzeltutoriat - Jahr für Jahr eine neue Herausforderung, PrimaryCare 14/2014 S. 48 ff.). Dem Lernbericht der Beschwerdegegnerin ist zu entnehmen, dass sie bei den Patienten Anamnesen erhob und teilweise selbständig Untersuchungen (etwa von Herz und Lunge), Blutdruckmessungen, Reflex-Tests, Elektrokardiogramme, Laborarbeiten und Impfungen durchführte oder auch einen Notfallpatienten betreute. Als sie verunfallte, hatte sie ein eigenes Stethoskop im Gepäck. Ihre Tätigkeiten für Dr. med. B.________ standen wie bei einem Assistenten unter dessen Anleitung und Weisungsbefugnis und gingen über blosse Handreichungen im Sinne von Gefälligkeiten weit hinaus (BGE 115 V 55 E. 2d S. 59; EVGE 1952 S. 231 ff., 234: "a titre occasionnel"; 1939 S. 3 ff., 5: "a titolo di favore"; SZS 2015 S. 144, 8C_183/2014 E. 7.1; Peter Schlegel, a.a.O., S. 240). Dass die Beschäftigung von der Universität als "Tutoriat" bezeichnet wird, ändert nichts daran, dass die Beschwerdegegnerin in der Privatpraxis des Dr. med. B.________ eine praktische Tätigkeit ausgeübt hat. Die Beschwerdeführerin räumt ein, dass sie in der Arztpraxis namentlich auch mit technischen Geräten umzugehen und Dr. med. B.________ ihr gegenüber eine erhöhte Sorgfalts- und Aufsichtspflicht hatte. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, dass die Einführung der obligatorischen Unfallversicherung mit dem früheren KUVG die Fabrikhaftpflicht abgelöst hat und dementsprechend zunächst nebst den Betrieben, die bereits im Fabrikgesetz geregelt gewesen waren, Fabriken und Unternehmungen mit erhöhten Betriebsgefahren (wie etwa der Eisenbahn- und Dampfschifffahrt, des Baugewerbes oder des Strassenbaus) der Versicherung unterstellt wurden. Ziel des UVG war es später, das Unfallversicherungssystem auf alle Arbeitnehmer auszudehnen, insbesondere weil die Unfallgefahren in zahlreichen industriellen Betrieben dank den technischen Fortschritten geringer, in Gewerbe- und Dienstleistungsbetrieben (zum Beispiel Hotels, Spitäler) mindestens gleich geblieben seien (BBl 1976 III 141 ff., 160 f.). Das Bedürfnis nach UVG-Schutz einer Praktikantin in einer Arztpraxis ist mit Blick darauf offensichtlich, denn mit der untergeordneten, arbeitnehmerähnlichen Stellung der Beschwerdegegnerin in diesem Betrieb war sie auch den entsprechenden Gefahren ausgesetzt.
4.4. Die Versicherteneigenschaft gemäss Art. 1a Abs. 1 UVG setzt hingegen nicht voraus, dass ein (schriftlicher) Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde, wie die Beschwerdeführerin geltend macht (oben E. 2.1). Nicht ausschlaggebend ist auch, dass der Beschwerdegegnerin kein Lohn ausgerichtet wurde, wie die oben (E. 2.1 und 2.2) dargelegte Rechtsprechung zeigt. Damit begründet die Beschwerdeführerin jedoch ihren Haupteinwand gegen die vorinstanzliche Annahme eines Innominatskontrakts mit Subordinationsverhältnis. Eine Erwerbsabsicht wird nach der Rechtsprechung nicht vorausgesetzt, sondern es genügt, dass sich die Beschwerdegegnerin zu Ausbildungszwecken im Betrieb des Dr. med. B.________ aufgehalten hat. Dass ein objektives wirtschaftliches Interesse des Dr. med. B.________ an der Arbeitsleistung der Beschwerdegegnerin nicht erkennbar sei, ist aus diesem Grund ebenfalls nicht von Bedeutung.
4.5. Dass allenfalls zwischen der Universität und Dr. med. B.________ ein Auftragsverhältnis bestand, weil das Einzeltutoriat eine Pflichtveranstaltung der Universität und der Arzt honoriert worden sei, ist irrelevant und ändert nichts an der Unterstellung unter Art. 1a UVG. Es schliesst keinesfalls aus, dass die Beschwerdegegnerin als Mitarbeitende in der Praxis einem arbeitsrechtsähnlichen Vertragsverhältnis unterstand. Entscheidend ist vielmehr, dass Dr. med. B.________ keine Unterrichtsveranstaltung bot, sondern dass die praktische Tätigkeit der Beschwerdegegnerin im Vordergrund stand. Dass der Tutor als Vorgesetzter auch Ratschläge erteilt und seine Erfahrungen weitergibt, ist auch in einem normalen Arbeitsverhältnis üblich und im Verhältnis "Lehrmeister - Lernende" ja gerade gewollt (s.a. Ruedi Isler und andere, a.a.O., S. 74).
4.6. Auf den Einwand der Beschwerdeführerin, dass eine Vereinbarung über die Arbeitszeit gefehlt habe, ist nicht weiter einzugehen. Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht verbindlich festgestellt, dass Dr. med. B.________ die Anwesenheit der Beschwerdegegnerin in seiner Praxis an acht Halbtagen bestätigt habe (dazu auch unten E. 5).
4.7. Streitig ist allein, ob die Beschwerdegegnerin bei Dr. med. B.________ obligatorisch versichert war. Auf den nicht weiter begründeten Einwand der Beschwerdeführerin, dass keine Prämien erhoben werden könnten, ist nicht näher einzugehen.
4.8. Zusammengefasst ist die Beschäftigung der Beschwerdegegnerin in der Hausarztpraxis des Dr. med. B.________ als Praktikum im Sinne von Art. 1a Abs. 1 UVG zu qualifizieren.
5.
Die Beschwerdeführerin macht schliesslich geltend, dass sich der Unfall nicht auf dem Arbeitsweg ereignet habe (vgl. Art. 7 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 2 UVG). Sie führt zur Begründung an, dass bei der Qualifikation eines Unfalls auf dem Arbeitsweg grundsätzlich nicht allein auf die Angaben der verunfallten Person abzustellen sei, wonach sie beabsichtigt habe, zu ihrer Arbeits- beziehungsweise Praktikumsstelle zu gelangen. Der Einwand ist nicht näher zu prüfen, denn diese Angaben waren für die vorinstanzliche Beurteilung nicht allein ausschlaggebend. Wie das kantonale Gericht für das Bundesgericht verbindlich festgestellt hat, war die Beschwerdegegnerin kurz vor Arbeitsbeginn mit dem Fahrrad unterwegs, der Unfall ereignete sich in unmittelbarer Nähe der Arztpraxis und sie hatte ein Lehrbuch für innere Medizin sowie ein Stethoskop bei sich. Es gibt keine vernünftige andere Erklärung für die Fahrradfahrt als diejenige des Arbeitsweges, wohnte die Beschwerdegegnerin doch in D.________. Es ist nicht einzusehen, wohin sie um diese Zeit mit dem Velo hätte fahren sollen, wenn nicht in die Praxis des Dr. med. B.________.
6.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Des Weiteren hat sie der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). Ihr Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist damit gegenstandslos. Nach Art. 68 BGG und Art. 2 des Reglements über die Parteientschädigung und die Entschädigung für die amtliche Vertretung im Verfahren vor dem Bundesgericht vom 31. März 2006 (SR 173.110.210.3) umfasst die Parteientschädigung die Anwaltskosten und die notwendigen Auslagen für die Prozessführung, wobei sich die Anwaltskosten aus dem Anwaltshonorar und dem Auslagenersatz zusammensetzen. Praxisgemäss werden für einen Normalfall 2'800 Franken zuge-sprochen, Auslagen und Mehrwertsteuer inbegriffen (Urteil 8C_418/2012 vom 29. Oktober 2012 E. 4.2). Der Rechtsvertreter reicht eine Kostennote über 5'112 Franken und 95 Rappen ein und macht für die Beschwerdeführung vor dem Bundesgericht einen Aufwand von gut fünfzehn Stunden geltend. Mit Rücksicht auf die Wichtigkeit und Schwierigkeit der Streitsache, den Arbeitsaufwand des Rechtsvertreters sowie den im Allgemeinen üblichen Pauschalbetrag wird die Entschädigung auf 3'800 Franken angesetzt (vgl. auch Art. 6 des erwähnten Reglements).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von 800 Franken werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführerin hat den Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit 3'800 Franken zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 5. Mai 2015
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Leuzinger
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo