BGer 2C_896/2014
 
BGer 2C_896/2014 vom 25.04.2015
{T 0/2}
2C_896/2014
 
Urteil vom 25. April 2015
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Donzallaz, Haag,
Gerichtsschreiberin Mayhall.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Severin Bellwald,
gegen
Departement des Innern des Kantons Solothurn, Migrationsamt.
Gegenstand
Widerruf der Niederlassungsbewilligung,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 13. August 2014.
 
Sachverhalt:
A. A.________ (Jahrgang 1988) verfügt über die Staatsangehörigkeit von Bosnien und Herzegowina. Er wurde dort geboren und reiste im Jahr 1990 zusammen mit seiner Mutter und seinem Bruder in die Schweiz ein. Im Oktober 1996 wurde ihm die Niederlassungsbewilligung erteilt.
B. Mit Verfügung vom 11. Februar 2014 widerrief das Migrationsamt des Kantons Solothurn die Niederlassungsbewilligung von A.________ und wies ihn an, am Tag der Entlassung aus dem Strafvollzug die Schweiz zu verlassen. Die gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 13. August 2014 ab.
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 13. August 2014 sei kostenfällig aufzuheben, und es sei auf den Widerruf seiner Niederlassungsbewilligung zu verzichten; eventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Subeventualiter sei er zu verwarnen und es sei ihm der Widerruf der Niederlassungsbewilligung anzudrohen.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wurde unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42 BGG) eingereicht und richtet sich gegen einen Endentscheid einer letzten oberen kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 BGG; Art. 90 BGG) in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG).
1.2. Nach Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide über ausländerrechtliche Bewilligungen ausgeschlossen, auf deren Erteilung weder das Bundes- noch das Völkerrecht einen Rechtsanspruch einräumen. Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf den Fortbestand einer bereits erteilten Niederlassungsbewilligung. Wird die Niederlassungsbewilligung widerrufen, so steht gegen den letztinstanzlichen kantonalen Entscheid die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4). Die Beschwerde ist zulässig und der Beschwerdeführer, der mit seinen Anträgen im vorinstanzlichen Verfahren unterlegen ist, dazu legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde ist, vorbehältlich der Erfüllung der Rüge- und Begründungspflicht einzutreten.
1.3. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 mit Hinweis). Die Verletzung von Grundrechten sowie von kantonalem und interkantonalem Recht untersucht es in jedem Fall nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 I 229 E. 2.2 S. 232; 134 II 244 E. 2.2 S. 246; 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254; Urteil 2C_124/2013 vom 25. November 2013 E. 1.6).
1.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zu Grunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig festgestellt ist ein Sachverhalt, wenn er willkürliche Feststellungen beinhaltet (BGE 137 I 58 E. 4.1.2 S. 62). Die betroffene Person muss rechtsgenügend dartun, dass und inwiefern der festgestellte Sachverhalt in diesem Sinne mangelhaft erscheint und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG); rein appellatorische Kritik an der Sachverhaltsermittlung und an der Beweiswürdigung genügt den Begründungs- bzw. Rügeanforderungen nicht (vgl. BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445 mit Hinweisen).
2. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe Bundes- sowie Bundesverfassungsrecht unrichtig angewendet, indem sie keine eigentliche Verhältnismässigkeitsprüfung des Einzelfalles vorgenommen habe, was jedoch sowohl gemäss Art. 96 Abs. 1 AuG wie auch gemäss Art. 5 BV Voraussetzung für den Widerruf der Niederlassungsbewilligung sei. Er habe nicht nur die gesamte Schulzeit in der Schweiz verbracht und seine Lehre abgeschlossen, sondern überhaupt seine gesamte Kindheit. Die Rückfallgefahr und die günstige Prognose seien, entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen, in die Interessenabwägung miteinzubeziehen. Bei dieser Interessenabwägung sei weder von einer schweren Straffälligkeit noch von einem Gewaltdelikt oder von wiederholter Straffälligkeit auszugehen; die begangenen Taten seien vielmehr als eine Handlungseinheit zu betrachten, welche auf seine Spielsucht zurückzuführen seien. Der Widerruf seiner Niederlassungsbewilligung sei einzig aus generalpräventiven Überlegungen erfolgt. Indem die Vorinstanz dieses Interesse auch als überwiegend erachtete, habe sie keine eigentliche Güterabwägung vorgenommen, weshalb der Verhältnismässigkeitsgrundsatz verletzt worden sei.
2.1. Mit seiner Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 36 Monaten hat der Beschwerdeführer den Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 2 AuG in Verbindung mit Art. 62 lit. b AuG gesetzt. Keine Rolle spielt, ob die Sanktion bedingt, teilbedingt oder unbedingt ausgefällt worden ist (BGE 139 I 31 E. 2.1 S. 32). Zu prüfen ist, ob sich diese aufenthaltsbeendende Massnahme als verhältnismässig erweist (Art. 96 AuG; Art. 5 Abs. 2 BV).
2.2. Die nach innerstaatlichem Recht für jegliche staatliche Massnahmen (Art. 5 Abs. 2 BV) durchzuführende Verhältnismässigkeitsprüfung stellt auf die Schwere des Delikts, das Verschulden des Betroffenen, den seit der Tat vergangenen Zeitraum, sein Verhalten während diesem, den Grad seiner Integration bzw. die Dauer der bisherigen Anwesenheit sowie die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile ab (BGE 139 II 121 E. 6.5.1 S. 132; 139 I 145 E. 2.4 S. 149). Generalpräventive Gesichtspunkte dürfen berücksichtigt werden, sofern die ausländische Person vom Anwendungsbereich des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (FZA; SR 0.142.112.681) ausgenommen ist (BGE 136 II 5 E. 4.2 S. 20; 130 II 176 E. 3.4.1, Urteil 2C_245/2014 vom 28. Mai 2014 E. 3.2.1). Die Interessen, welche dabei gegeneinander abgewogen werden, entsprechen grundsätzlich denjenigen, welche im Rahmen (des im vorliegenden Beschwerdeverfahrens nicht als verletzt und daher nicht zu prüfenden) Art. 8 Ziff. 2 EMRK berücksichtigt werden (Urteil 2C_718/2013 vom 27. Februar 2014 E. 3.1, mit weiteren Hinweisen).
2.3. Treten Jugendliche oder junge Erwachsene, die im Aufnahmestaat sozialisiert worden sind, strafrechtlich in Erscheinung, so besteht im Falle 
2.4. Der Beschwerdeführer ist wegen 69 bandenmässigen Einbruchdiebstählen bzw. -diebstahlsversuchen, zwei Einbruchdiebstählen bzw. -diebstahlsversuchen und 24 Einschleichdiebstählen und somit total für 95 Diebstähle, begangen im Zeitraum zwischen März 2008 und November 2009, zu einer Freiheitsstrafe von 36 Monaten verurteilt worden. Das Richteramt Bucheggberg-Wasseramt erachtete den Beschwerdeführer zwar als schuldfähig, hielt jedoch fest, dass diese Delikte überwiegend zur Finanzierung von Glücksspielen in Casinos und von Sportwetten begangen worden seien.
2.5. Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers erweist sich demzufolge als unverhältnismässig. Er ist aber mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass ein Widerruf jederzeit möglich bleibt, sollte er erneut delinquieren oder durch sein Verhalten einen anderen Widerrufsgrund setzen. Als Rechtsfolge rechtfertigt sich demnach eine Verwarnung; der Beschwerdeführer wird hiermit ausdrücklich verwarnt (Art. 96 Abs. 2 AuG; vgl. BGE 139 I 145 E. 3.9 S. 154; Urteil 2C_1000/2013 vom 20. Juli 2014 E. 3.3.3; 2C_935/2012 vom 14. Januar 2013 E. 6.2).
3. Die Beschwerde wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil aufgehoben und eine Verwarnung ausgesprochen. Bei diesem Verfahrensausgang werden keine Gerichtskosten erhoben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Solothurn hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche und das vorinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 3'500.-- auszurichten (Art. 68 Abs. 1 BGG).
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen, und das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
2. Der Beschwerdeführer wird im Sinne der Erwägungen ausländerrechtlich verwarnt.
3. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
4. Der Kanton Solothurn hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche und das vorinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 3'500.-- auszurichten.
5. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 25. April 2015
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Zünd
Die Gerichtsschreiberin: Mayhall