BGer 2C_765/2014
 
BGer 2C_765/2014 vom 31.03.2015
{T 0/2}
2C_765/2014
 
Urteil vom 31. März 2015
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Donzallaz, Stadelmann,
Gerichtsschreiberin Genner.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Linus Jaeggi,
gegen
Obergericht des Kantons Zürich,
Fachgruppe Dolmetscherwesen.
Gegenstand
Löschung aus dem Dolmetscherverzeichnis,
Beschwerde gegen den Beschluss des
Obergerichts des Kantons Zürich, Verwaltungskommission,
vom 27. Juni 2014.
 
Sachverhalt:
 
A.
A.a. Am 27. Mai 2008 und am 11. Juni 2009 wurde A.________ wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand zu je einer bedingten Geldstrafe (25 Tagessätze zu Fr. 120.-- bzw. 50 Tagessätze zu Fr. 60.--) und je einer Busse (Fr. 1'200.-- bzw. Fr. 1'000.--) verurteilt. Am 23. April 2009 versäumte sie krankheitsbedingt einen Dolmetschertermin bei der Polizei, ohne vorgängig ihre Abwesenheit mitzuteilen. Ebenfalls im Jahr 2009 wurde A.________ vorgeworfen, dass sie einen Übersetzungsauftrag aus gesundheitlichen Gründen erst 45 Minuten vor dem Termin abgesagt hatte.
A.b. Am 27. Februar 2013 ging bei der Zentralstelle Dolmetscherwesen ein Bericht der Stadtpolizei Zürich vom 25. Februar 2013 ein. Darin wurden neben den erwähnten Verurteilungen folgende Vorfälle betreffend A.________ aufgeführt:
- Unangemessene private Beziehungen zu Drogenhändlern (zu B.________ vom 11. Juli 2009 bis 5. Januar 2012 sowie zu C.________ vom 16. Januar 2010 bis 13. Juni 2010);
- Problematische Beziehung zu einem Kleinkriminellen (D.________, ca. von Dezember 2011 bis 25. Februar 2013);
- Renitentes, unkooperatives und unflätiges Verhalten von A.________ gegenüber der Polizei anlässlich eines Einsatzes in ihrer Wohnung, der am 14. Februar 2013 im Anschluss an eine Messerstecherei durchgeführt wurde mit dem Ziel, eine tatverdächtige Person ausfindig zu machen;
- Entgegen der Angabe von A.________ habe sich beim Eintreffen der Polizei am 14. Februar 2013 eine weitere Person in der Wohnung aufgehalten; zudem hätten überall Gerichtsakten offen herumgelegen.
 
B.
Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs verfügte die Fachgruppe am 10. Juli 2013 die Löschung von A.________ aus dem Dolmetscherverzeichnis. Den dagegen erhobenen Rekurs wies die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich am 27. Juni 2014 ab.
 
C.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Der Eintrag ins Dolmetscherverzeichnis oder die Löschung aus demselben begründet ein öffentliches Rechtsverhältnis, weshalb die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich zulässig ist (Art. 82 lit. a BGG). Da die Löschung aus dem Dolmetscherverzeichnis nicht aufgrund einer Fähigkeitsbewertung verfügt wurde, fällt der Ausschlussgrund von Art. 83 lit. t BBG ausser Betracht.
1.2. Die Beschwerdeführerin hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen. Sie ist durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt und hat an dessen Aufhebung oder Änderung ein schutzwürdiges Interesse. Die Legitimation gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG ist damit gegeben.
1.3. Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten.
 
2.
2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 139 II 404 E. 3 S. 415). Die rechtsfehlerhafte Auslegung von kantonalem Gesetzes- und Verordnungsrecht bildet keinen eigenständigen Rügegrund; sie wird nur unter dem Blickwinkel des Bundesrechts, namentlich des Willkürverbots, geprüft (BGE 136 I 316 E. 2.2.1 S. 318 mit Hinweisen). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 I 229 E. 2.2 S. 232; 136 II 304 E. 2.5 S. 314).
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2). Die beschwerdeführende Partei kann die Feststellung des Sachverhalts unter den gleichen Voraussetzungen beanstanden, wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine entsprechende Rüge ist substanziiert vorzubringen; auf rein appellatorische Kritik an der Sachverhaltsfeststellung geht das Bundesgericht nicht ein (BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445 f.).
 
3.
3.1. Die Beschwerdeführerin moniert, sie sei trotz entsprechenden Antrags von der Vorinstanz nicht mündlich angehört worden. Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK würden eine persönliche Anhörung gebieten, weil bei der Löschung aus dem Dolmetscherverzeichnis ihre charakterliche Eignung zur Diskussion stehe.
3.1.1. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin fliesst aus Art. 29 Abs. 2 BV kein Anspruch auf eine mündliche Anhörung (BGE 134 I 140 E. 5.3 S. 148; 130 II 425 E. 2.1 S. 428 f.). Auch die Berufung auf BGE 122 II 464 geht fehl: In jenem Fall war ausnahmsweise eine persönliche Anhörung angeordnet worden, um eine Expertise zu vervollständigen, deren Gegenstand der Beschwerdeführer selbst gewesen war. Es handelte sich somit nicht um eine öffentliche Verhandlung, sondern um eine Anhörung zwecks Beweiserhebung (vgl. BGE 122 II 464 E. 4c). Die Beschwerdeführerin kann somit daraus nichts zu ihren Gunsten ableiten.
3.1.2. Art. 6 Ziff. 1 EMRK garantiert in Streitigkeiten bezüglich zivilrechtlicher Ansprüche (civil rights) das Recht auf ein faires Verfahren. Der Begriff "civil rights" bezieht sich nach der Rechtsprechung nicht nur auf zivilrechtliche Streitigkeiten im engeren Sinn, sondern betrifft auch Verwaltungsakte einer hoheitlich handelnden Behörde, sofern diese massgeblich in Rechte und Verpflichtungen privatrechtlicher Natur eingreifen (Urteile des EGMR 
3.1.3. Art. 6 Ziff. 1 EMRK garantiert die Öffentlichkeit des Verfahrens. Dieser Grundsatz umfasst unter anderem das Recht der betroffenen Person, ihre Argumente dem Gericht mündlich in einer öffentlichen Sitzung vorzutragen. Die Pflicht zur Durchführung einer öffentlichen Gerichtsverhandlung setzt nach der Rechtsprechung allerdings einen klaren Parteiantrag voraus (Urteil des EGMR 
3.2. Die Beschwerdeführerin kritisiert, das angefochtene Urteil sei nicht angemessen begründet. Die Vorinstanz habe der wahren Begründung - welche in angeblichen "Erkenntnissen" aus illegalen Telefonüberwachungen liege - weitere, untergeordnete Gründe vorgeschoben, weil sie aus formellen Gründen nicht auf die illegalen Telefonüberwachungen habe abstellen dürfen.
3.2.1. Die Rüge stellt eine reine Behauptung dar, die im angefochtenen Urteil keine Stütze findet. Es ist einer Rechtsmittelinstanz erlaubt, die Begründung des angefochtenen Entscheids durch eine neue Begründung zu ersetzen. Die Motivsubstitution verletzt den Anspruch der rechtsuchenden Person auf Begründung des Entscheids nicht. Es besteht im Rahmen des rechtlichen Gehörs auch kein Anspruch auf die "richtige" Begründung. Massgeblich ist vielmehr, dass die Behörde in ihrer Begründung die Überlegungen nennt, von denen sie sich hat leiten lassen, damit der Entscheid sachgerecht angefochten werden kann (BGE 138 IV 81 E. 2.2 S. 84; 136 I 229 E. 5.2 S. 236 mit Hinweisen).
3.2.2. Die Vorinstanz begründet ihren Entscheid damit, die Beschwerdeführerin habe Gerichtsakten unverschlossen in ihrer Wohnung aufbewahrt, während sie Besuch empfangen habe. Zudem habe sie die Polizei bewusst angelogen, sich unkooperativ verhalten und dadurch die polizeiliche Tätigkeit aktiv behindert. Schliesslich habe sie in fahrlässiger Weise Kontakt zum kleinkriminellen Milieu gepflegt. Nachdem bereits mehrere Vorfälle aktenkundig seien und die Beschwerdeführerin verwarnt worden sei, müsse ihr nun die Vertrauenswürdigkeit abgesprochen werden.
 
4.
4.1. Der angefochtene Entscheid stützt sich auf die Dolmetscherverordnung des Kantons Zürich vom 26./27. November 2003 (LS 211.17; nachfolgend: Dolmetscherverordnung). Die Fachgruppe führt ein Verzeichnis von Personen, denen die Gerichts- und Verwaltungsbehörden Dolmetscher- und Übersetzungsaufträge erteilen können (§ 7 Abs. 1 der Dolmetscherverordnung). Die Aufnahme in das Verzeichnis begründet kein Vertragsverhältnis zwischen der betreffenden Person und den Behörden und keinen Anspruch auf Erteilung und keine Pflicht zur Übernahme von Aufträgen (§ 7 Abs. 3 der Dolmetscherverordnung). Die Aufnahme in das Verzeichnis setzt voraus, dass ein Bedarf für die angebotenen Dolmetscher- und Übersetzungsleistungen besteht und dass die Bewerberin oder der Bewerber die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen erfüllt; auch bei Eignung besteht kein Anspruch auf Aufnahme (§ 9 Abs. 2 der Dolmetscherverordnung). In persönlicher Hinsicht wird u.a. vorausgesetzt, dass die Bewerberin oder der Bewerber über einen guten Leumund, insbesondere in strafrechtlicher Hinsicht, verfügt und gestützt auf die bisherige Tätigkeit eine unabhängige Auftragserfüllung und ein korrektes Verhalten gewährleisten kann (§ 10 Abs. 2 lit. b und d der Dolmetscherverordnung). Erfüllt eine im Verzeichnis eingetragene Person die fachlichen oder persönlichen Voraussetzungen nicht mehr, wird der Eintrag gelöscht (§ 13 Abs. 1 der Dolmetscherverordnung).
4.2. Die Beschwerdeführerin beanstandet eine rechtswidrige und willkürliche Sachverhaltsfeststellung bezüglich der von den Vorinstanzen angeführten Beziehungen zum "Milieu".
4.3. Am 14. Februar 2013 durchsuchte die Polizei zur Aufklärung einer soeben gemeldeten Messerstecherei die Liegenschaft, in der sich die Wohnung der Beschwerdeführerin befand. D.________ war aufgrund einer Augenzeugenbeschreibung tatverdächtig. Die Beschwerdeführerin weigerte sich, die Polizei in die Wohnung zu lassen, und gab auf entsprechende Nachfrage wahrheitswidrig an, es halte sich ausser ihr niemand darin auf.
4.4. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz war die Polizei bei besagtem Einsatz am 14. Februar 2013 in der Wohnung der Beschwerdeführerin auf offen herumliegende Akten des Obergerichts gestossen. Die Vorinstanz hat ohne Willkür erwogen, dass dieses Verhalten ein schlechtes Licht auf die Vertrauenswürdigkeit der Beschwerdeführerin wirft und dass auch deren Hinweis, sie müsse vor einer allfälligen Festnahme noch die Akten wegschliessen, das Versäumnis nicht aufzuheben vermochte. Im Gegensatz zu den Vorbringen der Beschwerdeführerin hat die Vorinstanz ihr nicht vorgeworfen, sich strafbar im Sinn von Art. 320 StGB gemacht zu haben. Sie hat lediglich darauf hingewiesen, dass der dieser Strafnorm zugrunde liegende Gedanke auch aus verwaltungsrechtlicher Sicht gilt, was im Zusammenhang mit der hier zu beurteilenden Vertrauenswürdigkeit auch zutrifft. Wer Gerichtsakten zu beruflichen Zwecken zu Hause aufbewahren muss, ist zu absoluter Diskretion verpflichtet und hat dafür zu sorgen, dass Unbefugte keinen Zugang zu diesen Akten erhalten. Die Beschwerdeführerin hat diese grundlegende Vorgabe nicht eingehalten, indem sie während des Besuchs von D.________ Gerichtsakten frei zugänglich und von blossem Auge sichtbar in der Wohnung aufbewahrte.
4.5. Zusammenfassend muss der Beschwerdeführerin nicht nur ein unkritischer Umgang mit ihrem Umfeld und ein unprofessioneller Umgang mit Gerichtsakten vorgeworfen werden. Ausschlaggebend ist, dass die Beschwerdeführerin am 14. Februar 2013 aktiv die Aufklärung einer Straftat behindert hat, indem sie der Polizei den Zutritt zu ihrer Wohnung verwehrte und trotz expliziter Nachfrage die Anwesenheit ihres Freundes, des tatverdächtigen D.________, zu verheimlichen versuchte.
 
5.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Zürich, Verwaltungskommission, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 31. März 2015
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Zünd
Die Gerichtsschreiberin: Genner