BGer 6B_850/2014
 
BGer 6B_850/2014 vom 04.03.2015
{T 0/2}
6B_850/2014
 
Urteil vom 4. März 2015
 
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterinnen Jacquemoud-Rossari, Jametti,
Gerichtsschreiberin Pasquini.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
gegen
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau,
2. Bank A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Bazzani Claudio,
3. B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Niccolò Gozzi,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Versuchte Erpressung, versuchte Nötigung, unlauterer Wettbewerb, mehrfache Verletzung des Bankgeheimnis etc.,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, vom 12. Juni 2014.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.
 
Erwägungen:
 
1.
 
2.
3. 
3.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör an der Berufungsverhandlung. Er legt im Wesentlichen dar, obwohl er angekündigt habe, dass er ein Plädoyer von ca. 90 Minuten halten werde, sei er weitgehend daran gehindert worden. Er habe nur den Teil des Plädoyers betreffend Antrag zur Einholung eines Gutachtens vortragen können, während er den Rest nicht habe halten können (Beschwerde S. 9-15).
3.2. Die Rüge ist unbegründet, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, gestützt auf welche Bestimmung die Vorinstanz verpflichtet gewesen wäre, den im kantonalen Verfahren amtlich verteidigten Beschwerdeführer sein eigenes Plädoyer von insgesamt 31 Seiten mündlich vortragen zu lassen. Der Beschwerdeführer räumt ein, er habe seine Plädoyernotizen vollständig zu den Akten reichen können. Sein amtlicher Verteidiger plädierte anlässlich der Berufungsverhandlung und erhielt die Möglichkeit zur Replik. Die Behauptung, dieser habe sich nicht dafür eingesetzt, dass dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör gewährt wird (Beschwerde S. 10 3. Abschnitt), ist aktenwidrig (Plädoyernotizen des amtlichen Verteidigers vom 12. Juni 2014 betreff Vorfrage und zur Begründung Ziff. 1 sowie Protokoll der Berufungsverhandlung vom 12. Juni 2014 S. 7, vorinstanzliche Akten). Der Beschwerdeführer wurde einvernommen und erhielt die Gelegenheit zum letzten Wort (Protokoll der Berufungsverhandlung vom 12. Juni 2014, vorinstanzliche Akten). Inwiefern seine Verteidigungsmöglichkeiten unter dem Aspekt des rechtlichen Gehörs eingeschränkt gewesen sein könnten, ist unter diesen Umständen nicht ersichtlich. Im Übrigen scheint der Beschwerdeführer zu verkennen, dass sich die Vorinstanz nicht mit all seinen Vorbringen einlässlich auseinandersetzen und jedes ausdrücklich widerlegen musste (vgl. BGE 138 IV 81 E. 2.2; 137 II 266 E. 3.2; je mit Hinweisen).
 
4.
5. 
5.1. Der Beschwerdeführer führt aus, die 45 Urkunden, die er an der Berufungsverhandlung zusammen mit seinen Plädoyernotizen eingereicht habe, seien nicht in den Verfahrensakten. Mit diesen Unterlagen hätten die unrichtigen Sachverhaltsfeststellungen im erstinstanzlichen Entscheid widerlegt werden können (Beschwerde S. 11).
5.2. Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist unbegründet. Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, dass die anlässlich der Berufungsverhandlung eingereichten Beilagen zu seinem schriftlichen Plädoyer nicht in den vorinstanzlichen Akten enthalten sind. Es ist indessen wahrscheinlich, dass die Beilagen ihm oder seinem Verteidiger nach der Verhandlungspause für die Durchsicht dieser Urkunden wieder ausgehändigt wurden. Denn bei den jeweils zu den Akten genommenen Unterlagen, wie den Plädoyernotizen, hielt die Vorinstanz jeweils den Zusatz "bilden Bestandteil dieses Protokolls" fest, während dies bei den Beilagen des Beschwerdeführers nicht erfolgte (Protokoll der Berufungsverhandlung, vorinstanzliche Akten). Dieser scheint fälschlicherweise davon auszugehen, dass die Vorinstanz verpflichtet war, seine Beilagen zu den Akten zu nehmen. Die Behörden haben nur das in den Akten festzuhalten, was zur Sache gehört und entscheidwesentlich sein kann. Sie können sich auf die für die Entscheidfindung im konkreten Fall wesentlichen Punkte beschränken (zur Aktenführungspflicht BGE 138 V 218 E. 8.1.2; 130 II 473 E. 4.1; je mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer rügt keine Verletzung der Aktenführungspflicht. Vor allem legt er aber nicht dar und ist nicht ersichtlich, inwiefern er durch das Fehlen dieser Beilagen in den Verfahrensakten beschwert ist, mithin ihm das rechtliche Gehör verweigert und ihm eine wirksame Verteidigung verunmöglicht wurde - zumal die Vorinstanz zur Sichtung dieser Beilagen und der Plädoyernotizen eigens die Verhandlung unterbrochen hat (Protokoll der Berufungsverhandlung S. 2 f., vorinstanzliche Akten).
 
6.
7. 
7.1. Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz eine qualifiziert falsche Sachverhaltsfeststellung vor, wendet sich mit seinen Vorbringen aber hauptsächlich gegen ihre rechtliche Würdigung. Er erörtert beispielsweise, deren Feststellung, der angeklagte Sachverhalt sei von ihm unbestritten geblieben, sei falsch. Richtig sei, dass er sämtliche Tatbestände bestreite (Beschwerde S. 17 Ziff. 4). Diese materiellrechtlichen Rügen werden nachstehend behandelt, soweit wenigstens sinngemäss ersichtlich ist, inwiefern der angefochtene Entscheid nach Auffassung des Beschwerdeführers bundesrechtliche Normen verletzen soll (vgl. E. 8 f.).
7.2. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445 mit Hinweisen). Willkür liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt für die Annahme von Willkür nicht (BGE 139 III 334 E. 3.2.5 S. 339; 138 I 305 E. 4.3; je mit Hinweis). Eine entsprechende Rüge muss klar vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 mit Hinweisen).
7.3. Nicht zu hören ist die Kritik des Beschwerdeführers, entgegen der Anklageschrift laute der Titel des Artikels auf der Internetseite www.insideparadeplatz.ch nicht "5er- Bande der Bank A.________ trieb es bunt in Zürich", sondern die "5er- Clique der Bank A.________ trieb es bunt in Zürich" (Beschwerde S. 5 f.). Es ist nicht erkennbar, inwiefern diese Klarstellung für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein könnte.
 
8.
9. 
9.1. In Bezug auf den Schuldspruch der mehrfachen üblen Nachrede macht der Beschwerdeführer sinngemäss geltend, die Vorinstanz lasse ihn zu Unrecht nicht zum Entlastungsbeweis zu. Er habe seine Äusserungen zur Wahrung öffentlicher Interessen vorgenommen (Beschwerde S. 16 f. und S. 35-38).
9.2. Die Vorinstanz stellt fest, der Beschwerdeführer habe sich gegenüber dem Journalisten H.________ mit E-Mail vom 15. Februar 2012 dahin gehend geäussert, dass der Beschwerdegegner 3 und ein weiterer Angestellter der Beschwerdegegnerin 2 illegales Churning betrieben und eine Kundin mutwillig geschädigt hätten. Sie seien über ihr Wertschriftendepot hergefallen und hätten sie abgezockt. Sodann habe er gegenüber dem ehemaligen Direktionspräsidenten der Beschwerdegegnerin 2 angedeutet, der Beschwerdegegner 3 habe angeblich sexuellen Kontakt mit Kindern gehabt (Urteil S. 30 E. 4.5.1).
9.3. Gemäss Art. 173 Ziff. 1 StGB macht sich der üblen Nachrede schuldig, wer jemanden bei einem anderen eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt. Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar (Ziff. 2). Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen (Ziff. 3).
9.4. Betreffend den objektiven und subjektiven Tatbestand der üblen Nachrede kann auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urteil S. 31 f. E. 4.5.3.1 und S. 33 E. 4.5.4.1). Zu prüfen ist, ob diese Bundesrecht verletzt, indem sie den Beschwerdeführer nicht zum Entlastungsbeweis zulässt.
9.5. Die Vorinstanz erachtet die Voraussetzungen für die Zulassung zum Entlastungsbeweis zu Recht als nicht erfüllt. Sie hält fest, der Beschwerdeführer habe sich offenkundig mit der Absicht an den Journalisten gewandt, damit dieser die von ihm erhobenen Vorwürfe publik mache. Die eigentliche Intention lasse sich dabei aus seinem späteren E-Mail-Verkehr mit Organen der Beschwerdegegnerin 2 erkennen: Der Beschwerdeführer habe versucht, gegenüber der Beschwerdegegnerin 2 Druck aufzubauen, um seine Forderungen durchzusetzen und diese zu einem Vergleich zu nötigen. Die Art und Weise der Anschuldigungen, die er gegenüber dem Journalisten geäussert habe, respektive die damit anvisierte Berichterstattung in aller Öffentlichkeit habe er augenfällig nur deswegen gewählt, um die Beschwerdegegnerin 2 dazu zu bringen, seinen Forderungen nachzukommen. Er habe dieser in Aussicht gestellt, dem Journalisten weitere Details (u.a. betreffend den Beschwerdegegner 3) bekannt zu geben und diesem weitere Vergehen vorzuwerfen. Das E-Mail des Beschwerdeführers habe letztlich den Zweck gehabt, dem Beschwerdegegner 3 Übles vorzuwerfen, um die Beschwerdegegnerin 2 - vor dem Hintergrund eines drohenden Reputationsschadens - zu einem bestimmten Handeln zu nötigen (Urteil S. 34 f. E. 4.5.4.2.2). Diese Feststellungen sind nicht zu beanstanden. Mit der Vorinstanz ist deshalb davon auszugehen, der Beschwerdeführer habe die inkriminierten Äusserungen in der überwiegenden Absicht vorgenommen, jemandem Übles vorzuwerfen. Dafür bestand keine begründete Veranlassung. Zu Recht erwägt die Vorinstanz, ein öffentliches oder privates Interesse daran, dass eine breite Öffentlichkeit von den - über zehn Jahren nach dem besagten Vorfall - erhobenen Vorwürfen Kenntnis erhält, ist nicht ersichtlich. Selbst wenn der Beschwerdeführer überzeugt gewesen wäre, dass die Churning-Vorwürfe der Wahrheit entsprachen, hätte kein Grund bestanden, den Beschwerdegegner 3 öffentlich zu denunzieren. Es wäre ihm freigestanden, Strafanzeige einzureichen (Urteil S. 34 E. 4.5.4.2.2). Es bestand somit objektiv kein zureichender Anlass, zehn Jahre später mit dieser Angelegenheit auf diese Art und Weise an einen Journalisten zu treten. Die Verurteilung wegen mehrfacher übler Nachrede ist bundesrechtskonform.
 
10.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 4. März 2015
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Die Gerichtsschreiberin: Pasquini