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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
{T 0/2}
1B_31/2015
Urteil vom 16. Februar 2015
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Chaix,
Gerichtsschreiber Misic.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Abdullah Karakök,
gegen
Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich,
Molkenstrasse 17, Postfach, 8026 Zürich.
Gegenstand
Aufhebung von Ersatzmassnahmen,
Beschwerde gegen den Beschluss vom 22. Dezember 2014 des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer.
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich führt gegen A.________ eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts auf sexuelle Nötigung, Körperverletzungen, Tätlichkeiten und Drohungen. Sie wirft ihm vor, seine Ehefrau zu analem Geschlechtsverkehr genötigt und geschlagen zu haben. Die beiden 2002 und 2005 geborenen Söhne habe er (teilweise mit einem Spazierstock) geschlagen und mit den Füssen getreten.
B.
Die vor Abtretung des Verfahrens zuständige Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl verhaftete A.________ am 22. September 2014. Sie entliess ihn jedoch gleichentags wieder aus der Haft, da er nicht hafterstehungsfähig war. Bis zum Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts ordnete die Staatsanwaltschaft die Wegweisung von A.________ aus der Familienwohnung und ein Rayonverbot an und untersagte ihm, mit der Ehefrau und den Söhnen Kontakt aufzunehmen oder durch Drittpersonen aufnehmen zu lassen.
Am 24. September 2014 bestätigte das Zwangsmassnahmengericht des Bezirks Zürich diese Verfügung.
C.
Am 25. November 2014 wies das Zwangsmassnahmengericht den Antrag von A.________ auf Aufhebung des Kontaktverbots ab.
Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 22. Dezember 2014 ab.
D.
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, der Beschluss des Obergerichts vom 22. Dezember 2014 betreffend Kontaktverbot sei in Bezug auf die Söhne aufzuheben. Eventualiter seien diese zu befragen. Zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
E.
Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich haben auf Vernehmlassung verzichtet.
Erwägungen:
1.
Die Sachurteilsvoraussetzungen gemäss Art. 78 ff. BGG sind erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass.
2.
Das zuständige Gericht ordnet an Stelle der Untersuchungs- oder der Sicherheitshaft eine oder mehrere mildere Massnahmen an, wenn sie den gleichen Zweck wie die Haft erfüllen (Art. 237 Abs. 1 StPO). Eine Ersatzmassnahme stellt namentlich das Verbot dar, mit bestimmten Personen Kontakte zu pflegen (Art. 237 Abs. 2 lit. g StPO). Damit soll verhindert werden, dass der Beschuldigte andere Personen beeinflusst oder auf Beweismittel einwirkt, um die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen (Kollusionsgefahr; Art. 221 Abs. 1 lit. b StPO). Die Ersatzmassnahme ist nur zulässig, wenn kumulativ zum dringenden Tatverdacht (Art. 221 Abs. 1 StPO) ein besonderer Haftgrund (Art. 221 Abs. 1 lit. a-c StPO) hinzutritt. Die Ersatzmassnahme muss ihrerseits verhältnismässig sein, insbesondere in zeitlicher Hinsicht (BGE 140 IV 74 E. 2.2 S. 78).
3.
3.1. Der Beschwerdeführer bestreitet den dringenden Tatverdacht. Dieser beruhe einzig auf den widersprüchlichen Aussagen der Ehefrau.
3.2.
Nach der Rechtsprechung hat das Bundesgericht bei der Überprüfung des dringenden Tatverdachts keine erschöpfende Abwägung sämtlicher belastender und entlastender Beweisergebnisse vorzunehmen. Zu prüfen ist vielmehr, ob genügend konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat und eine Beteiligung des Beschwerdeführers daran vorliegen, die Untersuchungsbehörden somit das Bestehen eines dringenden Tatverdachts mit vertretbaren Gründen bejahen durften. Im Haftprüfungsverfahren genügt der Nachweis von konkreten Verdachtsmomenten, wonach das inkriminierte Verhalten mit erheblicher Wahrscheinlichkeit die fraglichen Tatbestandsmerkmale erfüllen könnte. Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen lässt keinen Raum für ausgedehnte Beweismassnahmen. Zur Frage des dringenden Tatverdachts hat das Haftgericht weder ein eigentliches Beweisverfahren durchzuführen, noch dem erkennenden Strafgericht vorzugreifen. Vorbehalten bleibt allenfalls die Abnahme eines liquiden Alibibeweises (BGE 137 IV 122 E. 3.2 S. 126 f. mit Hinweisen).
Bei Beginn der Strafuntersuchung sind die Anforderungen an den dringenden Tatverdacht noch geringer. Im Laufe des Strafverfahrens ist ein immer strengerer Massstab an die Erheblichkeit und Konkretheit des Tatverdachts zu stellen (BGE 137 IV 122 E. 3.1 und 3.3 S. 126 f. mit Hinweis).
"Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen", in welchen sich belastende Aussagen des mutmasslichen Opfers und bestreitende Aussagen der beschuldigten Person gegenüberstehen, müssen keineswegs zwingend oder auch nur höchstwahrscheinlich gestützt auf den Grundsatz "in dubio pro reo" zu einem Freispruch führen. Die einlässliche Würdigung der Aussagen der Beteiligten wird Sache des urteilenden Gerichts sein. Stuft die Vorinstanz gestützt auf eine summarische Beweiswürdigung die Aussagen des mutmasslichen Opfers als glaubhafter als jene des Beschuldigten ein und folgert sie gestützt darauf, eine Verurteilung erscheine wahrscheinlich, verletzt dies kein Bundesrecht (BGE 137 IV 122 E. 3.3 S. 127).
3.3. Der Vorwurf, der Beschwerdeführer habe auch die Söhne geschlagen, stützt sich einzig auf die belastenden Aussagen der Ehefrau. Die Vorinstanz würdigt diese als nicht unglaubhaft. Die kleineren Ungenauigkeiten und Widersprüche seien nicht geeignet, die Glaubhaftigkeit zu erschüttern.
Dem ist zuzustimmen. Der Beschwerdeführer nennt keinen Grund dafür, weshalb ihn die Ehefrau zu Unrecht belasten sollte. Das ist auch nicht ersichtlich. Wie gesagt, bedeutet der Umstand, dass Aussage gegen Aussage steht, keineswegs, dass es zu einem Freispruch kommen muss. Wenn sich der Beschwerdeführer zu Einzelheiten der Würdigung der Aussagen der Ehefrau äussert, verkennt er, dass es im jetzigen Verfahrensstadium nicht Aufgabe des Bundesgerichts ist, eine umfassende Beweiswürdigung vorzunehmen. Das Verfahren befindet sich noch am Anfang. Der Beschwerdeführer konnte, da er Einvernahmeunfähigkeit geltend macht, noch nicht befragt werden. In Anbetracht dessen hält es vor Bundesrecht stand, wenn die Vorinstanz den dringenden Tatverdacht derzeit bejaht hat.
Die Beschwerde ist insoweit unbegründet.
4.
4.1. Der Beschwerdeführer rügt, das Kontaktverbot zu seinen Söhnen sei nicht verhältnismässig.
4.2. Ersatzmassnahmen stellen Zwangsmassnahmen gemäss Art. 196 ff. StPO dar. Diese können nur angeordnet werden, wenn sie verhältnismässig sind (Art. 197 Abs. 1 lit. c-d StPO i.V.m. Art. 36 Abs. 3 BV; Urteil 1B_246/2014 vom 26. August 2014 E. 2.1 mit Hinweisen). Auch ein Eingriff in das vom Beschwerdeführer angerufene Recht auf Familie (Art. 14 BV und Art. 8 EMRK) ist nur zulässig, wenn er verhältnismässig ist (Art. 36 Abs. 3 BV und Art. 8 Ziff. 2 EMRK).
4.3. Beim Beschwerdeführer besteht unstreitig Kollusionsgefahr. Diese ist als erheblich einzustufen. Das Kontaktverbot mit den Söhnen ist geeignet, Kollusionshandlungen zu verhindern. Dass diese mit milderen Massnahmen verhindert werden könnten, legt der Beschwerdeführer nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Unter den gegebenen Umständen ist das Kontaktverbot als zumutbar anzusehen. Die Kollusionsgefahr könnte höchstens behoben werden, wenn die Söhne einvernommen würden, was bisher noch nicht geschehen ist. Die Staatsanwaltschaft möchte den Söhnen aufgrund ihres Alters eine Einvernahme im Strafverfahren aber möglichst ersparen. Dies ist nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer konnte, wie gesagt, noch nicht befragt werden, da er Einvernahmeunfähigkeit geltend macht. Ob es sich dabei um eine Schutzbehauptung handelt, wird derzeit gutachterlich abgeklärt. Das Gutachten soll spätestens Ende März 2015 vorliegen. Dann wird Klarheit darüber bestehen, ob der Beschwerdeführer befragt werden kann. Sollte dies möglich sein, könnte sich, je nach dessen Aussagen, die Einvernahme der Söhne als überflüssig erweisen. Damit ist die Aufrechterhaltung des Kontaktverbots zu den Söhnen derzeit noch als verhältnismässig anzusehen. Sollte der Beschwerdeführer tatsächlich einvernahmeunfähig sein, dürfte sich die staatsanwaltschaftliche Befragung der Söhne kaum mehr vermeiden lassen. Diese wäre dann zügig durchzuführen. Danach wäre die Frage des Kontaktverbots neu zu beurteilen.
Die Beschwerde ist auch im vorliegenden Punkt unbegründet.
5.
Die Beschwerde ist abzuweisen.
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Da er seine finanzielle Bedürftigkeit ausreichend glaubhaft macht und die Beschwerde nicht zum Vornherein aussichtslos war, ist dem Gesuch stattzugeben (Art. 64 BGG). Es werden deshalb keine Kosten erhoben und dem Vertreter des Beschwerdeführers wird eine Entschädigung ausgerichtet.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen.
3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
4.
Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Abdullah Karakök, wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- ausgerichtet.
5.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft IV und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 16. Februar 2015
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Misic