BGer 6B_948/2013
 
BGer 6B_948/2013 vom 22.01.2015
{T 0/2}
6B_948/2013
 
Urteil vom 22. Januar 2015
 
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,
Gerichtsschreiberin Andres.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Postfach 3439, 6002 Luzern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Verfahrenseinstellung, Verfahrenskosten und Entschädigung, Einziehung; rechtliches Gehör,
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Luzern, 1. Abteilung, vom 13. August 2013.
 
Sachverhalt:
A. Die Ehefrau von X.________ meldete sich am 2. April 2012 bei der Polizei und übergab ihr eine Pistole SIG 220, Modell 75. Sie führte aus, X.________ habe am 9. März 2012 den gemeinsamen Sohn und sie im Rahmen einer familiären Auseinandersetzung mit einer geladenen Pistole bedroht.
B. Die Staatsanwaltschaft sistierte am 4. Juli 2012 auf Gesuch der nunmehr von X.________ getrennt lebenden Ehefrau das Verfahren wegen Drohung zu deren Nachteil und stellte es am 18. April 2013 gestützt auf Art. 55a Abs. 3 StGB i.V.m. Art. 319 Abs. 1 lit. e StPO ein. Sie auferlegte X.________ die Verfahrenskosten von Fr. 540.50, verweigerte ihm eine Entschädigung sowie Genugtuung und zog die Pistole SIG 220, Modell 75, zur Vernichtung ein. Die Kosten des Verteidigers von X.________ und des Rechtsvertreters der Ehefrau auferlegte sie dem Staat.
C. X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der angefochtene Beschluss sei aufzuheben und mit den notwendigen Weisungen an die Vorinstanz, eventualiter an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen.
D. Das Kantonsgericht und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern lassen sich vernehmen und beantragen, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. X.________ hält in seiner Replik an seiner Auffassung fest.
 
Erwägungen:
1. Der Beschwerdeführer kritisiert unter anderem, dass das Verfahren gegen ihn eingestellt wurde. Darauf ist mangels Beschwer nicht einzutreten (vgl. Urteile 6B_155/2014 vom 21. Juli 2014 E. 1 und 1B_536/2012 vom 9. Januar 2013 E. 1). Soweit er in diesem Zusammenhang eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs rügt, ist er zwar legitimiert (vgl. BGE 138 IV 248 E. 2 S. 250 mit Hinweis), die Rüge jedoch unbegründet. Aus der vorinstanzlichen Begründung ergibt sich nachvollziehbar, weshalb seinem Ansinnen nach einer materiellen Beurteilung nicht entsprochen werden kann (Beschluss S. 4 f. Ziff. 3.1).
 
2.
2.1. Der Beschwerdeführer wendet sich sinngemäss gegen die Kostenauflage, die Verweigerung einer Entschädigung und Genugtuung sowie die Einziehung. Er bringt zusammengefasst vor, die Vorinstanz verletze in mehrfacher Hinsicht ihre Begründungspflicht und damit sein Recht auf rechtliches Gehör sowie ein faires Verfahren (Art. 29 und 30 BV).
 
2.2.
2.2.1. Die Einstellung des Verfahrens gestützt auf Art. 55a StGB hat in der Regel eine Kostenauflage zu Lasten des Staates zur Folge (vgl. Art. 423 Abs. 1 StPO). Von dieser Regelung kann abgewichen werden, wenn das strafbare Verhalten des Täters bewiesen ist, was namentlich der Fall ist, wenn dieser geständig ist (Urteil 6B_835/2009 vom 21. Dezember 2009 E. 4.3 mit Hinweisen, in: Pra 2010 Nr. 48 S. 351).
2.2.2. Gemäss Art. 320 Abs. 2 StPO i.V.m. Art. 69 Abs. 1 StGB verfügt die Staatsanwaltschaft ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Sicherungseinziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden. Die Sicherungseinziehung betrifft mithin die Einziehung von Gegenständen, die einen Bezug zu einer Straftat (Anlasstat) aufweisen, indem sie zu deren Begehung gedient haben oder hierzu bestimmt waren (Tatwerkzeuge) oder durch die Straftat hervorgebracht wurden (Tatprodukte). Es genügt eine tatbestandsmässige und rechtswidrige Straftat; Schuldausschliessungsgründe stehen einer Sicherungseinziehung nicht entgegen. Rechtfertigungsgründe beschlagen dagegen die Rechtswidrigkeit der Tat und hindern die Einziehung (vgl. BGE 117 IV 233 E. 3 S. 238; Florian Baumann, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, N. 7 zu Art. 69 StGB).
2.2.3. Wesentlicher Bestandteil des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO, Art. 29 Abs. 2 BV) ist die Begründungspflicht. Diese soll verhindern, dass sich die Behörde von unsachlichen Motiven leiten lässt, und dem Betroffenen ermöglichen, ihren Entscheid gegebenenfalls sachgerecht anzufechten. Dies ist nur möglich, wenn sowohl er wie auch die Rechtsmittelinstanz sich über die Tragweite des Entscheides ein Bild machen können. In diesem Sinn müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf welche sich ihr Entscheid stützt. Dies bedeutet indessen nicht, dass sie sich ausdrücklich mit jeder tatbestandlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen muss. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (BGE 139 IV 179 E. 2.2 S. 183 mit Hinweisen).
2.3. Der vorinstanzliche Beschluss ist ungenügend begründet und verletzt das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers. Die Vorinstanz gibt eingangs dessen Aussagen wieder und erwägt in rechtlicher Hinsicht, aus seiner Schilderung ergebe sich, dass er sich "qualifiziert fehlerhaft im Sinne von Art. 426 Abs. 2 StPO" verhalten habe. Es sei nicht zu beanstanden, wenn ihm die Staatsanwaltschaft die Verfahrenskosten auferlege und ihm eine Entschädigung für die wirtschaftlichen Einbussen sowie eine Genugtuung verweigere. Ferner stellt sie fest, es liege eine zur Einziehung berechtigende tatbestandsmässige und rechtswidrige Anlasstat vor (Beschluss S. 2 E. 1.2, S. 5 f. E. 3.2 f., S. 7 E. 3.4). Von welchem Sachverhalt sie ausgeht und inwiefern das Verhalten des Beschwerdeführers in objektiver sowie subjektiver Hinsicht einen Tatbestand erfüllt, legt die Vorinstanz nicht dar. Eine Drohung gemäss Art. 180 StGB würde insbesondere voraussetzen, dass das Opfer in Schrecken oder Angst versetzt wird; hierzu ist dem angefochtenen Beschluss nichts zu entnehmen. Auch geht die Vorinstanz nicht auf den bereits im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Einwand ein, wonach der Beschwerdeführer sich gegen aktuelle Angriffe verteidigt und in Notwehr gehandelt habe. Letztere wäre hinsichtlich der Rechtswidrigkeit und damit sowohl für die Kosten- und Entschädigungsfrage als auch für die Einziehung relevant. Insgesamt ergibt sich aus dem vorinstanzlichen Beschluss weder, dass ein strafbares Verhalten des Beschwerdeführers vorliegt, noch, inwiefern diesen ein zivilrechtliches Verschulden trifft, das die Kostenauflage und die Verweigerung einer Entschädigung sowie Genugtuung rechtfertigen würde. Es genügt nicht, festzuhalten, der Beschwerdeführer habe sich fehlerhaft verhalten.
2.4. Die Beschwerde ist in diesem Punkt begründet. Bei diesem Ausgang des Verfahrens können die übrigen Rügen offengelassen werden. Hält die Vorinstanz an den Kosten- und Entschädigungsfolgen sowie der Einziehung fest, wird sie prüfen müssen, ob ihre Heilung einer allfälligen Gehörsverletzung durch die Staatsanwaltschaft im Einstellungsentscheid sowie ihre Präzisierung hinsichtlich der Pistole im Beschwerdeverfahren kostenwirksam berücksichtigt werden muss.
3. Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen, der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, der Beschluss des Kantonsgerichts Luzern vom 13. August 2013 aufgehoben und die Sache zur neuen Beurteilung an das Kantonsgericht zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3. Es wird keine Entschädigung ausgerichtet.
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 1. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 22. Januar 2015
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Die Gerichtsschreiberin: Andres