BGer 6B_716/2014
 
BGer 6B_716/2014 vom 17.10.2014
{T 0/2}
6B_716/2014
 
Urteil vom 17. Oktober 2014
 
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Denys, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Briw.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Fingerhuth,
Beschwerdeführer,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Anklagegrundsatz, Verwertbarkeit von Beweismitteln (vorsätzliche Tötung),
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 5. Mai 2014.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Das Rechtsbegehren, "die Sache im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen", genügt den gesetzlichen Anforderungen von Art. 42 Abs. 1 BGG nicht. Die Beschwerde muss einen Antrag in der Sache enthalten (Urteil 6B_174/2014 vom 17. Juli 2014 E. 1). Ein kassatorisches Begehren reicht aus, wenn sich aus der Begründung ergibt, was mit der Beschwerde angestrebt wird (Urteile 6B_515/2014 vom 26. August 2014 E. 1 und 1C_809/2013 vom 13. Juni 2014 E. 1).
1.2. In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 140 III 86 E. 2). Strengere Anforderungen gelten für Verletzungen von Grundrechten und von kantonalem Recht (Art. 42 Abs. 2 i.V.m Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG), insbesondere bei Willkürrügen betreffend die Sachverhaltsfeststellung (BGE 140 III 264 E. 2.3) oder Anwendung kantonalen Prozessrechts (vgl. BGE 138 IV 13 E. 2; 138 I 143 E. 2, 225 E. 3.1 und 3.2). Soweit der Beschwerdeführer seine Berufungsschrift und Erwägungen der Vorinstanz in die Beschwerde hineinkopiert, ist darauf nur in dem Umfang einzutreten, als klar dargelegt wird, "inwiefern" das Urteil seine Rechtsansprüche verletzt. Das Urteil wird vom Bundesgericht nicht von Amtes wegen insgesamt geprüft.
 
2.
2.1. Die Vorinstanz führt aus, die genauen Tatumstände liessen sich nicht mehr bis ins Detail rekonstruieren, weil die Obduktion der mehrere Wochen in einem Flachmoorgebiet versenkten Leiche keine eindeutigen und gesicherten medizinischen Erkenntnisse zum Todeszeitpunkt und zur Todesursache mehr zuliess. Die Ungenauigkeiten der Anklageschrift basierten weder auf einer unzulänglichen Untersuchung noch einer nachlässigen Anklageerhebung. Die Anklagebehörde habe sich gezwungen gesehen, die Tatzeit, den Tatort und die Tatbegehung relativ offen zu formulieren. Die Vorinstanz verweist auf ein mit dem bundesgerichtlichen Urteil 1P.87/2002 vom 17. Juni 2002 abgeschlossenes Strafverfahren vor dem Zürcher Geschworenengericht. Auch in diesem Fall sei die Anklagebehörde aufgrund der Tatsache, dass der Leichnam mit Ausnahme des Schädels nie gefunden wurde, nicht in der Lage gewesen, die genaue Todesursache, den Tatort und den genauen Zeitpunkt der Tötung zu nennen. Wenn gewisse Tatumstände nicht ermittelt werden können, führten darauf beruhende ungenaue oder unpräzise Anklageformulierungen nicht zur Ungültigkeit der Anklage. Das Bundesgericht habe sich dieser Argumentation angeschlossen.
2.2. In der Anklageschrift wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe vorsätzlich einen Menschen getötet, "indem er an einem nicht mehr genau eruierbaren Datum und Zeitpunkt, jedenfalls aber während des Zeitraums vom 3. April 2010, im Verlaufe des früheren Nachmittages, bis zum 1. Mai 2010, ca. 21.00 Uhr, vermutlich indes am 3. April 2010, im Verlaufe des späteren Nachmittages oder Abends, bzw. verhältnismässig zeitnah später, an einer nicht mehr genau bestimmbaren Örtlichkeit, mutmasslich aber am (dannzumal) gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Geschädigten [...], (mit-) bewohnten Domizil [...], bzw. der näheren Umgebung, auf nicht mehr zu ermittelnde Art und Weise auf die körperliche Integrität der Geschädigten [...] einwirkte, so dass diese dadurch - wie vom Beschuldigten beabsichtigt, zumindest aber in Kauf genommen - zu Tode kam bzw. verstarb (vorsätzliche Tötung im Sinne von Art. 111 StGB), worauf der Beschuldigte den Leichnam der Geschädigten [...] in einem (Flach-) Moorgebiet namens "Hänsiried" [...], mithin nur wenige hundert Meter von seinem (dannzumaligen) Domizil entfernt, ablegte, wo dieser am 1. Mai 2010, ca. 21.00 Uhr, aufgefunden wurde."
2.3. Nach dem Anklagegrundsatz in Art. 9 Abs. 1 StPO kann eine Straftat nur gerichtlich beurteilt werden, wenn die Staatsanwaltschaft gegen eine bestimmte Person wegen eines genau umschriebenen Sachverhalts beim zuständigen Gericht Anklage erhoben hat. Die Anklageschrift bestimmt den Gegenstand des Gerichtsverfahrens und bezweckt den Schutz der Verteidigungsrechte, insbesondere die Gewährung des rechtlichen Gehörs. Gemäss Art. 325 Abs. 1 lit. f. StPO bezeichnet die Anklageschrift möglichst kurz, aber genau: die der beschuldigten Person vorgeworfenen Taten mit Beschreibung von Ort, Datum, Zeit, Art und Folgen der Tatausführung.
2.4. In der Anklageschrift wird dem Beschwerdeführer vorgeworfen, seine Frau vorsätzlich getötet und im Flachmoor abgelegt zu haben. Zeitlich wird die Tat zwischen dem Verschwinden des Opfers am 3. April 2010 und dem Auffinden der Leiche am 1. Mai 2010 eingeschränkt, wobei die Behörde vom 3. April 2010 ausgeht (vermutlich). Als Tatort wird das gemeinsame Domizil genannt (mutmasslich). Die Tathandlung wird als "Einwirken" auf den Körper umschrieben, so dass das Opfer "zu Tode kam".
 
3.
3.1. Die am 1. Januar 2011 in Kraft gesetzte Schweizerische Strafprozessordnung regelt das Übergangsrecht in Art. 448 Abs. 2 StPO eindeutig: "Verfahrenshandlungen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt worden sind, behalten ihre Gültigkeit." Das gilt auch für die Verwertbarkeit altrechtlich erhobener Beweise (Urteile 6B_1191/2013 vom 28. August 2014 E. 1, 6B_527/2013 vom 25. März 2014 E. 1.3 und 6B_610/2013 vom 12. Dezember 2013 E. 3.3). So behalten Einvernahmen unter der Geltung kantonaler Strafprozessgesetze ihre Gültigkeit, auch wenn sie den Anforderungen der StPO nicht genügen sollten, soweit sie im Einklang mit BV und EMRK stehen (Urteil 6B_89/2014 vom 1. Mai 2014 E. 1.2 mit Hinweisen).
3.2. Der Beschwerdeführer führt aus, er sei in der Hafteinvernahme (Beschwerde S. 13) nicht verteidigt worden, obwohl ein Fall notwendiger Verteidigung vorlag. Das verstosse gegen Art. 448 i.V.m. Art. 159 und Art. 147 StPO.
3.3. Die polizeiliche Befragung von A.________ am 18. November 2010 war nichtig, soweit sie den Beschwerdeführer belastete (§§ 14 und 15 StPO/ZH). Die Vorinstanz schliesst daraus nicht auf die Unverwertbarkeit der Aussagen von B.________ sowie der Abklärungen zum BMW auf eBay (betreffend Kardanwelle, mit welcher der Leichnam belastet war), weil dieser aufgrund der weitreichenden und gründlichen Ermittlungen ohnehin befragt worden und es auch ohne die Aussagen von A.________ bekannt geworden wäre, dass B.________ einen BMW besass (dessen Bestandteile er nach einem Unfall verkaufte). Dessen Aussagen sind verwertbar, wie die Vorinstanz im Übrigen zutreffend gestützt auf die in BGE 138 IV 169 E. 3 referierte Rechtsprechung ausführt (Urteil S. 15 f.).
3.4. Der Beschwerdeführer anerkennt, dass die Gutachten in Kenntnis von Art. 307 StGB erstellt wurden. An wen das Gutachten erteilt und wer konkret auf die Straffolgen von Art. 307 StGB hingewiesen wurde, ergebe sich aber nicht aus der mündlichen Auftragserteilung. Die Beweislast trage der Auftraggeber. Die Gutachten seien unverwertbar.
3.5. Der Beschwerdeführer macht geltend, bei den Vergleichsfahrten sei es um eine Tatrekonstruktion und einen Augenschein gegangen. Bereits nach früherem Recht habe ein Teilnahmerecht bestanden. Die vorinstanzliche Erwägung, dass es sich bei den Vergleichsfahrten um das Sammeln von Informationen im Rahmen des polizeilichen Ermittlungsverfahrens handelte, sei falsch und ein klarer Verstoss gegen § 107 Abs. 2 StPO/ZH.
 
4.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, und Rechtsanwältin Marianne Schaub-Hristic, Winterthur, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 17. Oktober 2014
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Mathys
Der Gerichtsschreiber: Briw