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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
8C_89/2014 {T 0/2}
Urteil vom 24. Juli 2014
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Frésard,
Gerichtsschreiber Nabold.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Yves Minnier,
Beschwerdeführer,
gegen
IV-Stelle Schaffhausen,
Oberstadt 9, 8200 Schaffhausen,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Schaffhausen vom 17. Dezember 2013.
Sachverhalt:
A.
Der 1984 geborene A.________ ist seit seinem zehnten Lebensjahr krankheitsbedingt querschnittsgelähmt. Mit Verfügung vom 27. Juni 2001 sprach die IV-Stelle Schaffhausen dem Versicherten berufliche Massnahmen zu. Daraufhin absolvierte er erfolgreich eine Lehre als Elektropraktiker. Nach Abschluss dieser Ausbildung stellte die IV-Stelle mit Verfügung vom 19. August 2004 fest, dass A.________ rentenauschliessend eingegliedert sei. In der Folge unterstützte ihn die IV-Stelle bei der Stellensuche, wobei der Versicherte als aktiver Behindertensportler lediglich ein reduziertes Arbeitspensum anstrebte. Am 11. Mai 2005 schloss A.________ mit der B.________ AG einen Arbeitsvertrag mit einem Pensum von 60 % ab. Daraufhin stellte die IV-Stelle mit Verfügung vom 1. Juli 2005 fest, dass die Arbeitsvermittlung erfolgreich abgeschlossen und A.________ rentenausschliessend eingegliedert sei.
Am 21. April 2009 meldete sich A.________ zum Bezug einer Invalidenrente an. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens wies die IV-Stelle das Leistungsgesuch mit Verfügung vom 26. April 2010 ab, da keine Verschlechterung des Gesundheitszustandes seit dem 1. Juli 2005 ausgewiesen sei.
Auf ein erneutes Leistungsgesuch des Versicherten trat die IV-Stelle nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens mit Verfügung vom 29. Oktober 2012 nicht ein, da weiterhin keine Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten sei und die beiden Verfügungen vom 19. August 2004 und vom 1. Juli 2005 nicht offensichtlich unrichtig gewesen seien.
B.
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen mit Entscheid vom 17. Dezember 2013 ab, soweit es auf sie eintrat.
C.
Mit Beschwerde beantragt A.________, es seien unter Aufhebung der Verfügung vom 29. Oktober 2012 und des kantonalen Gerichtsentscheides vom 17. Dezember 2013 die Verfügungen vom 19. August 2004 und vom 1. Juli 2005 in Wiedererwägung zu ziehen und ihm rückwirkend ab dem 1. Mai 2007 eine halbe Invalidenrente auszurichten.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
2.
2.1. Gemäss Art. 53 Abs. 2 ATSG kann der Versicherungsträger auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Diese Bestimmung wurde in Anlehnung an die bis zum Inkrafttreten des ATSG (am 1. Januar 2003) von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien (BGE 127 V 466 E. 2c S. 469 oben mit Hinweisen) erlassen. Dabei wird in Übereinstimmung mit Lehre und Rechtsprechung das Zurückkommen auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide beim Fehlen eigentlicher Revisionsgründe weiterhin in das Ermessen des Versicherungsträgers gelegt (vgl. BBl 1991 II 262). Die bisherige Rechtsprechung, wonach die Verwaltung weder vom Betroffenen noch vom Gericht zu einer Wiedererwägung verhalten werden kann und mithin kein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Wiedererwägung besteht (BGE 117 V 8 E. 2a S. 12 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 119 V 475 E. 1b/cc S. 479), wurde demnach in Art. 53 Abs. 2 ATSG gesetzlich verankert (BGE 133 V 50 E. 4.1 S. 52 und E. 4.2.1 S. 54; KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl., N 35 zu Art. 53).
2.2. Auf eine Beschwerde gegen ein Nichteintreten auf ein Wiedererwägungsgesuch oder allenfalls gegen einen das Nichteintreten bestätigenden Einspracheentscheid (vgl. aber BGE 133 V 50 E. 4.2.2 S. 55) der Verwaltung kann das Gericht nach dem hievor Gesagten auch unter der Geltung des ATSG nicht eintreten. Art. 56 Abs. 1 ATSG weist auf diese Ausnahme vom Beschwerderecht zwar nicht ausdrücklich hin. Sie ergibt sich aber ohne weiteres aus dem Umstand, dass das Eintreten auf ein Wiedererwägungsgesuch im Ermessen des Versicherungsträgers liegt (Art. 53 Abs. 2 ATSG; BGE 133 V 50 E. 4.2.1 in fine S. 54 f.).
2.3. Wenn die Verwaltung hingegen auf ein Wiedererwägungsgesuch eintritt, die Wiedererwägungsvoraussetzungen prüft und anschliessend einen erneut ablehnenden Sachentscheid trifft, ist dieser mit Einsprache und hernach beschwerdeweise anfechtbar. Die entsprechende Überprüfung hat sich in einem solchen Falle indessen auf die Frage zu beschränken, ob die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung der bestätigten Verfügung gegeben sind. Thema des Ein- sprache- und des Beschwerdeverfahrens bildet also einzig die Prüfung, ob der Versicherungsträger zu Recht die ursprüngliche, formell rechtskräftige Verfügung nicht als zweifellos unrichtig und/oder deren Korrektur als von unerheblicher Bedeutung qualifizierte (BGE 119 V 475 E. 1b/cc S. 479, 117 V 8 E. 2a S. 13, 116 V 62).
3.
3.1. Gemäss dem Wortlaut des Dispositivs der Verfügung vom 29. Oktober 2012 trat die IV-Stelle mit ihr nicht auf das erneute Leistungsgesuch des Versicherten ein. Die Vorinstanz ging davon aus, dass dieser Wortlaut den Bedeutungsgehalt der Verfügung korrekt wiedergibt. Da der Beschwerdeführer nicht länger eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes seit der Verfügung vom 26. April 2010 geltend machte, durfte die Vorinstanz - so ihre Würdigung zum Bedeutungsgehalt dieser Verfügung zutrifft - nach der in E. 2 hievor dargelegten Rechtsprechung nicht auf seine Beschwerde eintreten. Die Beschwerde des Versicherten vor Bundesgericht wäre ohne weiteres abzuweisen.
3.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, nach dem tatsächlichen Bedeutungsgehalt der Verfügung vom 29. Oktober 2012 sei die IV-Stelle auf sein Wiedererwägungsgesuch eingetreten, habe dieses materiell geprüft und abgewiesen. Ob dies zutrifft, kann aus folgendem Grund offenbleiben: Nach der in E. 2.3 hievor dargelegten Rechtsprechung wäre diesfalls Prozessthema, ob die IV-Stelle zu Recht die ursprünglichen, formell rechtskräftigen Verfügungen vom 19. August 2004 und vom 1. Juli 2005 nicht als zweifellos unrichtig qualifizierte. Diese Frage ist indessen zu bejahen: Die Verfügung vom 1. Juli 2005 basierte unter anderem auf den Stellungnahmen des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) vom 27. Oktober 2004 und vom 13. Juni 2005, wonach beim Versicherten von einer mindestens 80 %-igen Arbeitsfähigkeit als Elektropraktiker auszugehen ist. Da diese ärztliche Stellungnahme überzeugend begründet ist und nicht bestritten wurde, hat die IV-Stelle beim Erlass der Verfügung vom 1. Juli 2005 ihre Abklärungspflicht jedenfalls nicht in einem Masse verletzt, welches die Verfügung aus dem Grund als zweifellos unrichtig erscheinen liesse. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Versicherte vom RAD nicht persönlich untersucht worden ist (vgl. auch Urteil 8C_421/2013 vom 24. Juli 2013 E. 2.3.2). Nicht als zweifellos unrichtig erscheint es im Weiteren, dass die Beschwerdegegnerin sowohl bei der Bestimmung des Validen- als auch des Invalideneinkommens vom Lohn eines Elektropraktikers ausgegangen ist; somit ergibt sich bei einer 80 %-igen Arbeitsfähigkeit in diesem Beruf kein rentenbegründender Invaliditätsgrad von mindestens 40 %. Da demnach mindestens die Verfügung vom 1. Juli 2005 nicht zweifellos unrichtig war, kann offenbleiben, ob die IV-Stelle auch vor Erlass der Verfügung vom 19. August 2004 den Sachverhalt genügend abgeklärt hatte. Die Beschwerde des Versicherten wäre somit auch dann abzuweisen, wenn man davon ausginge, die IV-Stelle sei mit Verfügung vom 29. Oktober 2012 auf sein Wiedererwägungsgesuch eingetreten und habe dieses abgewiesen.
4.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Schaffhausen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 24. Juli 2014
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Leuzinger
Der Gerichtsschreiber: Nabold