BGer 5D_9/2014
 
BGer 5D_9/2014 vom 11.04.2014
{T 0/2}
5D_9/2014
 
Urteil vom 11. April 2014
 
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Bovey,
Gerichtsschreiber Zingg.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Martin Schwaller,
Beschwerdeführer,
gegen
Y.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Brigitte Bitterli,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Ehescheidung (Güterrecht),
Verfassungsbeschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht, 1. Kammer, vom 19. November 2013.
 
Sachverhalt:
A. Am 29. Juli 2010 klagte X.________ gegen seine Ehefrau, Y.________, beim Bezirksgericht Aarau auf Scheidung. Er verlangte unter anderem die Feststellung, dass die Parteien güterrechtlich per Saldo aller Ansprüche auseinandergesetzt seien. Die Beklagte widersetzte sich der Scheidung. Im Güterrechtspunkt verlangte sie eventualiter eine Ausgleichszahlung im Umfang der Hälfte des Werts aller in der Türkei gelegenen Grundstücke des Klägers.
Die Verhandlung vor dem Bezirksgericht fand am 12. Januar 2011 statt. Die Beklagte blieb ihr unentschuldigt fern. Die Parteivertreter erstatteten mündlich Klageantwort, Replik und Duplik und der Kläger wurde befragt. Die Parteivertreter verzichteten auf eine abschliessende Stellungnahme zum Beweisergebnis und auf Rechtserörterungen. Am 9. Februar 2011 schied das Bezirksgericht die Ehe der Parteien. Es stellte fest, dass sieben in der Türkei gelegene Grundstücke Errungenschaft darstellten und die Beklagte Anspruch auf die Hälfte des Nettowertes dieser Grundstücke habe.
X.________ erhob gegen dieses Urteil am 23. August 2011 Berufung an das Obergericht des Kantons Aargau, das die Berufung am 7. März 2012 teilweise guthiess und die Sache hinsichtlich des Güterrechts an das Bezirksgericht zurückwies.
Vor Bezirksgericht hielt der Kläger an seinem Antrag auf Feststellung, dass die Parteien güterrechtlich auseinandergesetzt seien, fest (Eingabe vom 5. Juni 2012), während die Beklagte einen Betrag von TL 26'925.-- (ca. Fr. 15'000.--) verlangte. Mit Entscheid vom 27. Februar 2013 verpflichtete das Bezirksgericht den Kläger zu einer güterrechtlichen Ausgleichszahlung an die Beklagte von Fr. 13'852.10 und hielt fest, dass die Parteien mit Vollzug dieser Anordnung güterrechtlich per Saldo aller Ansprüche auseinandergesetzt seien. Den Parteien wurde die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt.
B. Mit Berufung vom 16. September 2013 an das Obergericht wandte sich X.________ gegen die ihm auferlegte güterrechtliche Ausgleichszahlung. Zudem ersuchte er um unentgeltliche Rechtspflege für das Berufungsverfahren.
Mit Entscheid vom 19. November 2013 wies das Obergericht die Berufung und das Gesuch von X.________ um unentgeltliche Rechtspflege ab.
C. Am 20. Januar 2014 hat X.________ (Beschwerdeführer) subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben. Er verlangt die Aufhebung des Urteils vom 19. November 2013. Die Sache sei an das Obergericht zurückzuweisen. Eventuell sei einerseits festzustellen, dass die Parteien güterrechtlich per Saldo aller Ansprüche auseinandergesetzt seien, und andererseits sei ihm in Gutheissung seines Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- zuzusprechen. Auch für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege.
Das Bundesgericht hat die Akten beigezogen, aber keine Vernehmlassungen eingeholt.
 
Erwägungen:
1. Die rechtzeitig erhobene Beschwerde richtet sich gegen den Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz, die als oberes Gericht über eine vermögensrechtliche Zivilsache entschieden hat (Art. 113, Art. 72 Abs. 1, Art. 114 i.V.m. Art. 75 und Art. 117 i.V.m. Art. 90 und Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 46 Abs. 1 lit. c BGG). Der Streitwert erreicht Fr. 30'000.-- nicht (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Der Beschwerdeführer macht am Rande geltend, es könnte eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG). Er bezieht dies einzig auf die Frage, ob ihm vor Obergericht die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren ist. Insoweit geht es um den Begriff der Aussichtslosigkeit (unten E. 3.3). Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass ihm die ZPO weitergehende Ansprüche einräumt als Art. 29 Abs. 3 BV (vgl. BGE 138 III 217 E. 2.2.4 S. 218), so dass es bereits an einer genügenden Begründung fehlt, weshalb eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen soll (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die Eingabe ist deshalb insgesamt als subsidiäre Verfassungsbeschwerde zu behandeln.
Mit der Verfassungsbeschwerde kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 116 BGG). Diesen Vorwurf prüft das Bundesgericht nicht von Amtes wegen, sondern nur insoweit, als eine entsprechende Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Dies bedeutet, dass klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen ist, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (BGE 135 III 232 E. 1.2 S. 234; 134 I 83 E. 3.2 S. 88). Will der Beschwerdeführer insbesondere die Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) geltend machen, reicht es nicht aus, wenn er die Lage aus seiner eigenen Sicht darlegt und den davon abweichenden angefochtenen Entscheid als willkürlich bezeichnet. Vielmehr muss er im Einzelnen darlegen, inwiefern das kantonale Gericht willkürlich entschieden haben soll und der angefochtene Entscheid deshalb an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246).
2. Das Bezirksgericht hat auf das Scheidungsverfahren bis zu seinem ersten Urteil vom 9. Februar 2011 die Zivilprozessordnung des Kantons Aargau vom 18. Dezember 1984 (fortan: ZPO/AG) angewandt, und das Verfahren nach der Rückweisung durch das Obergericht unter Anwendung der eidgenössischen ZPO weitergeführt. Das Obergericht hat festgehalten, dass Letzteres zwar gegen die bundesgerichtliche Rechtsprechung verstosse (unter Hinweis auf Urteil 4A_40/2013 vom 30. April 2013 E. 2.3.1), dass dies aber nicht zwingend eine erneute Rückweisung zur Folge haben müsse. Das Bezirksgericht habe gegen keine grundlegende prozessuale Bestimmung verstossen. Insbesondere sei das Behauptungs- und Beweisverfahren schon in der ersten Prozessphase abgeschlossen und im Rückweisungsverfahren keine Wiederholung oder Ergänzung angeordnet worden.
In materieller Hinsicht haben Bezirks- und Obergericht auf die güterrechtliche Auseinandersetzung den schweizerischen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung angewendet. Umstritten war die Massenzuordnung mehrerer, in der Türkei gelegener Grundstücke des Beschwerdeführers (sechs Miteigentumsanteile in A.________ und ein in seinem Alleineigentum stehendes Grundstück in B.________).
Vor Obergericht hielt der Beschwerdeführer daran fest, dass er die Miteigentumsanteile von seinem Vater geerbt habe und sie deshalb zu seinem Eigengut gehörten. Zwar fehlten Erbbescheinigungen oder grundbuchliche Eintragungen, doch habe er gestützt auf Art. 8 ZGB einen Anspruch darauf, dass sein vor Bezirksgericht gestellter Beweisantrag auf Befragung der Beschwerdegegnerin abgenommen werde. Das Obergericht habe ihm im Rückweisungsentscheid entgegengehalten, er habe es nach dem Fernbleiben der Beschwerdegegnerin versäumt, seinen Beweisantrag zu wiederholen. Dies sei jedoch nicht haltbar und überspitzt formalistisch. Schliesslich sei die Beurteilung durch das Bezirksgericht aktenwidrig, wonach sich aus der türkischen Verkehrswertschätzung keine Hinweise auf den Erwerb der Grundstücke durch Erbschaft ergäben. Die englische Übersetzung weise offenbar einen anderen Inhalt auf als das Original.
Das Obergericht hielt diesen Einwänden entgegen, der Beschwerdeführer verkenne die Bindungswirkung des obergerichtlichen Rückweisungsentscheids vom 7. März 2012. Darin sei die Zuordnung der Grundstücke in die Errungenschaft geschützt worden. Das Obergericht habe damals eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zufolge Verzichts auf die Befragung der Beklagten zu den güterrechtlichen Verhältnissen verneint. Aufgrund der Bindungswirkung sei es sowohl dem Bezirksgericht wie auch den Parteien verwehrt, von einem anderen als dem bisherigen Sachverhalt auszugehen oder die Sache unter rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, die im Rückweisungsentscheid ausdrücklich abgelehnt oder nicht in Erwägung gezogen worden seien. Vorbehalten seien allenfalls zulässige Noven. In seiner Stellungnahme vom 5. Juni 2012 an das Bezirksgericht habe der Beschwerdeführer nach der Rückweisung zwar Noven vorgebracht (insbesondere die Berufung auf die Übersetzungsfehler). Diese seien unzulässig, da weder behauptet noch ersichtlich sei, weshalb sie nicht bereits im Behauptungsverfahren hätten vorgebracht werden können.
Vor Obergericht hat sich der Beschwerdeführer ausserdem darauf berufen, dass ein allfälliges Errungenschaftsvermögen jedenfalls mit Schulden in der Höhe von TL 60'000.-- gegenüber seinem türkischen Anwalt belastet wäre. Das Bezirksgericht hatte dazu festgehalten, der Beschwerdeführer habe dies weder genügend substanziiert noch bewiesen. Seine Behauptung, dass für die Herausgabe der Anwaltsvollmacht oder von Honorarrechnungen eine gerichtliche Aufforderung nötig wäre, sei unglaubwürdig. Das Obergericht hat die bezirksgerichtliche Erwägung geschützt und die zusätzliche Behauptung des Beschwerdeführers, wegen der Üblichkeit mündlicher Abmachungen im Nahen Osten dürfe ein türkischer Anwalt seinem Klienten Unterlagen nur auf amtliche Aufforderung hin herausgeben, als nicht nachvollziehbar und nicht überzeugend verworfen.
Schliesslich hat das Obergericht das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen, da die Erhebung des Rechtsmittels aussichtslos gewesen sei.
 
3.
3.1. Der Beschwerdeführer bestreitet vor Bundesgericht, auf die Befragung der Beschwerdegegnerin verzichtet zu haben. Durch die Rückweisung an das Bezirksgericht sei das Verfahren wieder in ein früheres Stadium zurückversetzt worden und die Parteien hätten Anspruch auf Erstattung von Beweis- und Rechtserörterungen gehabt (unter Hinweis auf § 196 Abs. 1 i.V.m. § 191 ZPO/AG). So habe er denn am 5. Juni 2012 nochmals die Befragung der Beschwerdegegnerin beantragt. Dass er den Antrag an der Gerichtsverhandlung vom 12. Januar 2011 nicht wiederholt habe, stelle keinen Verzicht auf diesen dar. Die Nichtbefragung verletze seinen Beweisführungsanspruch (Art. 8 ZGB) und damit zugleich sein rechtliches Gehör sowie das Willkürverbot.
Der erste Teil des Verfahrens vor Bezirksgericht wurde nach der ZPO/AG durchgeführt. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwieweit diese willkürlich angewendet worden sein soll, wenn durch die Nicht-Wiederholung seines Antrags an der Verhandlung vom 12. Januar 2011 auf den Verzicht auf diesen Antrag geschlossen wurde. Der Beweisführungsanspruch nach Art. 8 ZGB ist an einen prozessrechtskonformen Beweismittelantrag gebunden (BGE 133 III 295 E. 7.1 S. 299). Wie sich aus seiner Berufung auf § 196 Abs. 1 i.V.m. § 191 ZPO/AG ergibt, geht der Beschwerdeführer offenbar davon aus, dass auch der zweite Teil des Verfahrens vor Bezirksgericht der ZPO/AG hätte unterstehen müssen. Er macht jedoch nicht geltend, die Erwägung des Obergerichts, in welcher sich dieses zum anwendbaren Verfahren äusserte, sei verfassungswidrig. Ebenso wenig erläutert er detailliert, inwiefern ihm die angerufenen oder weitere Normen der ZPO/AG oder auch Normen der effektiv angewandten eidgenössischen ZPO einen Anspruch verschaffen würden, einen zurückgezogenen Antrag später zu erneuern. Auf die Rüge ist nicht einzutreten.
3.2. Der Beschwerdeführer kommt sodann auf das Gutachten zurück, das den Erwerb der Grundstücke durch Erbfall belegen soll. Es sei aktenwidrig, dass die Vorinstanzen diesen Erwerbsgrund aus dem Gutachten nicht entnommen hätten. Dadurch würden wiederum der Beweisführungsanspruch und das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers verletzt. Da die Vorinstanz nicht auf die Widersprüche zwischen den Original und Übersetzung eingehe, sei ihr Urteil ungenügend begründet.
Der Beschwerdeführer setzt sich nicht damit auseinander, dass das Obergericht die Berufung auf den Übersetzungsfehler als unzulässiges Novum erachtet hat. Fehlt es somit an einer Auseinandersetzung mit den entscheiderheblichen Erwägungen des angefochtenen Urteils, ist auf die genannten Rügen nicht einzutreten.
3.3. Schliesslich wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege für das obergerichtliche Verfahren. Der Rückweisungsentscheid des Obergerichts sei vor Bundesgericht nicht anfechtbar gewesen. Somit könne ihm - anders als es das Obergericht unter Anrufung der Bindungswirkung getan habe - auch nicht vorgeworfen werden, in der zweiten Berufung seine Argumente zu wiederholen. Er habe seine Argumente wiederholen müssen, damit er diese schliesslich dem Bundesgericht vorlegen könne.
Das Obergericht hat bereits im Rückweisungsentscheid festgehalten, die Nicht-Einvernahme der Beschwerdegegnerin verletze das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers nicht. Selbst wenn diesbezüglich keine Bindungswirkung (für das Obergericht) bestehen sollte, so legt der Beschwerdeführer nicht dar, inwiefern seine zweite Berufung in diesem Punkt bessere Erfolgsaussichten gehabt haben sollte als seine erste Berufung. Im Übrigen hat das Obergericht erwogen, die Berufung sei auch insoweit aussichtslos gewesen, als keine Bindungswirkung bestanden habe (Schulden gegenüber dem Anwalt). Darauf geht der Beschwerdeführer nicht ein.
3.4. Insgesamt kann deshalb auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.
4. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, war die Beschwerde von Anfang an aussichtslos, so dass das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen ist (Art. 64 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 11. April 2014
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: von Werdt
Der Gerichtsschreiber: Zingg