BGer 6B_718/2013
 
BGer 6B_718/2013 vom 27.02.2014
{T 0/2}
6B_718/2013
 
Urteil vom 27. Februar 2014
 
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiberin Pasquini.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Marcel Grass,
Beschwerdeführerin,
gegen
1.  Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern,
2. A.________, vertreten durch Advokat Patrick Frey,
3. B.________, vertreten durch Advokat Erik Wassmer,
4. C.________, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christoph Hohler,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Einstellung (Vergewaltigung, sexuelle Nötigung); Grundsatz "in dubio pro duriore",
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Strafabteilung, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 21. Juni 2013.
 
Sachverhalt:
 
A.
X.________ erstattete am 15. Mai 2009 Strafanzeige gegen A.________, B.________ und einen unbekannten Täter wegen mehrfacher Vergewaltigung begangen ca. im November 2005 in der damals von A.________ gemieteten Dachwohnung.
 
B.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Region Oberland, stellte das Verfahren gegen A.________, B.________ und C.________ wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung zum Nachteil von X.________ mit Verfügung vom 12. Februar 2013 ein. Das Obergericht des Kantons Bern wies die dagegen gerichtete Beschwerde mit Beschluss vom 21. Juni 2013 ab.
 
C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Staatsanwaltschaft sei anzuweisen, die Strafuntersuchung gegen A.________, B.________ und C.________ wegen mehrfacher Vergewaltigung und mehrfacher sexueller Nötigung fortzuführen resp. Anklage zu erheben.
 
D.
Das Obergericht und die Generalstaatsanwaltschaft verzichteten auf eine Stellungnahme. B.________, C.________ und A.________ beantragen in ihren Vernehmlassungen sinngemäss , die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. Mit Eingabe vom 31. Januar 2014 nahm X.________ ihr Recht zur Replik war.
 
Erwägungen:
 
1.
Die Beschwerdeführerin ist durch die angezeigten Straftaten in ihren Rechten unmittelbar verletzt. Sie hat sich als Privatklägerin konstituiert. Der angefochtene Entscheid kann sich auf die Beurteilung ihrer vorbehaltenen Zivilansprüche auswirken (Strafanzeige vom 15. Mai 2009 S. 2). Sie ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 5 BGG zur Beschwerde berechtigt.
 
2.
2.1. Die Beschwerdeführerin rügt die Verletzung von Art. 319 StPO und des Grundsatzes "in dubio pro duriore". Die Vorinstanz gehe zu Unrecht davon aus, der Einstellungsgrund nach Art. 319 Abs. 1 lit. a StPO sei gegeben. Sie nehme den Entscheid in der Sache vorweg. Es sei nicht nur Anklage zu erheben, wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher erscheine als ein Freispruch, sondern auch in Zweifelsfällen, insbesondere, wenn es sich bei den angezeigten Taten - wie vorliegend - um schwere Sexualdelikte handle (Beschwerde S. 8-10 und S. 20).
2.2. Die Vorinstanz hält fest, es sei unbestritten, dass es zwischen der Beschwerdeführerin und den drei Beschwerdegegnern in der Wohnung des Beschwerdegegners 2 zu sexuellen Handlungen gekommen sei. Bestritten sei, ob dies einvernehmlich erfolgte (Beschluss S. 9 E. 5). Die Schwester der Beschwerdeführerin habe bestätigt, dass sich diese ihr anvertraut habe. Ihren Aussagen lasse sich aber nicht entnehmen, dass ihr die Beschwerdeführerin geschildert habe, wie sie ihren Widerstand kundgetan habe und auf welche Art und Weise sich die Beschwerdegegner über den Widerstand hinweg gesetzt hätten. Da zwischen den Schwestern ein enger Kontakt und ein Vertrauensverhältnis bestehe, mute dies eigenartig an. Aussagepsychologisch wäre zu erwarten gewesen, dass die Beschwerdeführerin ihrer Schwester die strafrechtlich relevanten Sachverhaltselemente detailliert erzählt hätte, sofern es sich um ein Geschehen gehandelt hätte, das gewaltsam gegen ihren erklärten Willen stattgefunden hätte. Das sei nicht der Fall (Beschluss S. 10 E. 5.3).
 
2.3.
2.3.1. Die Staatsanwaltschaft verfügt die Einstellung des Verfahrens unter anderem, wenn kein Tatverdacht erhärtet ist, der eine Anklage rechtfertigt (Art. 319 Abs. 1 lit. a StPO).
2.3.2. Eine sexuelle Nötigung und/oder eine Vergewaltigung begeht namentlich, wer bedroht, Gewalt anwendet, unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht. Diese Tatbestände dienen dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung und erfassen alle erheblichen Nötigungsmittel. Es genügt der ausdrückliche Wille, den Geschlechtsverkehr bzw. die sexuellen Handlungen nicht zu wollen (vgl. BGE 122 IV 97 E. 2b; 119 IV 309 E. 7b; je mit Hinweis). Der entgegenstehende Wille muss unzweideutig manifestiert werden. Die von der Rechtsprechung geforderte Gegenwehr des Opfers ist nichts anderes als eine tatkräftige und manifeste Willensbezeugung, mit welcher dem Täter unmissverständlich klargemacht wird, mit Geschlechtsverkehr oder sexuellen Handlungen nicht einverstanden zu sein. Unter dem Nötigungsmittel der Gewalt ist nicht mehr verlangt als das Mass an körperlicher Kraftentfaltung, das notwendig ist, um sich über die entgegenstehende Willensbetätigung des Opfers hinwegzusetzen (Urteil 6B_385/2012 vom 21. Dezember 2012 E. 3.3 mit Hinweisen). So bejahte das Bundesgericht das Nötigungsmittel der Gewalt in zwei Fällen, in denen sich der physisch überlegene Täter lediglich auf das Opfer gelegt hatte (Urteil 6S.558/1996 vom 2. Dezember 1996 E. 3) oder sich der Täter mit dem Gewicht seines Körpers auf das Opfer legte und es aufs Bett drückte (Urteil 6P.74/2004 vom 14. Dezember 2004 E. 9.2). Erwachsenen wird eine stärkere Gegenwehr zugemutet als Kindern und Jugendlichen (BGE 131 IV 167 E. 3.1 S. 171 mit Hinweisen). Vergewaltigung ist anzunehmen, wenn die Frau unter dem Druck des ausgeübten Zwangs zum Voraus auf Widerstand verzichtet oder ihn nach anfänglicher Abwehr aufgibt (BGE 126 IV 124 E. 3c S. 130 mit Hinweis).
2.4. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt, ist die Rüge unbegründet. Die Vorinstanz geht hinreichend auf ihre wesentlichen Ausführungen ein. Es ist nicht erforderlich, dass sie sich mit all ihren Vorbringen einlässlich auseinandersetzt und jedes ausdrücklich widerlegt (vgl. BGE 138 IV 81 E. 2.2; 137 II 266 E. 3.2; je mit Hinweisen).
2.5. Der von der Vorinstanz vorgenommenen Würdigung der Aussagen und ihren Schlussfolgerungen kann grösstenteils nicht gefolgt werden. Soweit sie die Aussagen der Beschwerdeführerin analysiert, scheint sie u.a. aufgrund der fehlenden Details in den Schilderungen zum Kerngeschehen von einer tiefen Aussagequalität auszugehen. In ihre Würdigung bezieht sie weder das Aussageverhalten noch die persönliche Kompetenz der aussagenden Person mit ein (zur Aussageanalyse BGE 129 I 49 E. 5; 128 I 81 E. 2; je mit Hinweisen; vgl. auch BAUMER/LUDEWIG/TAVOR, Wie können aussagepsychologische Erkenntnisse Richtern, Staatsanwälten und Anwälten helfen?, in AJP 11/2011, S. 1415 ff.). Aktenwidrig ist sodann die vorinstanzliche Feststellung, in den Ausführungen der Beschwerdeführerin fehlten Schilderungen von Interaktionen und Gesprächen ("Ich fragte ihn, was er hier mache und um was es hier gehe [...]. B.________ gab dann zur Antwort, dass wir uns nicht stören lassen sollen und er nicht einschlafen könne. Ich fragte dann A.________ [..]", Einvernahme der Beschwerdeführerin vom 28. Mai 2009, Zeilen 116 ff.; vgl. auch Einvernahme vom 2. November 2010, Zeilen 85 ff.) sowie von scheinbar unwichtigen Nebensächlichkeiten ("... und hörte irgendwann mal die Dusche...", Einvernahme vom 28. Mai 2009, Zeile 179; "Zwischendurch hörte ich immer wieder das Wasser in der Dusche. Auch der Fernseher lief.", a.a.O., Zeilen 212 f.; "Die Unterhosen hatte ich an. Der BH wurde mir von B.________ geöffnet.", a.a.O., Zeile 240) oder eigenen Gedanken und Gefühlen ("Ich drehte mich erschrocken um [...]", a.a.O., Zeile 115; "Ich war sehr enttäuscht [...]", a.a.O., Zeile 122; "Durch die Hand auf meinem Rücken bin ich sehr erschrocken", Einvernahme vom 2. November 2010, Zeile 85).
 
3.
Die Beschwerde ist gutzuheissen. Die Sache ist an die Vorinstanz zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen und an die Staatsanwaltschaft zur Fortführung der Untersuchung zurückzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind den Beschwerdegegnern die Verfahrenskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Da sie mit ihren Anträgen unterliegen, haben sie der Beschwerdeführerin eine angemessene Entschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern vom 21. Juni 2013 aufgehoben und die Sache ans Obergericht zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen sowie an die Regionale Staatsanwaltschaft Oberland zur Fortführung der Untersuchung zurückgewiesen.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdegegnern je zu einem Drittel auferlegt, unter solidarischer Haftung für den ganzen Betrag.
3. Die Beschwerdegegner haben der Beschwerdeführerin eine Entschädigung von je Fr. 1'000.-- auszurichten, unter solidarischer Haftung für den ganzen Betrag.
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Strafabteilung, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 27. Februar 2014
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Mathys
Die Gerichtsschreiberin: Pasquini