BGer 5A_511/2013
 
BGer 5A_511/2013 vom 03.10.2013
{T 0/2}
5A_511/2013
 
Urteil vom 3. Oktober 2013
 
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Marazzi, Herrmann,
Gerichtsschreiber Zingg.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Anselm Filliger,
Beschwerdeführerin,
gegen
Y.________ Genossenschaft,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marc Kaeslin,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Provisorische Rechtsöffnung,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 6. Juni 2013.
 
Sachverhalt:
A. Die Y.________ Genossenschaft (Beschwerdegegnerin) betrieb von Juni 2012 bis Januar 2013 die X.________ AG (Beschwerdeführerin) achtmal (Betreibungen Nrn. aaa, bbb, ccc, ddd, eee, fff, ggg und hhh des Betreibungsamts C.________). Das Bezirksgericht Dietikon wies mit acht identischen Urteilen vom 23. Januar 2013 bzw. 31. Januar 2013 die jeweiligen Gesuche der Beschwerdegegnerin um provisorische Rechtsöffnung ab. Gegenstand der Betreibungen bzw. der Rechtsöffnungsverfahren sind Mietzinse sowie Zins- und Amortisationszahlungen für die Monate Juni 2012 bis und mit Januar 2013 von je Fr. 60'828.20 zuzüglich Zins.
B. Am 8. Juli 2013 hat die Beschwerdeführerin Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Sie verlangt die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und die Abweisung der einzelnen Rechtsöffnungsgesuche. Zudem ersucht sie um aufschiebende Wirkung mit der Begründung, es drohten ihr Nachteile aus der Aufnahme eines Güterverzeichnisses.
 
Erwägungen:
1. Angefochten ist binnen Frist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid des als Rechtsmittelinstanz urteilenden Obergerichts in einer Schuldbetreibungssache (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 75, Art. 90, Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 45 BGG). Die für die Beschwerde in Zivilsachen erforderliche Streitwert von Fr. 30'000.-- ist erreicht (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG; vgl. BGE 135 III 470 E. 1.2 S. 472 f.; Urteil 5A_45/2012 vom 22. März 2012 E. 1).
 
2.
2.1. Der Hintergrund des vorliegenden Verfahrens stellt sich wie folgt dar: Die Parteien waren während mehrerer Jahre wirtschaftlich, personell und räumlich eng miteinander verknüpft. Die (mehrfach umfirmierte) Beschwerdeführerin war im Rahmen eines Joint-Venture-Vertrags zwischen der B.________ AG (70 % Beteiligung) und der Z.________ Holding AG sowie der Z.________ AG (30 % Beteiligung) als Gemeinschaftsunternehmen gegründet worden. Die Beschwerdegegnerin verfügt über die Mehrheit der Stimmrechte bei der Z.________ Holding AG, weshalb sie den Joint-Venture-Vertrag mitunterzeichnete und sich verpflichtete, ihren Einfluss auf die Willensbildung bei den Organen der Z.________ Holding AG in Sinn und Geist des Joint-Venture-Vertrags auszuüben. Zwischen der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin bestehen bzw. bestanden verschiedene IT-Supportverträge. Im vorliegenden Rechtsöffnungsverfahren verlangt die Beschwerdegegnerin Zahlungen aus drei Verträgen zwischen den Parteien, nämlich aus zwei Untermietverträgen und einem Vertrag über die Finanzierung von fixen Einbauten. Die Untermietverträge waren für eine Dauer von zwanzig bzw. zehn Jahren abgeschlossen worden und der Finanzierungsvertrag für fünfzehn Jahre, wobei er dahinfallen sollte, wenn die Untermietverträge aufgelöst werden sollten.
2.2. Anders als das Bezirksgericht ist das Obergericht zum Schluss gekommen, der Beschwerdeführerin sei es nicht gelungen, das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Kündigung sofort glaubhaft zu machen: Ein Zusammenhang zwischen der Beschwerdegegnerin und den Ereignissen vom 13. April 2010 sei nicht genügend dargetan. Die Mitarbeiter der Beschwerdeführerin seien von einer Drittperson (der Z.________ Holding AG) abgeworben worden und es sei nicht ersichtlich, dass die Beschwerdegegnerin Einfluss auf die Entscheidungen und Handlungen der Z.________ Gruppe gehabt habe. In der Joint-Venture-Vereinbarung habe die Beschwerdegegnerin ausdrücklich keine Garantie oder Patronatserklärung für den korrekten Vollzug dieser Vereinbarung durch die Z.________ Holding AG oder die Z.________ AG abgegeben, was Zweifel an ihren Einflussmöglichkeiten auf die Z.________ Gruppe wecke. Es sei weder behauptet noch aus den Akten ersichtlich, dass die Beschwerdegegnerin in der Lage gewesen wäre, das Übernahmeangebot zu verhindern. Ebenso wenig habe die Beschwerdeführerin behauptet, die Beschwerdegegnerin habe sich direkt mit der Z.________ Holding AG oder A.________ abgesprochen oder ihnen Weisungen erteilt. Eine solche Absprache lasse sich insbesondere nicht aus den vorgelegten Zeitungsartikeln schliessen.
 
3.
 
3.1.
3.1.1. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 53 ZPO). Sie habe sich in ihrer Beschwerdeantwort zur Beschwerde geäussert, doch habe das Obergericht ihre Entgegnungen mit keinem Wort erwähnt und in der Folge auch nicht berücksichtigt.
3.1.2. Das rechtliche Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. Daraus folgt die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (BGE 136 I 229 E. 5.2 S. 236; 138 I 232 E. 5.1 S. 237; je mit Hinweisen).
3.1.3. Die Vorinstanz hat sich an diese Grundsätze gehalten. Sie hat die für ihren Entscheid wesentlichen Punkte genannt und damit auch allfällige Einwände der Beschwerdeführerin widerlegt, auch wenn sie diese nicht ausdrücklich aufgezählt haben mag. Die Beschwerdeführerin konnte das obergerichtliche Urteil denn auch sachgerecht anfechten. Die Rüge ist unbegründet. Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang das angefochtene Urteil inhaltlich kritisiert, beschlägt dies nicht das rechtliche Gehör. Auf inhaltliche Gesichtspunkte ist nachfolgend einzugehen.
 
3.2.
3.2.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Obergericht habe seine Kognition überschritten. Gemäss Art. 320 lit. b ZPO dürfe es hinsichtlich des Sachverhalts nur überprüfen, ob das Bezirksgericht diesen offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich, festgestellt habe. Stattdessen habe das Obergericht den Sachverhalt mit voller Kognition überprüft und dies im Übrigen trotz der Tatsache, dass die Beschwerdegegnerin in ihrer Beschwerde an das Obergericht nicht genügend begründet habe, an welchen Mängeln der bezirksgerichtliche Entscheid leiden solle. Ihre Beschwerde habe sich stattdessen in unzulässigen neuen Tatsachenbehauptungen und der Nennung neuer Beweismittel, in pauschalen Wiederholungen ihres Rechtsöffnungsgesuches und in unbelegten Behauptungen erschöpft. Durch dieses Vorgehen habe das Obergericht nicht nur das anwendbare Prozessrecht verletzt, sondern es sei auch mit seinen eigenen Sachverhaltsfeststellungen in Willkür verfallen.
3.2.2. Den Vorwurf der Kognitionsüberschreitung erhebt die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit den Ausführungen des Obergerichts zur angeblichen Verstrickung der Beschwerdegegnerin in die Massenkündigung von Arbeitnehmern der Beschwerdeführerin und ihren angeblichen Versuch, die Beschwerdeführerin vom Markt zu verdrängen. Darauf ist nicht einzutreten. Die Vorinstanz hat diese Ereignisse zwar gewürdigt. Sie hat aber die Einwendung der Beschwerdeführerin unabhängig davon auch aus dem Grund verworfen, weil sich diese Ereignisse lange vor der ausserordentlichen Kündigung zugetragen haben und die Beschwerdeführerin die Weiterführung der Verträge damals offenbar nicht als unzumutbar empfunden habe. Für den Ausgang des Verfahrens spielen diese Ereignisse somit keine Rolle. Auf den Vorwurf, lange mit der Kündigung zugewartet zu haben, geht die Beschwerdeführerin nicht ein. Auf die bloss nebenbei erhobene Behauptung der Beschwerdeführerin, die Unzumutbarkeitsgründe hätten sich mit der Zeit kumuliert und sie habe erst gekündigt, als genügend Gründe vorgelegen hätten, ist nicht einzutreten. Sie setzt sich nicht mit dem vorinstanzlichen Schluss auseinander, dass auch nach den Ereignissen im Zusammenhang mit dem 13. April 2010 keine solchen Gründe vorgelegen haben. So sind die Ausführungen der Beschwerdeführerin zu den Betreibungen von Februar bis November 2011 nicht nachvollziehbar. Sie bringt vor, während dieser Zeit seien gar keine Mietzinsforderungen offen geblieben, sondern sie habe die Mietzinse beim Betreibungsamt hinterlegt und so der Beschwerdegegnerin zukommen lassen. Damit gibt sie aber zu, dass die Mietzinsforderungen vor der Betreibung noch nicht erloschen waren, sondern sie sich erst danach durch Zahlung an das Betreibungsamt von der Schuld befreit hat (vgl. Art. 12 SchKG). Wieso sie die Mietzinse sonst dem Betreibungsamt hätte überweisen sollen, ist nicht ersichtlich. Auf die Vorhaltung der Vorinstanz, dass sie Rechtsvorschlag hätte erheben und ihre Verrechnungseinrede im Rechtsöffnungsverfahren hätte überprüfen lassen können, geht sie nicht ein. Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang geltend macht, die Beschwerdegegnerin habe vor der Vorinstanz neue und deshalb unzulässige Tatsachenbehauptungen und Beweismittel vorgebracht, auf die die Vorinstanz abgestellt habe, ergeht sie sich lediglich in Mutmassungen. Eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen der Vorinstanz (und den an der betreffenden Stelle angeführten Aktenstücken) fehlt. Auf die als Kündigungsgrund angeführten Retentionen kommt die Beschwerdeführerin schliesslich überhaupt nicht mehr zurück. Auf all dies ist demnach mangels genügender Begründung nicht einzutreten. Es braucht mithin nicht untersucht zu werden, ob die Beschwerdeführerin überhaupt taugliche Beweismittel (grundsätzlich Urkunden: Art. 254 Abs. 1 ZPO) zur Entkräftung der Schuldanerkennung vorgelegt (Urteil 5A_652/2011 vom 28. Februar 2012 E. 3.2.2) oder ob die Vorinstanz bei der Würdigung der Beweismittel ihre Kognition überschritten hat.
3.3. Die Beschwerde ist folglich abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann.
4. Bei diesem Verfahrensausgang trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie hat die Beschwerdegegnerin für deren Stellungnahme zum Gesuch um aufschiebende Wirkung angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 8'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3. Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin mit Fr. 500.-- zu entschädigen.
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 3. Oktober 2013
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Escher
Der Gerichtsschreiber: Zingg