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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
{T 0/2}
4A_330/2013
Urteil vom 17. September 2013
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Kolly, Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiber Leemann.
Verfahrensbeteiligte
X.________ Corp.,
vertreten durch Rechtsanwalt Matthew Reiter und Rechtsanwältin Anina Wissner,
Beschwerdeführerin,
gegen
Y.________ Ltd.,
vertreten durch Rechtsanwalt Marc S. Palay und Rechtsanwältin Dr. Dorothee Schramm,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Internationales Schiedsgericht,
Beschwerde gegen den Schiedsentscheid des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Zürich vom 29. Mai 2013.
Sachverhalt:
A.
Die Y.________ Ltd. (Klägerin, Beschwerdegegnerin) mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln verpflichtete sich mit Vertrag Nr. xxx (nachfolgend: Second Contract) gegenüber der X.________ Corp. (Beklagte, Beschwerdeführerin), ebenfalls mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln, zur Lieferung von insgesamt 604'000 Tonnen Aluminiumoxid und 120 Tonnen Hydrat. Die Vereinbarung enthält eine Schiedsklausel.
Der Second Contract wurde auf den 16. November 2005 rückdatiert und betraf den Zeitraum vom 16. November 2005 bis zum 31. Dezember 2006. Der Vertrag wurde seitens der X.________ Corp. am 4. Mai 2006 von Herrn Z.________ unterzeichnet; die Unterschrift der Y.________ Ltd. erfolgte am 4. August 2006.
Der bis zum 31. Dezember 2006 anwendbare Preis wurde in einem als "Addendum No. 1 dated November 16, 2005" bezeichneten Anhang zum Second Contract (nachfolgend: Addendum) auf 25 % des Aluminiumpreises gemäss Londoner Metallbörse (London Metal Exchange, LME) festgesetzt.
Mit Schreiben vom 24. Juli 2006 teilte die X.________ Corp. der Y.________ Ltd. mit, keine weiteren Lieferungen anzunehmen.
Mit Schreiben vom 1. August 2006 bestand die Y.________ Ltd. auf Erfüllung des Vertrags. Das Schreiben blieb unbeantwortet.
Die Y.________ Ltd. lieferte für das dritte Quartal 2006 weiter Aluminiumoxid, letztmals am 7. September 2006; die Lieferungen wurden von der X.________ Corp. entgegengenommen und bezahlt. Danach verweigerte diese die Annahme weiterer Lieferungen.
Mit Schreiben vom 26. September 2006 teilte die Y.________ Ltd. mit, sie werde die letzte für das dritte Quartal bestimmte Lieferung verkaufen und die X.________ Corp. für den eingetretenen Schaden belangen, einschliesslich entgangenen Gewinns infolge der im vierten Quartal verweigerten Lieferungen.
B.
In der Folge leitete die Y.________ Ltd. ein Schiedsverfahren nach den Bestimmungen der Internationalen Handelskammer (ICC) gegen die X.________ Corp. ein und beantragte im Wesentlichen, diese sei wegen Vertragsverletzung zur Zahlung von mindestens USD 55'847'290.--, zuzüglich Zins seit dem 1. August 2006, zu verpflichten.
Mit Zwischenentscheid vom 30. Juni 2012 ("Partial Award") erklärte sich das Schiedsgericht für zuständig und stellte fest, dass die Beklagte den Second Contract verletzt habe; über die Höhe des Schadenersatzanspruchs sei gesondert zu entscheiden.
Mit Schiedsentscheid vom 29. Mai 2013 ("Final Award") hiess das Schiedsgericht die Klage weitgehend gut und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von USD 52'952'177.78, zuzüglich Zins zu 5 % auf USD 16'046'907.88 seit 1. November 2006, auf USD 18'170'942.10 seit 1. Dezember 2006 sowie auf USD 18'734'327.80 seit 1. Januar 2007.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beklagte dem Bundesgericht, es sei der Schiedsentscheid vom 29. Mai 2013 aufzuheben und die Schiedssache zur Neubeurteilung an das Schiedsgericht zurückzuweisen.
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
Erwägungen:
1.
Nach Art. 54 Abs. 1 BGG ergeht der Entscheid des Bundesgerichts in einer Amtssprache, in der Regel in jener des angefochtenen Entscheids. Wurde dieser in einer anderen Sprache redigiert, verwendet das Bundesgericht die von den Parteien gewählte Amtssprache. Der angefochtene Entscheid ist in englischer Sprache abgefasst. Da es sich dabei nicht um eine Amtssprache handelt, ergeht der Entscheid des Bundesgerichts praxisgemäss in der Sprache der Beschwerde.
2.
Im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ist die Beschwerde in Zivilsachen unter den Voraussetzungen der Art. 190-192 IPRG (SR 291) zulässig (Art. 77 Abs. 1 lit. a BGG).
2.1. Der Sitz des Schiedsgerichts befindet sich vorliegend in Zürich. Die Parteien hatten im relevanten Zeitpunkt ihren Sitz ausserhalb der Schweiz. Da sie die Bestimmungen des 12. Kapitels des IPRG nicht schriftlich ausgeschlossen haben, gelangen diese zur Anwendung (Art. 176 Abs. 1 und 2 IPRG).
2.2. Zulässig sind allein die Rügen, die in Art. 190 Abs. 2 IPRG abschliessend aufgezählt sind (BGE 134 III 186 E. 5 S. 187; 128 III 50 E. 1a S. 53; 127 III 279 E. 1a S. 282). Nach Art. 77 Abs. 3 BGG prüft das Bundesgericht nur die Rügen, die in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden sind; dies entspricht der in Art. 106 Abs. 2 BGG für die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht vorgesehenen Rügepflicht (BGE 134 III 186 E. 5 S. 187 mit Hinweis). Appellatorische Kritik ist unzulässig (BGE 134 III 565 E. 3.1 S. 567; 119 II 380 E. 3b S. 382).
2.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den das Schiedsgericht festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung des Schiedsgerichts weder berichtigen noch ergänzen, selbst wenn diese offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (vgl. Art. 77 Abs. 2 BGG, der die Anwendbarkeit von Art. 97 BGG sowie Art. 105 Abs. 2 BGG ausschliesst). Allerdings kann das Bundesgericht die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Schiedsentscheids überprüfen, wenn gegenüber diesen Sachverhaltsfeststellungen zulässige Rügen im Sinne von Art. 190 Abs. 2 IPRG vorgebracht oder ausnahmsweise Noven berücksichtigt werden (BGE 138 III 29 E. 2.2.1 S. 34; 134 III 565 E. 3.1 S. 567; 133 III 139 E. 5 S. 141; je mit Hinweisen). Wer sich auf eine Ausnahme von der Bindung des Bundesgerichts an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz beruft und den Sachverhalt gestützt darauf berichtigt oder ergänzt wissen will, hat mit Aktenhinweisen darzulegen, dass entsprechende Sachbehauptungen bereits im vorinstanzlichen Verfahren prozesskonform aufgestellt worden sind (vgl. BGE 115 II 484 E. 2a S. 486; 111 II 471 E. 1c S. 473; je mit Hinweisen).
3.
Die Beschwerdeführerin wirft dem Schiedsgericht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor (Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG).
3.1. Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG lässt die Anfechtung wegen der zwingenden Verfahrensregeln gemäss Art. 182 Abs. 3 IPRG zu. Danach muss das Schiedsgericht insbesondere den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör wahren. Dieser entspricht im Wesentlichen dem in Art. 29 Abs. 2 BV gewährleisteten Verfassungsrecht (BGE 130 III 35 E. 5 S. 37 f.; 128 III 234 E. 4b S. 243; 127 III 576 E. 2c S. 578 f.). Die Rechtsprechung leitet daraus insbesondere das Recht der Parteien ab, sich über alle für das Urteil wesentlichen Tatsachen zu äussern, ihren Rechtsstandpunkt zu vertreten, ihre entscheidwesentlichen Sachvorbringen mit tauglichen sowie rechtzeitig und formrichtig offerierten Mitteln zu beweisen, sich an den Verhandlungen zu beteiligen und in die Akten Einsicht zu nehmen (BGE 130 III 35 E. 5 S. 38; 127 III 576 E. 2c S. 578 f.; je mit Hinweisen). Dem entspricht eine Pflicht des Schiedsgerichts, die rechtserheblichen Vorbringen der Parteien tatsächlich zu hören und zu prüfen. Das bedeutet jedoch nicht, dass es sich ausdrücklich mit jedem Argument der Parteien auseinandersetzen muss (BGE 133 III 235 E. 5.2 S. 248 f.; 121 III 331 E. 3b S. 333). Ein Anspruch auf Begründung des Entscheids ergibt sich aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG nach ständiger Rechtsprechung nicht (BGE 134 III 186 E. 6.1 S. 187 mit Hinweisen).
3.2. Die Beschwerdeführerin führt aus, sie habe im Schiedsverfahren hinsichtlich der Höhe des Schadenersatzanspruchs vorgetragen, dass das Addendum, das einen Preis von 25 % des Aluminiumpreises gemäss Londoner Metallbörse vorsieht, nur einseitig von ihr selbst unterzeichnet worden sei; die Beschwerdegegnerin habe bewusst weder den Second Contract noch das Addendum unterzeichnet und habe hinsichtlich des im Addendum aufgeführten Preises auch nie anderweitig - z.B. durch entsprechende Rechnungsstellung - ihren diesbezüglichen Bindungswillen erklärt, weshalb eine Einigung auf einen Kaufpreis von 25 % des LME-Aluminiumpreises nie zustande gekommen sei. Zudem habe sie vorgebracht, aufgrund der gesetzlichen Vermutung nach Art. 16 Abs. 1 OR und gestützt auf Art. 8 ZGB trage die Beschwerdegegnerin die Beweislast für das Zustandekommen eines Konsenses hinsichtlich des Kaufpreises. Das Schiedsgericht habe im Partial Award die Frage der Gültigkeit des Addendum nicht geprüft und habe auch im Final Award das diesbezügliche Argument der Beschwerdeführerin unberücksichtigt gelassen, indem es weder erklärt habe, wann und wie ein Konsens hinsichtlich eines Preises von 25 % des LME-Aluminiumpreises zustande gekommen sein soll, noch weshalb es von der Beweislastverteilung gemäss Art. 8 ZGB und Art. 16 Abs. 1 OR abgewichen sei. Darin sei eine Gehörsverletzung zu erblicken.
3.3. Der Vorwurf, das Schiedsgericht habe ihr Argument in Verletzung des Gehörsanspruchs unbeachtet gelassen, ist nicht gerechtfertigt. Der angefochtene Schiedsentscheid führt die Auffassung der Beschwerdeführerin, wonach sich die Parteien hinsichtlich des Addendums zum Second Contract - und damit über den darin aufgeführten Preis von 25 % des LME-Aluminiumpreises - nie geeinigt hätten, ausdrücklich auf. Das Schiedsgericht erachtete das Argument jedoch für nicht stichhaltig, wobei es seinen Entscheid auf zwei selbständige alternative Begründungen stützte: Zum einen habe die Beschwerdeführerin im bisherigen Verfahrensverlauf zumindest implizit die Ansicht vertreten, dass das Addendum das rechtliche Schicksal des Second Contract teile und in ihren Rechtsschriften vorgetragen, der Kaufpreis gemäss Second Contract betrage 25 % des LME-Aluminiumpreises, weshalb sie in diesem Verfahrensstadium nicht auf einmal das Gegenteil behaupten könne. Zum anderen sei das von der Beschwerdeführerin ins Feld geführte Argument der Ungültigkeit des Addendums ohnehin auch materiell unbegründet, nachdem aufgrund verschiedener Urkunden (so insbesondere der Korrespondenz zwischen den Parteien) und Zeugenaussagen festzustellen sei, dass sich die Parteien auf einen Kaufpreis von 25 % des Aluminiumpreises gemäss Londoner Metallbörse geeinigt hätten.
Entgegen dem, was die Beschwerdeführerin anzunehmen scheint, hat das Schiedsgericht die Bedeutung des Zustandekommens einer Einigung über den Kaufpreis für den Ausgang des Verfahrens daher keineswegs verkannt, sondern es hat das Vorbringen des fehlenden Konsenses angesichts des prozessualen Verhaltens der Beschwerdeführerin als unzulässig erachtet bzw. in Würdigung von Beweismitteln eine Einigung der Parteien auf 25 % des LME-Aluminiumpreises für den Fall festgestellt, dass das Argument dennoch zu berücksichtigen wäre. Inwiefern die Sanktionierung widersprüchlicher Prozessvorbringen ihren Gehörsanspruch verletzen soll, legt die Beschwerdeführerin nicht dar, vielmehr kritisiert sie lediglich in appellatorischer Weise die diesbezüglichen Feststellungen der Vorinstanz. Ebenso wenig vermag sie mit ihren Vorbringen aufzuzeigen, dass das Schiedsgericht einen übereinstimmenden Parteiwillen hinsichtlich des Kaufpreises in Verletzung des rechtlichen Gehörs festgestellt hätte. Soweit die Beschwerdeführerin dem Schiedsgericht vorwirft, es habe die Beweislast hinsichtlich der Gültigkeit des Addendums implizit ihr auferlegt, ohne zu begründen, weshalb es von den allgemeinen Beweislastregeln abgewichen sei, rügt sie eine unzureichende Begründung des angefochtenen Entscheids, womit sie keinen gesetzlich vorgesehenen Beschwerdegrund aufzeigt (vgl. BGE 134 III 186 E. 6.1 S. 187 f.; 127 III 576 E. 2b S. 577 f.; je mit Hinweisen).
Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer weiteren Beschwerdebegründung gestützt auf Art. 8 ZGB und Art. 16 Abs. 1 OR vorträgt, entgegen der Ansicht des Schiedsgerichts sei die Beschwerdegegnerin hinsichtlich des Bindungswillens beweisbelastet gewesen, kritisiert sie lediglich in unzulässiger Weise den angefochtenen Entscheid, ohne jedoch einen Beschwerdegrund nach Art. 190 Abs. 2 IPRG geltend zu machen. Entsprechendes gilt für ihr Vorbringen, die vom Schiedsgericht gewürdigten Beweise liessen entgegen den Erwägungen des angefochtenen Entscheids nicht auf einen Konsens nach Art. 1 OR schliessen, da sich daraus keine Willenserklärung im Sinne eines nach aussen erkennbar gemachten Willens ergebe. Auch mit ihrem Vorwurf, die Frage der zeitlichen Gültigkeit des "market price adjustment" unter dem Titel "Validity of the Addendum" zu behandeln, sei "verquer", übt sie unzulässige inhaltliche Kritik am angefochtenen Schiedsentscheid. Die Beschwerdeführerin verkennt, dass sich die materiellrechtliche Überprüfung eines internationalen Schiedsentscheids durch das Bundesgericht auf die Frage beschränkt, ob der Schiedsspruch mit dem Ordre public vereinbar ist (BGE 121 III 331 E. 3a S. 333); eine Missachtung des Ordre public wird in der Beschwerde jedoch zu Recht nicht geltend gemacht.
4.
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegegnerin hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung, da ihr aus dem bundesgerichtlichen Verfahren kein Aufwand erwachsen ist (Art. 68 Abs. 1 BGG). Damit wird ihr Gesuch um Sicherstellung allfälliger Parteikosten gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 80'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 17. September 2013
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Klett
Der Gerichtsschreiber: Leemann