BGer 6B_522/2012
 
BGer 6B_522/2012 vom 25.01.2013
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
6B_522/2012
Urteil vom 25. Januar 2013
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Keller.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Meier,
Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Uri, Tellsgasse 3, 6460 Altdorf UR,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Verletzung der Verkehrsregeln; Willkür,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Uri, Strafrechtliche Abteilung, vom 27. März 2012.
Sachverhalt:
A.
X.________ fuhr am 4. März 2010 um 10.09 Uhr auf der Autobahn N2 in Erstfeld Richtung Norden. In diesem Bereich galt gemäss Anklage eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h wegen einer Baustelle. X.________ fuhr mit 123 km/h. Er überschritt die zulässige Höchstgeschwindigkeit nach Abzug einer Toleranz von 4 km/h um 39 km/h.
B.
Das Landgericht Uri verurteilte X.________ wegen grober Verletzung von Verkehrsregeln und verurteilte ihn unter Berücksichtigung des Urteils des Presidente del Circolo di Roveredo vom 20. Dezember 2005 mit einer unbedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 180.-- als Gesamtstrafe. Die Beschwerde von X.________ wies das Obergericht des Kantons Uri am 27. März 2012 ab.
C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen. Eventualiter sei er wegen einfacher Verletzung der Verkehrsregeln zu verurteilen und dafür mit einer Ordnungsbusse zu bestrafen. Eventualiter beantragt X.________ ausserdem, die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen:
1.
1.1 Der Beschwerdeführer rügt, die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung sei offensichtlich falsch. Es sei nicht klar, weshalb im Fallprotokoll-Geschwindigkeit bei der Lasernummer die Ziff. "3" stehe und beim Lasertyp ein "M". Daraus sei nicht ersichtlich, dass mit dem Lasersensor METAS 89129 gemessen worden sei. Auf dem Fallprotokoll-Geschwindigkeit stehe der 31. August 2009 als Eichdatum. Laut dem Eichzertifikat, das sich bei den Akten befinde, habe die letzte Eichung des Lasersensors am 2. September 2009 und diejenige des Bilddokumentationssystems am 3. September 2009 stattgefunden (Beschwerde, S. 6 f.). Nach Art. 9 der Verordnung vom 28. März 2007 über die Kontrolle des Strassenverkehrs (SKV, SR 741.013) in Verbindung mit den Weisungen des Bundesamtes für Strassen (ASTRA) über polizeiliche Geschwindigkeitskontrollen und Rotlichtüberwachung im Strassenverkehr vom 28. Mai 2008 müssten die Angaben zur Eichung im Messprotokoll vorhanden sein. Sein Recht auf eine ordentliche Messung mit korrekten Geräteangaben sei verletzt worden (Beschwerde, S. 8).
1.2 Die Vorinstanz erwägt, nach konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung unterlägen Geschwindigkeitsmessungen der freien Beweiswürdigung. Wenn sie nach den technischen Vorgaben vorgenommen worden seien, könnten sie auch ohne regelkonforme Protokollierung verwertet werden (Urteil, S. 13). Ein Vergleich des Protokolls der Geschwindigkeitskontrolle mit den Eichzertifikaten ergebe, dass im vorliegenden Fall der Lasersensor METAS 89129 und das Bilddokumentationssystem METAS 89125 verwendet worden seien. Bei beiden Geräten sei die Eichung bis am 30. September 2010 gültig. Da im Geschwindigkeitsprotokoll nur eine und nicht zwei Nummern eingetragen werden könnten, entspreche es der Praxis, bei abweichenden Nummern des Lasersensors und des Bilddokumentationssystems letztere einzutragen. Es stehe fest, dass die Geschwindigkeit des Beschwerdeführers am 4. März 2010 mit gültigen, geeichten und klar zugeordneten Geräten vorschriftsgemäss gemessen worden sei (Urteil, S. 15 f.).
1.3 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 137 III 226 E. 4.2 mit Hinweisen; zum Begriff der Willkür BGE 138 I 49 E. 7.1; 136 III 552 E. 4.2; je mit Hinweisen). Eine entsprechende Rüge muss klar und substantiiert begründet werden (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 I 65 E. 1.3.1; je mit Hinweisen).
1.4 Der Beschwerdeführer vermag keine Willkür an den vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen darzutun. Er zeigt nicht auf, dass die Ergebnisse der Radarmessung offensichtlich unrichtig waren. Die gerügten Abweichungen der verschiedenen Eichdaten treffen zwar zu, ändern aber nichts an der unbestrittenen Tatsache, dass die verwendeten Messgeräte im Tatzeitpunkt gültig geeicht waren.
2.
2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe den Sachverhalt unrichtig festgestellt, indem sie auf eine Fotodokumentation des fraglichen Strassenabschnitts vom Herbst 2009 abstelle, obwohl die Signalisation im Zeitpunkt der Geschwindigkeitsmessung erst ab dem 4. Januar 2010 gültig gewesen sei. Es sei nicht erwiesen, dass das Signal "Höchstgeschwindigkeit 80 km/h" im Messzeitpunkt bei km 149.350 gestanden habe. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass dieses nach wie vor bei km 149.300 angebracht gewesen sei (Beschwerde, S. 10 ff.).
2.2 Die Vorbringen des Beschwerdeführers sind unbehelflich. Es mag zwar zutreffen, dass sich die Vorinstanz auf eine veraltete Fotodokumentation abgestützt hat. Selbst wenn sie den genauen Standort des Signals unzutreffend ermittelt hätte, kann der Beschwerdeführer aus diesem Umstand nichts zu seinen Gunsten ableiten. Die Geschwindigkeit wurde bei km 149.000 und damit mindestens 300 m nach dem Signal gemessen. Er hätte bei beiden Standorten genügend Distanz und Zeit zur Verfügung gehabt, seine Geschwindigkeit auf 80 km/h zu reduzieren.
3.
3.1 Der Beschwerdeführer rügt, das Signal "Höchstgeschwindigkeit 80 km/h" sei vorschriftswidrig platziert worden. Das am rechten Rand der Verzögerungsspur der Ausfahrt Erstfeld aufgestellte Signal "Höchstgeschwindigkeit 80 km/h" habe sich nicht an die Benutzer der Autobahn Richtung Norden, sondern an diejenigen der Ausfahrt Erstfeld gerichtet. Das Signal am linken Strassenrand sei - falls es im Zeitpunkt der Messung überhaupt dort gestanden habe und nicht von einem Lastwagen verdeckt worden sei - nur als Wiederholungssignal zulässig und alleinstehend unverbindlich. Es hätten sich ohne grossen Aufwand alternative Möglichkeiten für eine korrekte Platzierung der Signale angeboten (Beschwerde, S. 13 ff. und S. 16 ff.).
3.2 Gemäss Art. 103 Abs. 1 der Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 (SSV, SR 741.21) stehen Signale am rechten Strassenrand. Sie können am linken Strassenrand wiederholt, über die Fahrbahn gehängt, auf Inseln gestellt oder in zwingenden Ausnahmefällen ausschliesslich links angebracht werden.
3.3 Die Vorinstanz bejaht die Konformität des Signalstandorts "Höchstgeschwindigkeit 80 km/h" am rechten Fahrbahnrand. Gleichzeitig verweist sie im Sinne einer Eventualbegründung auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach auch rechtswidrig aufgestellte Höchstgeschwindigkeitssignale grundsätzlich zu beachten sind. Etwas anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, wenn solche Anordnungen ganz offenkundig mangelhaft und damit nichtig sind (BGE 128 IV 184 E. 4.3). Einen solchen Fall verneint die Vorinstanz (Urteil, S. 16 ff.).
Die Einspurstrecke der Ausfahrt Erstfeld schliesst sowohl bei km 149.350 als auch bei km 149.300 rechts an die Autobahn an. Bei km 149.350 ist diese durch eine Sicherheitslinie, bei km 149.300 durch eine Sperrfläche abgetrennt. Die Signalisation "Höchstgeschwindigkeit 80 km/h" befand sich rechts der Ausfahrtsspur. Sie bezog sich zwingend auf die Ausfahrt Erstfeld und nicht auf die eigentliche Autobahn. Daran ändert die von der Vorinstanz zitierte Rechtsprechung zur Massgeblichkeit rechtswidrig aufgestellter Höchstgeschwindigkeitssignale nichts, da vorliegend nicht die Gültigkeit einer falschen Geschwindigkeitssignalisation (zum Beispiel 30 km/h statt 50 km/h) in Frage steht. Vielmehr geht es darum, dass das Signal rechts der Ausfahrtsspur keine Geltung für die beiden Autobahnspuren erlangen konnte.
3.4 Ohne Wirkung bleibt auch das am linken Fahrbahnrand aufgestellte Signal "Höchstgeschwindigkeit 80 km/h". Das Bundesgericht bejaht einen Ausnahmefall vom Signalstandort am rechten Strassenrand lediglich mit Zurückhaltung. In der jüngeren Vergangenheit beurteilte es ein am linken Strassenrand zurückversetztes Signal "Einfahrt verboten" in einer langgezogenen Linkskurve als rechtmässig (Urteil 6S.337/2003 vom 14. November 2003 E. 1.2). Gemäss Vorinstanz bestehen denn auch keine Anhaltspunkte, die einen Ausnahmefall vom Signalstandort am rechten Strassenrand gebieten würden.
Als Wiederholungssignal kam dem am linken Fahrbahnrand angebrachten Signal gemäss Art. 103 Abs. 1 SSV keine eigenständige Funktion zu. Es konnte nicht die Funktion des rechts der Fahrbahn aufzustellenden Signals übernehmen. Dies ist gerade auf Autobahnen einsichtig, können doch überholende Autos und Lastwagen auf der Überholspur die linksseitigen Wiederholungssignale teilweise über längere Zeit für Fahrzeuglenker auf der Normalspur verdecken. Die Vorinstanz hat nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer auf der Überholspur fuhr. Es ist daher nicht auszuschliessen, dass ihm die Sicht auf das linksseitige Geschwindigkeitssignal verdeckt war.
3.5 Konnte der Beschwerdeführer die Signalisierung "Höchstgeschwindigkeit 80 km/h" nicht erkennen bzw. diese nicht dem von ihm benutzten rechten Fahrstreifen der Autobahn zuordnen, ist zu seinen Gunsten von der ab km 150.400 geltenden Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h auszugehen (Verfügung des ASTRA vom 16. Dezember 2009; BBl 2010 126 f.).
3.6 Der Beschwerdeführer verlangt in seinem Hauptantrag, er sei von Schuld und Strafe freizusprechen. Er legt allerdings nicht dar, inwiefern die Vorinstanz willkürlich eine Signalisierung "Höchstgeschwindigkeit 100 km/h" ab km 150.400 annimmt. Dies ist auch nicht ersichtlich. Gemäss vorinstanzlicher Sachverhaltsfeststellung fuhr der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung der Messtoleranz von 4 km/h mit einer Geschwindigkeit von 119 km/h statt der erlaubten 100 km/h. Er wird daher wegen einfacher statt grober Verkehrsregelverletzung nach Art. 90 Ziff. 1 SVG zu verurteilen sein.
4.
Das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers, die Vorinstanz habe sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt, weil sie bereits vor dem Plädoyer seines Rechtsvertreters von der Richtigkeit der Geschwindigkeitssignalisation 80 km/h ausgegangen sei, braucht bei dieser Ausgangslage nicht beantwortet zu werden. Ebenfalls nicht einzugehen ist auf die Ausführungen zur Strafzumessung, da die Vorinstanz diese neu vorzunehmen hat.
5.
Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen, im Übrigen aber abzuweisen. Das Urteil des Kantonsgerichts Uri vom 27. März 2012 ist aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden reduzierte Gerichtskosten erhoben (Art. 66 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 BGG). Der Kanton Uri hat dem Beschwerdeführer eine reduzierte Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Im Übrigen wird sie abgewiesen. Das Urteil des Kantonsgerichts Uri vom 27. März 2012 wird aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Der Kanton Uri hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Uri, Strafrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 25. Januar 2013
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Mathys
Der Gerichtsschreiber: Keller