BGer 8C_706/2012
 
BGer 8C_706/2012 vom 14.11.2012
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
8C_706/2012
Urteil vom 14. November 2012
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Maillard,
Gerichtsschreiber Jancar.
 
Verfahrensbeteiligte
S.________,
vertreten durch Advokat André M. Brunner,
Beschwerdeführerin,
gegen
SOLIDA Versicherungen AG,
Saumackerstrasse 35, 8048 Zürich,
vertreten durch Fürsprecher Martin Bürkle,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Unfallversicherung (Verwaltungsverfahren; unentgeltlicher Rechtsbeistand),
Beschwerde gegen den Entscheid
des Kantonsgerichts Basel-Landschaft
vom 4. Juli 2012.
Sachverhalt:
A.
A.a Die 1968 geborene S.________ verunfallte am 2. Juni 1996 als Motorradbeifahrerin. Sie war bei der Y.________ AG obligatorisch unfallversichert. Diese eröffnete ihr mit Verfügung vom 14. Oktober 1999, bezüglich der Halswirbelsäule (HWS)-Beschwerden bestehe kein Versicherungsschutz. Betreffend die Kniegelenksbeschwerden rechts würden die Taggelder per 31. Oktober 1998 und die Heilbehandlung per 18. Januar 1999 eingestellt, wobei ihr das Rückfallsrecht gewährt werde. Mit Verfügung vom 21. Oktober 1999 sprach die SOLIDA Versicherungen AG (nachfolgend Solida) - obligatorischer Unfallversicherer für Invaliditäts- und Integritätsentschädigungen - der Versicherten eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 10 % zu; diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Gegen die Verfügung der Y.________ AG vom 14. Oktober 1999 erhob der Krankenversicherer von S.________ Einsprache. Die Y.________ AG holte ein Gutachten des medizinischen Zentrums X.________ vom 15. Mai 2001 ein. Am 1. Juni 2004 forderte die Versicherte die Y.________ AG auf, einen Einspracheentscheid zu erlassen; zudem meldete sie einen Rückfall betreffend die Kniebeschwerden rechts; weiter führte sie aus, für den Fall, dass für die Rentenausrichtung die Solida zuständig sein sollte, werde ihr eine Kopie dieses Schreibens zugestellt. Mit Entscheid vom 20. Februar 2005 hiess die Y.________ AG die Einsprache insoweit gut, als sie für die im obigen Gutachten des medizinischen Zentrums X.________ ausgesprochenen Massnahmen weiterhin die Leistungen (Heilungskosten) übernahm; im Übrigen wies sie die Einsprache ab. Die Beschwerde der Versicherten hiess das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Entscheid vom 26. Oktober 2005 - soweit es darauf eintrat - in dem Sinne gut, dass es die Y.________ AG verpflichtete, weitere medizinische Abklärungen im Zusammenhang mit der im Juni 2004 gemeldeten gesundheitlichen Verschlechterung vorzunehmen; zudem stellte es fest, die HWS-Beschwerden seien nicht unfallkausal. Dieser Entscheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
In der Folge zog die Y.________ AG das von der IV-Stelle des Kantons Basel-Landschaft veranlasste Gutachten des medizinischen Zentrums X.________ vom 29. August 2006 bei. Mit Verfügung vom 1. September 2008 hielt sie an der Taggeldeinstellung per 31. Oktober 1998 fest; ab 30. August 2006 bestehe kein Anspruch auf Übernahme der Heilbehandlung mehr, da der medizinische Endzustand erreicht sei. Für die Prüfung und Ausrichtung allfälliger Langfristleistungen sei die Solida zuständig. Diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
A.b Am 3. Dezember 2008 meldete die Versicherte der Y.________ AG einen Rückfall betreffend das rechte Knie. Am 14. August 2009 forderte sie die Solida auf, die ihr zustehende UVG-Rente auszurichten. Mit Verfügung vom 18. August 2011 wies die Solida das Gesuch der Versicherten vom 5. Dezember 2009 um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung für das verwaltungsinterne Verfahren ab. Mit Verfügung vom 7. Oktober 2011 stellte die Solida fest, es bestehe kein Rentenanspruch; die Integritätsentschädigung sei bereits mit rechtskräftiger Verfügung vom 21. Oktober 1999 ausgerichtet worden; gegen diese Verfügung erhob die Versicherte Einsprache.
B.
Die gegen die Verfügung der Solida vom 18. August 2011 eingereichte Beschwerde wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Entscheid vom 4. Juli 2012 ab.
C.
Mit Beschwerde beantragt die Versicherte, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei festzustellen, dass die Notwendigkeit einer anwaltlichen Verbeiständung bestehe; im verwaltungsinternen Verfahren sei ihr für die Zeit vom 5. Dezember 2009 bis 7. Oktober 2011 die unentgeltliche Verbeiständung zu bewilligen; eventuell sei die Sache zum Erlass eines neuen Urteils an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner verlangt sie die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung im bundesgerichtlichen Verfahren. Ein Schriftenwechsel wurde nicht angeordnet.
Erwägungen:
1.
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Immerhin prüft es grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Vorliegend geht es nicht um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Unfallversicherung im Sinne von Art. 97 Abs. 2 bzw. Art. 105 Abs. 3 BGG. Das Bundesgericht hat daher seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde zu legen, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Dies ist aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde zu prüfen (nicht publ. E. 1 des Urteils BGE 135 V 306, in SVR 2009 IV Nr. 52 S. 161 [8C_763/2008]).
2.
Die Vorinstanz hat die nur in Ausnahmefällen zu bejahenden kumulativen Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung im sozialversicherungsrechtlichen Verwaltungsverfahren (sachliche Gebotenheit im konkreten Fall, Bedürftigkeit der Partei, fehlende Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren) richtig dargelegt (Art. 29 Abs. 3 BV; Art. 37 Abs. 4 ATSG; BGE 132 V 200 E. 4.1; vgl. auch nicht publ. E. 8.2 des Urteils BGE 137 I 327, in SVR 2012 IV Nr. 26 S. 107 [8C_272/2011]; zum Begriff der Aussichtslosigkeit von Rechtsbegehren siehe auch BGE 138 III 217 E. 2.2.4 S. 218). Darauf wird verwiesen.
3.
3.1 Die Vorinstanz erwog, in formell-rechtlicher Hinsicht erscheine die Sachlage nicht als ganz einfach. Letztlich könne aber aus folgenden Gründen offenbleiben, ob eine rechtliche Vertretung bereits im verwaltungsinternen Verfahren notwendig gewesen sei. Die Y.________ AG habe am 1. September 2008 rechtskräftig die Einstellung der Taggelder und der Heilbehandlung verfügt. Am 3. Dezember 2008 habe die Versicherte einen Rückfall gemeldet. Diese Rückfallmeldung sei Ausgangspunkt des Verfahrens. Am 14. August 2009 habe die Versicherte die Solida aufgefordert, aufgrund des im Dezember 2008 gemeldeten Rückfalls das Dossier zu behandeln und ihr eine Rente auszurichten. In der Rückfallmeldung vom 3. Dezember 2008 habe sie festgehalten, die Beschwerden äusserten sich in belastungsabhängigen stechenden Schmerzen im rechten Knie. Das Knie sacke manchmal weg. Dieselben Angaben habe sie bereits im Rahmen der Untersuchung durch das medizinische Zentrum X.________ im August 2006 gemacht, weshalb aber das Vorliegen eines Rückfalls höchst fraglich sei. Die Kniebeschwerden hätten schon im Rahmen der Begutachtung des medizinischen Zentrums X.________ im Jahre 2006 bestanden und seien bei der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit bereits berücksichtigt worden. Im Gutachten des medizinischen Zentrums X.________ vom 29. August 2006 sei eine 100%ige Arbeitsfähigkeit in sitzender Position attestiert worden. Dies habe auch Dr. med. J.________, FMH Rheumatologie und Innere Medizin, im Gutachten vom 10. Juli 2011 bestätigt. Er habe ausgeführt, die Versicherte sei in einer den Beschwerden adaptierten, vorwiegend sitzenden Tätigkeit ganztägig arbeitsfähig bezogen auf ein Ganztagspensum; diese Beurteilung habe seit Jahren Gültigkeit. Aufgrund dieser aktuellen Feststellungen des Dr. med. J.________ müsse - selbst wenn (kurzfristig) eine Verschlechterung eingetreten sein sollte - das neuerlich angestrengte Verfahren in Bezug auf die Rentenausrichtung als von vornherein aussichtslos bezeichnet werden.
3.2
3.2.1 Die Versicherte wendet ein, die Vorinstanz übersehe, dass hier ein Rückfall zu beurteilen gewesen sei, der mit Schreiben vom 1. Juni 2004 und nicht erst am 14. August 2009 der Solida angemeldet worden sei. Im Zeitraum vom 5. Dezember 2009 (Begehren um Bewilligung der unentgeltlichen Verbeiständung, da sich die finanzielle Situation der Versicherten verschlechtert habe) bis 7. Oktober 2011 (Rentenverfügung), für den die unentgeltliche Verbeiständung beantragt worden sei, sei es um die erste Beurteilung des Rentenfalls seit dem Unfall vom 2. Juli 1996 und seit der Rückfallmeldung vom 1. Juni 2004 gegangen. Entsprechend könne die Sache nicht als aussichtslos bezeichnet werden. Eine allfällige Veränderung des Gesundheitszustandes in der Zeit vom 1. September 2008 bis 3. Dezember 2008 sei irrelevant.
3.2.2 Es kann offenbleiben, ob die Rückfallmeldung vom 1. Juni 2004 oder diejenige vom 3. Dezember 2008 bzw. das Schreiben der Versicherten an die Solida vom 14. August 2009 Ausgangspunkt des Verfahrens ist. Zwar kann entgegen der Auffassung der Vorinstanz die Aussichtslosigkeit des Rentengesuchs nicht mit dem Gutachten des Dr. med. J.________ vom 10. Juli 2011 begründet werden. Denn massgebend für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Rechtsbegehren der Versicherten ist der Zeitpunkt bei Einreichung des Gesuchs um unentgeltliche Verbeiständung am 5. Dezember 2009 (BGE 138 III 217 E. 2.2.4 S. 218). Indessen kannte die Versicherte bzw. ihr Rechtsvertreter in diesem Zeitpunkt das von der Vorinstanz ebenfalls ins Feld geführte Gutachten des medizinischen Zentrums X.________ vom 29. August 2006, das im Nachgang zur Rückfallmeldung vom 1. Juni 2004 eingeholt wurde. Dass das Rentenbegehren im Lichte dieses Gutachtens des medizinischen Zentrums X.________ als aussichtslos zu qualifizieren ist, wird von der Versicherten nicht substanziiert bestritten. Demnach ist der angefochtene Entscheid im Ergebnis nicht zu beanstanden. Somit braucht nicht geprüft zu werden, ob die anwaltliche Verbeiständung sachlich geboten war.
4.
Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1, Art. 68 Abs. 2 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege kann ihr wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde nicht gewährt werden (Art. 64 BGG; E. 2 hievor).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 14. November 2012
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Ursprung
Der Gerichtsschreiber: Jancar