BGer 2C_344/2011
 
BGer 2C_344/2011 vom 21.09.2011
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
2C_344/2011
Urteil vom 21. September 2011
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Seiler,
Gerichtsschreiber Zähndler.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas U.K. Brunner,
gegen
Migrationsamt Kanton Aargau,
Rechtsdienst, Kasernenstrasse 21, 5001 Aarau.
Gegenstand
Widerruf der Niederlassungsbewilligung,
Beschwerde gegen das Urteil des Rekursgerichts im Ausländerrecht des Kantons Aargau vom 30. März 2011.
Erwägungen:
1.
X.________ ist Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina. Er wurde 1985 in der Schweiz geboren, lebte jedoch während seinen ersten Lebensjahren in seinem Heimatland. Im März 1989 reiste er schliesslich im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz ein, wo er in die Niederlassungsbewilligung seines Vaters einbezogen wurde.
Während seines Aufenthaltes in der Schweiz wurde X.________ wiederholt und in erheblichem Ausmass straffällig:
Mit Strafverfügung des Bezirksamtes Weinfelden vom 23. März 2004 wurde er wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Busse von Fr. 150.-- verurteilt;
Mit Strafbefehl der Jugendanwaltschaft des Kantons Aargau vom 27. Mai 2004 wurde er der Drohung, der mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie der Widerhandlung gegen das Transportgesetz schuldig gesprochen. Von einer Sanktion wurde abgesehen. Die Jugendanwaltschaft begründete dies damit, dass X.________ volljährig geworden sei und das Jugendstrafverfahren aufgrund der mangelnden Motivation des Delinquenten keine sinnvollen Beiträge mehr leisten könne;
Das Bezirksamt Bischofszell bestrafte ihn mit Verfügung vom 15. November 2004 wegen Widerhandlung gegen das Transportgesetz mit einer Busse von Fr. 300.--;
Am 15. April 2005 wurde er mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat der mehrfachen versuchten Anstiftung zu Veruntreuung schuldig erklärt und zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von drei Monaten verurteilt;
Am 9. September 2005 wurde er ebenfalls mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat wegen Hausfriedensbruchs zu zehn Tagen Gefängnis bedingt verurteilt;
Das Bezirksamt Baden verurteilte ihn am 5. Februar 2007 unter anderem wegen mehrfachem Diebstahl, einfacher Körperverletzung, Hausfriedensbruch sowie wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und das Transportgesetz zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen sowie zu einer Busse von Fr. 500.--. Das Bezirksamt widerrief zudem den bedingten Aufschub der am 15. April 2005 ausgesprochenen Gefängnisstrafe von drei Monaten und der am 9. September 2005 ausgesprochenen Gefängnisstrafe von zehn Tagen;
Am 10. Dezember 2008 wurde X.________ schliesslich vom Bezirksgericht Meilen wegen Raubes, einfacher Körperverletzung, Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, mehrfachen Hausfriedensbruchs, Tätlichkeiten sowie geringfügigen Diebstahls zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten sowie zu einer Busse von Fr. 300.-- verurteilt. Dem Urteil lag insbesondere zu Grunde, dass X.________ in der Nacht von Heiligabend auf Weihnachten 2006 einen Zugchef der Schweizerischen Bundesbahnen anlässlich einer Fahrausweiskontrolle mit Fusstritten gegen die Beine attackierte und anschliessend einer ebenfalls anwesenden Bahnkontrolleurin mit einem Tritt ins Gesicht das Nasenbein brach, wobei auch die Frontzähne des Opfers absplitterten. Weiter hat X.________ am 11. März 2007 einen Bahnpassagier zur Herausgabe des Mobiltelefons genötigt und ihm die Ermordung von Familienmitgliedern angedroht, wenn dieser zur Polizei gehe.
Aufgrund dieser Delinquenz und nachdem zuvor zwei fremdenpolizeiliche Verwarnungen samt Androhung der Ausweisung nichts bewirkt hatten, verfügte das Migrationsamt des Kantons Aargau am 3. September 2009 den Widerruf der Niederlassungsbewilligung von X.________. Die von ihm hiergegen ergriffenen Rechtsmittel blieben ohne Erfolg und wurden vom Rechtsdienst des kantonalen Migrationsamtes (Einspracheentscheid vom 2. Februar 2010) und vom Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau (Urteil vom 30. März 2011) abgewiesen.
2.
Gegen letztinstanzliche Entscheide betreffend den Widerruf der Niederlassungsbewilligung ist die von X.________ am 30. April 2011 erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht grundsätzlich zulässig (BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4), weswegen auf die von X.________ eventualiter ebenfalls erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde nicht einzutreten ist (Art. 113 BGG). Unzulässig ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten jedoch insoweit, als damit (auch) die Verfügung des Migrationsamtes vom 3. September 2009 und der Einspracheentscheid des Rechtsdienstes des Migrationsamtes vom 2. Februar 2010 angefochten werden: Nach dem Prinzip des Devolutiveffekts wurden diese Entscheide prozessual durch das Urteil des Rekursgerichts im Ausländerrecht des Kantons Aargau vom 30. März 2011 ersetzt; Letzteres bildet alleiniger Anfechtungsgegenstand für den nachfolgenden Instanzenzug (BGE 134 II 142 E. 1.4 S. 144).
3.
Soweit sich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen ein zulässiges Anfechtungsobjekt richtet, erweist sie sich als offensichtlich unbegründet, weshalb sie im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG mit summarischer Begründung erledigt werden kann:
Nach Art. 63 Abs. 1 lit. a AuG (in Verbindung mit Art. 62 lit. b AuG) kann die Niederlassungsbewilligung widerrufen werden, wenn der Ausländer zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Als längerfristig gilt eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr (BGE 135 II 377 E. 4.2 S. 379 ff.). Diese Voraussetzung ist vorliegend unbestrittenermassen erfüllt.
Der Beschwerdeführer beruft sich im Wesentlichen darauf, dass die angeordnete Massnahme unverhältnismässig sei. Die erhobene Rüge geht jedoch ins Leere: Richtig ist wohl, dass ein Widerruf der Bewilligung aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls verhältnismässig sein muss. Dies hat das Rekursgericht aber nicht verkannt. Vielmehr hat es sich mit den diesbezüglichen Einwendungen des Beschwerdeführers vertieft und sorgfältig auseinandergesetzt. In sachgerechter Weise hat es sodann die hier massgeblichen öffentlichen Interessen an einer Ausreise des Beschwerdeführers und dessen private Interessen an einem Verbleib in der Schweiz gewürdigt und ist zum Schluss gelangt, dass der Beschwerdeführer in seine Heimat zurückkehren muss.
Diese Schlussfolgerung ist weder im Lichte des Ausländergesetzes noch von Art. 8 EMRK zu beanstanden: Die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten, insbesondere die Gewaltdelikte vom 24./25. Dezember 2006 und vom 11. März 2007, lassen auf eine ganz erhebliche soziale Gefährlichkeit und auf eine inakzeptable Geringschätzung der schweizerischen Rechtsordnung schliessen. Da er sich weder von diversen Geld- und Freiheitsstrafen noch von zwei fremdenpolizeilichen Verwarnungen von der Verübung weiterer Delikte abhalten liess, sondern seine kriminellen Handlungen im Gegenteil immer gravierender wurden, entsteht vom Beschwerdeführer der Eindruck eines unverbesserlichen Gewohnheitsdelinquenten, bei welchem sämtliche in einem Rechtsstaat zur Verfügung stehenden Sanktionen wirkungslos sind. Der Eindruck bestätigt sich, zumal der Beschwerdeführer sogar nach dem Widerruf seiner Niederlassungsbewilligung weiter delinquierte und zugegeben hat, am 20. September 2009 für eine Drittperson gegen Entgelt Kokain organisiert zu haben.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers besteht bei dieser Sachlage auch keine Notwendigkeit, eine ergänzende mündliche Befragung von ihm und seinen Angehörigen durchzuführen, zumal Art. 6 Ziff. 1 EMRK auf ausländerrechtliche Verfahren nicht anwendbar ist und daher kein Anspruch auf öffentliche Verhandlung besteht (Urteil 2A.284/2001 vom 9. Oktober 2001 E. 2).
4.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist, und es kann ergänzend auf die vorinstanzlichen Ausführungen verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG). Entsprechend diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Migrationsamt und dem Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 21. September 2011
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Zünd
Der Gerichtsschreiber: Zähndler