BGer 9C_547/2010
 
BGer 9C_547/2010 vom 26.01.2011
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
9C_547/2010
Urteil vom 26. Januar 2011
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Glanzmann,
Gerichtsschreiberin Dormann.
 
Verfahrensbeteiligte
K.________,
vertreten durch Beratungsstelle für Ausländer,
Beschwerdeführer,
gegen
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 7. Mai 2010.
Sachverhalt:
A.
Der 1954 geborene K.________ meldete sich im Februar 2004 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit Verfügungen vom 19. November 2004 resp. 28. Januar 2005 sprach ihm die IV-Stelle des Kantons Zürich ab 1. Februar 2004 bei einem Invaliditätsgrad von 80 % eine ganze Invalidenrente und eine Kinderrente zu. Im September 2006 leitete die Verwaltung von Amtes wegen ein Revisionsverfahren ein und traf entsprechende Abklärungen. Mit Verfügung vom 8. Oktober 2008 stellte sie einen Invaliditätsgrad von 44 % fest und setzte die bisherige Rente ab Dezember 2008 auf eine Viertelsrente herab.
B.
Die Beschwerde des K.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 7. Mai 2010 ab.
C.
K.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des Entscheids vom 7. Mai 2010 sei ihm eine ganze Invalidenrente zuzusprechen.
Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das kantonale Gericht und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
1.1 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
1.2 Bei den vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit der versicherten Person handelt es sich grundsätzlich um Entscheidungen über eine Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.), welche das Bundesgericht seiner Urteilsfindung zugrunde zu legen hat (E. 1.1). Gleiches gilt auch für die Frage, ob sich eine Arbeits(un)fähigkeit in einem bestimmten Zeitraum in einem revisionsrechtlich relevanten Sinne verändert hat (vgl. Urteil I 865/06 vom 12. Oktober 2007 E. 4). Die konkrete Beweiswürdigung stellt eine Tatfrage dar. Dagegen ist die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; erwähntes Urteil I 865/06 E. 4 mit Hinweisen), die das Bundesgericht im Rahmen der den Parteien obliegenden Begründungs- bzw. Rügepflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.1 und 1.4.2 S. 254) frei überprüfen kann (Art. 106 Abs. 1 BGG). Der Verzicht der Vorinstanz auf weitere Abklärungen oder Rückweisung der Sache an die IV-Stelle zu diesem Zwecke (antizipierte Beweiswürdigung; Urteil 9C_561/2007 vom 11. März 2008 E. 5.2.1) verletzt insbesondere dann Bundesrecht, wenn eine entscheidwesentliche Tatfrage, wie namentlich Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit einer versicherten Person, auf unvollständiger Beweisgrundlage beantwortet wird (SVR 2011 IV Nr. 2 S. 7, 9C_904/2009 E. 3.1 mit Hinweisen).
2.
2.1 Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze zur Rentenrevision (Art. 17 Abs. 1 ATSG [SR 830.1]; BGE 130 V 343 E. 3.5 S. 349 ff.; 133 V 108 E. 5.4 S. 114) zum Invaliditätsbegriff (Art. 4 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 8 ATSG), zum Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 IVG) und zur Bestimmung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Personen nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG) zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die Ausführungen über den Beweiswert und die Beweiswürdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a und 3b/cc S. 352 f.). Darauf wird verwiesen.
2.2 Zu ergänzen ist Folgendes: Zur Beurteilung sozialversicherungsrechtlicher Leistungsansprüche bedarf es verlässlicher medizinischer Entscheidgrundlagen (BGE 134 V 231 f. E. 5.1). Der Beweiswert einer spezialärztlichen Expertise hängt u.a. davon ab, ob die begutachtende Person über die entsprechende Fachausbildung verfügt. Ihre fachliche Qualifikation spielt für die richterliche Würdigung einer Expertise eine erhebliche Rolle. Bezüglich der medizinischen Stichhaltigkeit eines Gutachtens müssen sich Verwaltung und Gerichte auf die Fachkenntnisse der Expertin oder des Experten verlassen können. Deshalb ist für die Eignung einer Ärztin oder eines Arztes als Gutachtensperson in einer bestimmten medizinischen Disziplin ein entsprechender, dem Nachweis der erforderlichen Fachkenntnisse dienender spezialärztlicher Titel der berichtenden oder zumindest der den Bericht visierenden Arztperson vorausgesetzt (Urteile 8C_65/2010 und 8C_66/2010 vom 6. September 2010 E. 3.1; 9C_270/2008 vom 12. August 2008 E. 3.3).
3.
Nach unbestrittener und nicht offensichtlich unrichtiger vorinstanzlicher Feststellung (E. 1.1) ging die IV-Stelle bei der ursprünglichen Rentenzusprache von einer in somatischer Hinsicht vollen Arbeitsfähigkeit für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten und einer psychiatrisch begründeten Einschränkung von mindestens 80 % aus. Weiter hat das kantonale Gericht dem Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle A.________ vom 31. März 2008 Beweiskraft beigemessen und gestützt darauf festgestellt, der Gesundheitszustand des Versicherten habe sich in psychischer Hinsicht erheblich verbessert. In einer körperlich leichten Tätigkeit betrage die Arbeitsfähigkeit nunmehr 80 %. Für den Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG) hat die Vorinstanz das Valideneinkommen auf Fr. 78'198.- und das Invalideneinkommen auf Fr. 43'185.- festgesetzt, woraus ein Invaliditätsgrad von 45 % und somit der Anspruch auf eine Viertelsrente resultiert. Der Beschwerdeführer stellt die Beweiskraft des Gutachtens der Medizinischen Abklärungsstelle A.________ in Abrede und rügt dabei eine ungenügende Abklärung in orthopädischer und psychiatrischer Hinsicht.
4.
4.1 Der Versicherte wurde im Rahmen der Begutachtung der Medizinischen Abklärungsstelle A.________ unter Aspekten der Inneren Medizin, der Rheumatologie, der Neurologie sowie der Psychosomatik untersucht. Gegenstand der Rheumatologie - als Teildisziplin der Inneren Medizin - sind (chronische) Schmerzen des Bewegungsapparates; dies trifft u.a. auch auf die Orthopädie zu (Urteil 9C_203/2010 vom 21. September 2010 E. 4.1). Weshalb insbesondere der Rheumatologe nicht in der Lage gewesen sein soll, die Rückenbeschwerden des Versicherten kompetent zu beurteilen, ist nicht ersichtlich. Ausserdem bestätigte Dr. med. H.________ im Bericht vom 28. Oktober 2008 im Wesentlichen die Diagnosen des Rheumatologen und zog dessen Einschätzungen nicht in Zweifel, sondern empfahl lediglich eine psychiatrische Abklärung mit anschliessender Gesamtbeurteilung. Der neu eingereichte und daher ohnehin unzulässige (Art. 99 Abs. 1 BGG) Bericht der Klinik X.________ vom 9. Dezember 2010 lässt keine Rückschlüsse auf den Sachverhalt im massgeblichen, durch den Erlass der Verfügung vom 8. Oktober 2008 begrenzten Prüfungszeitraum (BGE 129 V 1 E. 1.2 S. 4) zu. Nach dem Gesagten ist die vorinstanzliche Würdigung des Gutachtens der Medizinischen Abklärungsstelle A.________ in Bezug auf die (somatischen) Rückenbeschwerden bundesrechtskonform.
4.2 Psychiatrische Diagnosen waren nicht nur für die ursprüngliche Rentenzusprache ausschlaggebend, sondern wurden auch im vorinstanzlichen Verfahren vom Beschwerdeführer unter Verweis auf die Berichte der Medizinischen Abklärungsstelle G.________ vom 12. Dezember 2008 und 30. März 2009 geltend gemacht. Eine fachärztliche Beurteilung ist daher unumgänglich. Anlässlich der Begutachtung in der Medizinischen Abklärungsstelle A.________ fand keine eigentliche psychiatrische Untersuchung statt; die Ergebnisse und Einschätzungen betreffend den psychiatrischen Sachverhalt beruhen auf dem "psychosomatischen" Teilgutachten. In Bezug auf die fachärztliche Qualifikation des med. prakt. E.________, welcher die entsprechende Untersuchung durchführte und an der nachfolgenden Konsensbesprechung beteiligt war, ergibt sich aus der Vernehmlassung der IV-Stelle und dem Medizinalberuferegister des Bundesamtes für Gesundheit (MedReg; http://www.medregom.admin.ch, besucht am 19. Januar 2011), dass er 2009 einen Facharzttitel in Psychiatrie und Psychotherapie erworben hat. Offensichtlich hatte er die dafür notwendigen Voraussetzungen im Zeitpunkt der Gutachtenserstattung am 31. März 2008 noch nicht erfüllt. Hinsichtlich der spezialärztlichen Befähigung des Prof. Dr. I.________, welcher das Teilgutachten visierte, lässt sich dem MedReg nichts entnehmen; auf der Homepage der von ihm geführten Abteilung Psychosomatik des Spitals Y.________ wird die Innere Medizin, nicht aber die Psychiatrie als sein Fachgebiet angegeben. Unter diesen Umständen bildet das Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle A.________ keine genügende Grundlage für die vorinstanzlichen Feststellungen betreffend den Gesundheitszustand resp. dessen Entwicklung in psychischer Hinsicht. Nachdem das kantonale Gericht in nicht offensichtlich unrichtiger Beweiswürdigung den Berichten der Medizinischen Abklärungsstelle G.________ die Beweiskraft abgesprochen hat, wird die Verwaltung ergänzende Abklärungen zu treffen haben.
5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Überdies hat sie dem obsiegenden Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 7. Mai 2010 und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 8. Oktober 2008 aufgehoben werden und die Sache an die IV-Stelle des Kantons Zürich zurückgewiesen wird, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Rentenanspruch neu verfüge.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 500.- zu entschädigen.
4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und der Allgemeinen Pensionskasse der SAirGroup, Zürich, schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 26. Januar 2011
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Meyer Dormann