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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
5A_383/2010
Urteil vom 10. Dezember 2010
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter L. Meyer,
Gerichtsschreiber Zingg.
Verfahrensbeteiligte
X.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Rainer Hager,
Beschwerdeführerin,
gegen
1. S.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Schmid,
2. T.________,
3. U.________,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Sulger Büel,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Grundbucheintrag,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer, vom 29. März 2010.
Sachverhalt:
A.
Am 6. Januar 1999 verkaufte die X.________ AG an T.________ und U.________ die Stockwerkeinheit GS 1 in A.________ (180/1000 Miteigentum an GS 2). Zugleich vereinbarten die Parteien zugunsten der Käuferschaft die Einräumung ausschliesslicher und übertragbarer Benützungsrechte an fünf Autoeinstellplätzen und drei Lagerräumen. Diese Einstellplätze und Lagerräume befinden sich auf GS 3. In der Grundbuchanmeldung beantragte die X.________ AG fälschlicherweise, die Benützungsrechte zu Lasten des GS 2 (Baurechtsgrundstück auf GS 4) einzutragen. Das Grundbuchamt vollzog die Grundbuchanmeldung antragsgemäss.
Am 5. Dezember 2000 verkaufte die X.________ AG neben diversen Stockwerkeinheiten das GS 3 der S.________ AG. Diese ersuchte am 19. Februar 2003 das Grundbuchamt, zu ihren Gunsten und zu Lasten des GS 3 übertragbare Benützungsrechte an fünf Autoeinstellplätzen (P 20, 21, 22, 23 und 24) und drei Lagerräumen (L 30, 31 und 32) im Grundbuch einzutragen. Die Benützungsrechte sollten damit jene Flächen und Räume betreffen, die bereits Gegenstand des Vertrags vom 6. Januar 1999 zwischen der X.________ AG und dem Ehepaar T.________ und U.________ gewesen waren. Am 13. Februar 2004 wies das Grundbuchamt des Kantons Zug die Grundbuchanmeldung ab.
B.
Gegen diese Verfügung erhob die S.________ AG Rechtsverweigerungs- bzw. Rechtsverzögerungs- sowie Verwaltungsbeschwerde beim Regierungsrat des Kantons Zug, welcher die Beschwerden mit Beschluss vom 21. Februar 2006 abwies.
C.
Gegen diesen Beschluss erhob die S.________ AG am 22./29. März 2006 Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Mit Urteil vom 29. März 2010 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Zug die Beschwerde gut und bestimmte, die übertragbaren Benützungsrechte an den Lagerräumlichkeiten L 30, L 31 und L 32 sowie an den Autoeinstellplätzen P 20, P 21, P 22, P 23 und P 24 seien zugunsten der S.________ AG und zu Lasten des GS 3 ins Grundbuch einzutragen.
Die umstrittenen Benützungsrechte waren und sind Gegenstand weiterer Verfahren: Eine Grundbuchberichtigungsklage von T.________ und U.________ wurde vom Obergericht des Kantons Zug am 15. September 2009 abgewiesen. Die X.________ AG verlangt mit Forderungsklage vom 16. Februar 2010 gegen die S.________ AG, diese sei zu verpflichten, zulasten des GS 3 und zu Gunsten des Ehepaars T.________ und U.________ die fraglichen Personaldienstbarkeiten zu begründen und im Grundbuch eintragen zu lassen. Dieses Verfahren ist vor Kantonsgericht Zug hängig.
D.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat die X.________ AG (Beschwerdeführerin), welche an den vorangegangenen Verfahren betreffend Verweigerung der Grundbucheintragung als Beigeladene teilgenommen hatte, am 17. Mai 2010 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Verweigerung des von der S.________ AG verlangten Eintrags. Zudem ersucht sie um aufschiebende Wirkung und um Sistierung des bundesgerichtlichen Verfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss des beim Kantonsgericht Zug hängigen Forderungsprozesses.
Mit Präsidialverfügung vom 19. Mai 2010 ist der Beschwerde superprovisorisch aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. T.________ und U.________ haben sich den Gesuchen um aufschiebende Wirkung und Sistierung angeschlossen. Die S.________ AG hingegen hat um Entzug der superprovisorisch erteilten aufschiebenden Wirkung und um Abweisung des Sistierungsantrags ersucht. Am 30. Juni 2010 ist der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt, hingegen mit Verfügung der Instruktionsrichterin vom 12. November 2010 das Sistierungsgesuch abgelehnt worden.
Das Bundesgericht hat die Akten beigezogen. Vernehmlassungen in der Sache sind nicht eingeholt worden.
Erwägungen:
1.
1.1 Anlass zum vorliegenden Verfahren bildet die Abweisung einer Grundbuchanmeldung, mithin eine Frage der Führung des Grundbuches. Dabei geht es um eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Zivilrecht, welcher kein Streitwert zukommt (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 BGG, Urteil 5A_614/2008 vom 26. November 2008 E. 1, nicht publ. in: BGE 135 III 103). Die Beschwerde in Zivilsachen gegen den kantonal letztinstanzlich ergangenen Endentscheid (Art. 75 Abs. 1, Art. 90 BGG) ist damit gegeben. Der kantonale Rechtsweg ist im Hinblick auf die Eintretensvoraussetzungen hingegen nicht massgebend (BGE 135 III 483 E. 1.1.1 S. 485). Die falsche Bezeichnung der - im Übrigen fristgerecht erhobenen (Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 45 Abs. 1 BGG) - Beschwerde schadet nicht.
1.2 Die Beschwerdeführerin hat als Beigeladene zwar am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen (Art. 76 Abs. 1 lit. a BGG), doch muss sie zusätzlich ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids aufweisen (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG). Sie leitet ihr Interesse daraus ab, dass sie sich vertraglich gegenüber dem Ehepaar T.________ und U.________ zur Einräumung der Dienstbarkeit verpflichtet habe und sie ihnen gegenüber schadenersatzpflichtig würde, wenn sie die fraglichen Liegenschaftsteile nicht mehr benutzen könnten. Die Frage, ob ihr behauptetes Interesse den Legitimationsanforderungen genügt, kann jedoch offen bleiben, da die Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann.
2.
2.1 Eine grundbuchliche Verfügung kann nur unter der Voraussetzung vorgenommen werden, dass sich der Gesuchsteller über seine Verfügungsberechtigung und über den Rechtsgrund ausweist (Art. 965 Abs. 1 ZGB). Der Ausweis über das Verfügungsrecht liegt im Nachweis, dass der Gesuchsteller die nach Massgabe des Grundbuches verfügungsberechtigte Person ist oder von dieser eine Vollmacht erhalten hat (Art. 965 Abs. 2 ZGB). Der Ausweis über den Rechtsgrund liegt im Nachweis, dass die für dessen Gültigkeit erforderliche Form erfüllt ist (Art. 965 Abs. 3 ZGB). Im Falle einer Eigentümerdienstbarkeit kommt der Rechtsgrund, welcher allein im Entschluss des Eigentümers zu ihrer Errichtung liegt, in der schriftlichen Anmeldung zur Eintragung durch den Eigentümer zum Ausdruck; Anmeldung und Ausweis über den Rechtsgrund der Anmeldung gehen ineinander auf (Art. 20 Abs. 1 der Verordnung vom 22. Februar 1910 betreffend das Grundbuch, GBV; SR 211.432.1). Dem Grundbuchführer obliegt in diesem Fall die Überprüfung der Gültigkeit der Anmeldung (BGE 129 III 216 E. 3.3.2 S. 223 f.). Dabei ist er - wie auch sonst - grundsätzlich auf die Überprüfung der formellen Erfordernisse beschränkt (z.B. Einhaltung der Form, Identität des Verfügenden). Dagegen hat er sich grundsätzlich nicht um den materiellen Bestand des Rechtsverhältnisses zu kümmern. Immerhin hat er eine Anmeldung abzuweisen, wenn sie sich auf einen offensichtlich nichtigen Rechtstitel stützt oder sich das angemeldete Recht seiner Natur nach nicht zur Aufnahme ins Grundbuch eignet (BGE 124 III 341 E. 2b S. 343 f.; 119 II 16 E. 2a S. 17 f.; 114 II 324 E. 2b S. 326; je mit Hinweisen).
2.2 Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, dass der Grundbuchverwalter den existierenden Eintrag einer Personaldienstbarkeit zu Lasten von GS 2 und zu Gunsten des Ehepaars T.________ und U.________ berücksichtigen musste und sich nicht auf eine isolierte Beurteilung einzig anhand des Grundbuchblattes von GS 3 beschränken durfte. Unabhängig vom materiellen Bestand der Dienstbarkeit zu Gunsten des Ehepaars T.________ und U.________ verstosse es gegen die Sicherheit im Rechtsverkehr, zu Lasten von GS 3 eine Eigentümerdienstbarkeit zugunsten der S.________ AG einzutragen, welche dieselben physischen Objekte (Parkplätze und Lagerräume) betreffe, wie die zu Lasten von GS 2 eingetragene Dienstbarkeit. Ebenso sei erst unter Beizug des Eintrags zu Lasten von GS 2 die fehlende Verfügungsmacht der S.________ AG ersichtlich. Schliesslich verstosse das angefochtene Urteil gegen Treu und Glauben, indem der Bestand der vom Ehepaar T.________ und U.________ erworbenen und eingetragenen Benützungsrechte nicht geschützt werde, sondern gegenteils das rechtsmissbräuchliche Verhalten der S.________ AG.
2.3 Die Vorinstanz hat festgestellt, dass die formellen Voraussetzungen für eine Eintragung an sich unstrittig erfüllt seien und dass die Vorinstanzen materielle Überlegungen für die Abweisung des Eintragungsbegehrens angeführt hätten. Es hat in der Folge die materiellrechtlichen Erwägungen des Grundbuchberichtigungsverfahrens herangezogen, wonach zugunsten des Ehepaars T.________ und U.________ auf GS 3 gar keine Dienstbarkeit bestehe. Gestützt darauf hat es das Vorliegen einer Gefährdung der Verkehrssicherheit durch eine Paralleleintragung verneint.
Eine Bezugnahme auf das materielle Recht ist allerdings bei der Prüfung der Kognition des Grundbuchverwalters vorliegend nicht nötig. Seine Prüfungsbefugnis ist - wie ausgeführt - vor allem formeller Natur. Um den materiellen Bestand der anbegehrten Dienstbarkeit hat er sich grundsätzlich nicht zu kümmern, ebenso wenig wie um den Bestand einer bereits eingetragenen Dienstbarkeit, die mit der einzutragenden inhaltlich kollidieren könnte. Auch die Berufung auf ein allgemeines Rechtssicherheits- bzw. Verkehrssicherheitsinteresse an der Eindeutigkeit des Grundbuchs führt zu keinem anderen Resultat. Die umfassende Betrauung des Grundbuchführers mit der Wahrung dieses Interesses würde tendenziell eine nicht überblickbare Ausweitung seiner Kognition mit sich ziehen. Der Eintrag zweier inhaltlich identischer Personaldienstbarkeiten, die zu Lasten zweier verschiedener Grundstücke bestehen sollen und deren jeweilige Ausübung mit der Ausübung der anderen unvereinbar ist, mag zwar zu einer gewissen Widersprüchlichkeit des Grundbuchs führen und zieht unweigerlich die Frage nach dem Bestand der einen oder andern Dienstbarkeit nach sich. Diese Frage ist aber durch die Zivilgerichte zu klären und nicht zur Beantwortung durch den Grundbuchverwalter geeignet. Insoweit obliegt es dem Grundbuchverwalter nicht, die Widerspruchsfreiheit des Grundbuchs zu wahren, würde er doch dadurch gegebenenfalls riskieren, eine materiell berechtigte Eintragung zu verweigern zu Gunsten eines materiell nicht oder nicht mehr berechtigten Eintrags. Der Grundbuchverwalter wird den Antragsteller allerdings darauf aufmerksam machen dürfen, dass die anbegehrte Eintragung zu einem Konflikt mit einem bereits bestehenden Eintrag führen könnte. Sind die Eintragungsvoraussetzungen aber erfüllt, darf er nicht - faktisch - einen Entscheid über die Berechtigung der zweiten Eintragung vorwegnehmen und diese verweigern. Vorliegend durfte der Grundbuchverwalter demnach nicht berücksichtigen, dass zu Lasten des GS 2 eine Dienstbarkeit eingetragen ist, die sich auf dieselben Objekte (Parkplätze und Lagerräume) bezieht wie die von der S.________ AG zur Eintragung angemeldete Eigentümerdienstbarkeit. Einzig entscheidend ist, dass die Anmeldung die Anforderungen von Art. 965 ZGB und vorliegend insbesondere von Art. 20 Abs. 1 GBV erfüllt. Aus dem Eintrag auf GS 2 kann auch nicht auf eine Einschränkung der Verfügungsmacht der S.________ AG geschlossen werden. Die Beschwerdeführerin behauptet zwar - nicht ganz widerspruchsfrei -, dass die S.________ AG das Grundstück ohne die Benützungsrechte erworben habe bzw. aus Treu und Glauben eine Pflicht habe, die fraglichen Benützungsrechte dem Ehepaar T.________ und U.________ einzuräumen. So oder anders beschlägt aber auch dieses Vorbringen materiellrechtliche Fragen, die der Grundbuchverwalter nicht zu untersuchen hat. Nicht erheblich für die Kognition des Grundbuchverwalters ist des Weiteren, ob das Ehepaar T.________ und U.________ auf den Bestand der zu ihren Gunsten eingetragenen Personaldienstbarkeit vertraut hat. Ob und welche Konsequenzen aus einem allenfalls enttäuschten Vertrauen zu ziehen sind, hat nicht der Grundbuchverwalter zu beurteilen, und es ist nicht seine Aufgabe, sie vor der Enttäuschung zu bewahren. Das angeblich rechtsmissbräuchliche Verhalten der S.________ AG schliesslich wird durch die Beschwerdeführerin nicht näher konkretisiert, so dass darauf mangels genügender Begründung (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) nicht einzutreten ist. Ebenso wenig ist auf die behauptete Verletzung einer angeblichen "verfassungsrechtlichen Schadensminderungspflicht" einzugehen (Art. 106 Abs. 2 BGG). Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann.
3.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Kosten für die Zwischenverfügungen wurden zur Hauptsache geschlagen und sind mithin gleich zu behandeln wie diese.
In der Sache wurde keine Vernehmlassung eingeholt, so dass diesbezüglich kein zu entschädigender Aufwand entstanden ist. Hinsichtlich der Zwischenverfügungen ist keine Parteientschädigung zu sprechen, da sich eine Ausscheidung der entsprechenden Kosten nicht rechtfertigt (Art. 68 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird als Beschwerde in Zivilsachen entgegengenommen.
2.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Es werden keine Parteientschädigungen gesprochen.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer, und dem Grundbuchamt des Kantons Zug schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 10. Dezember 2010
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:
Hohl Zingg