BGer 1C_230/2010
 
BGer 1C_230/2010 vom 07.12.2010
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
1C_230/2010
Urteil vom 7. Dezember 2010
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Raselli,
Gerichtsschreiber Dold.
1. Verfahrensbeteiligte
Ehepaar A.a.________,
2. Ehepaar A.b.________,
3. Ehepaar A.c.________,
4. A.d.________,
5. Ehepaar A.e.________,
6. Ehepaar A.f.________,
7. Ehepaar A.g.________,
8. Ehepaar A.h.________,
9. A.i.________,
10. A.j.________,
11. Ehepaar A.k.________,
12. Ehepaar A.l.________,
13. Ehepaar A.m.________,
14. Ehepaar A.n.________,
15. Ehepaar A.o.________,
16. Ehepaar A.p.________,
17. Ehepaar A.q.________,
18. Ehepaar A.r.________,
19. A.s.________,
20. Ehepaar A.t.________,
21. Ehepaar A.u.________,
22. Ehepaar A.v.________,
23. Ehepaar A.w.________,
24. Ehepaar A.x.________,
25. Ehepaar A.y.________,
26. Ehepaar A.z.________,
27. B.a.________,
28. B.b.________,
29. B.c.________,
30. Ehepaar B.d.________,
31. B.e.________,
32. B.f.________,
33. Ehepaar B.g.________,
34. B.h.________,
35. Ehepaar B.i.________,
36. B.j.________,
37. B.k.________,
38. Ehepaar B.l.________,
39. Ehepaar B.m.________,
40. B.n.________,
41. B.o.________,
42. Ehepaar B.p.________,
43. B.q.________,
44. Ehepaar B.r.________,
45. Ehepaar B.s.________,
46. Ehepaar B.t.________,
47. Ehepaar B.u.________,
48. B.v.________,
49. Ehepaar B.w.________,
50. Ehepaar B.x.________,
51. Ehepaar B.y.________,
52. Ehepaar B.z.________,
Beschwerdeführer, alle vertreten druch
Rechtsanwalt Tim Walker,
gegen
Orange Communications SA, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Amadeus Klein,
c/o Orange Communications SA,
Politische Gemeinde Roggwil, vertreten durch den Gemeinderat, St. Galler Strasse 64, Postfach 53,
9325 Roggwil,
Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau, Generalsekretariat, Rechtsdienst, Promenade, Postfach, 8510 Frauenfeld.
Gegenstand
Mobilfunkantenne,
Beschwerde gegen den Entscheid vom 24. Februar 2010 des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau.
Sachverhalt:
A.
Die Orange Communications SA (im Folgenden: Orange) reichte am 4. Dezember 2006 ein Gesuch für den Bau einer Mobilfunkantenne auf der Parzelle Nr. 61 in Freidorf (Gemeinde Roggwil) ein. Die dagegen erhobenen Einsprachen wurden vom Gemeinderat Roggwil mit Entscheid vom 27. März 2007 teilweise gutgeheissen und die Baubewilligung wurde verweigert. Gegen diesen Entscheid erhob Orange Rekurs beim Departement für Bau und Umwelt (DBU) des Kantons Thurgau. Dieses hiess den Rekurs mit Entscheid vom 23. Juli 2007 gut und wies die Gemeinde an, die Baubewilligung zu erteilen. Zur Begründung führte es an, eine die Verweigerung der Baubewilligung rechtfertigende Beeinträchtigung des Schlosses Freidorf bestehe nicht. Gegen diesen Entscheid legten die Eheleute A.a.________ und 34 weitere Personen sowie die Politische Gemeinde Roggwil Beschwerde beim Verwaltungsgericht ein. Am 23. Januar 2008 wies das Verwaltungsgericht beide Beschwerden ab.
Auf eine dagegen von den Eheleuten A.a.________ sowie 34 weiteren Personen erhobene Beschwerde trat das Bundesgericht nicht ein (Urteil 1C_200/2008 vom 28. November 2008). Es erwog, das Baubewilligungsverfahren sei nach dem durch das Verwaltungsgericht bestätigten Rückweisungsentscheid des DBU noch nicht abgeschlossen. Es liege deshalb ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 Abs. 1 BGG vor, wobei die in dieser Bestimmung aufgeführten Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt seien.
Der erneut mit der Angelegenheit befasste Gemeinderat Roggwil entschied am 18. März 2009, dass die Baubewilligung wegen einer das gesamte Gemeindegebiet umfassenden Planungszone nicht erteilt werden könne. Das DBU hiess ein gegen diesen Entscheid von Orange erhobenes Rechtsmittel gut und wies die Gemeinde erneut an, die Baubewilligung zu erteilen. Zur Begründung führte es an, die Planungszone sei knapp zehn Monate nach Einreichung des Baugesuchs vom 4. Dezember 2006 erlassen worden. Unter diesen Voraussetzungen könne das Baugesuch nur dann abgewiesen werden, wenn dies überwiegende öffentliche Interessen gebieten würden, was nicht der Fall sei.
Gegen diesen Entscheid erhoben Herr B.z.________ und eine Anzahl weiterer Personen Beschwerde an das Verwaltungsgericht. Mit Entscheid vom 24. Februar 2010 bejahte dieses die Legitimation von Herrn B.z.________ und liess die Frage in Bezug auf die weiteren Beschwerdeführer offen. Im Ergebnis wies es die Beschwerde von Herrn B.z.________ ab und hielt fest, der Verwaltungsgerichtsentscheid vom 23. Januar 2008 gelte mit Ausnahme von Ziff. 3 dessen Dispositivs unverändert weiter. Herrn B.z.________ und den am ersten Verfahren beteiligten Beschwerdeführern auferlegte es eine Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.--. Zudem wies es Herrn B.z.________ an, Orange mit Fr. 200.-- zu entschädigen.
B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiärer Verfassungsbeschwerde beantragen die Eheleute A.a.________ und die weiteren im Rubrum genannten Personen im Wesentlichen, die Entscheide des Verwaltungsgerichts vom 24. Februar 2010 und vom 23. Januar 2008 sowie der Entscheid des DBU vom 19. August 2009 seien aufzuheben. Eventualiter sei das Verwaltungsgericht anzuweisen, den angefochtenen Entscheid sämtlichen Beschwerdeführern des vorinstanzlichen Verfahrens zuzustellen. Die Beschwerdeführer kritisieren zum einen, dass der angefochtene Entscheid nur Herr B.z.________ zugestellt wurde. Zum anderen werfen sie dem Verwaltungsgericht vor, in der Frage der Planungszone auf eine Interessenabwägung verzichtet zu haben. Schliesslich rügen sie, die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- sei zu hoch.
Das DBU und Orange beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Verwaltungsgericht beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die Gemeinde Roggwil verzichtete auf eine Vernehmlassung. In ihrer Stellungnahme dazu halten die Beschwerdeführer im Wesentlichen an ihren Anträgen und Rechtsauffassungen fest.
Mit Präsidialverfügung vom 21. Mai 2010 hat das Bundesgericht das Gesuch der Beschwerdeführer um aufschiebende Wirkung abgewiesen.
Erwägungen:
1.
1.1 Dem angefochtenen Entscheid liegt ein Beschwerdeverfahren über eine baurechtliche Bewilligung zugrunde. Nach Art. 34 Abs. 1 RPG (SR 700) gelten für die Rechtsmittel an die Bundesbehörden die allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 lit. a BGG steht auf dem Gebiet des Raumplanungs- und Baurechts zur Verfügung. Das Bundesgerichtsgesetz enthält keinen Ausschlussgrund (Art. 83 BGG). Angefochten ist ein Entscheid einer letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG).
1.2 Im angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts wird der Entscheid des DBU bestätigt, wonach die Angelegenheit an die Politische Gemeinde Roggwil zurückgewiesen wird, damit diese die beantragte Baubewilligung erteile. Das kantonale Verfahren ist somit noch nicht abgeschlossen. Zudem kann angesichts der Möglichkeit des Erlasses von Nebenbestimmungen nicht gesagt werden, der Gemeinde verbleibe keinerlei Entscheidungsspielraum mehr, was gemäss der Rechtsprechung ausnahmsweise die Gleichstellung mit einem Endentscheid (Art. 90 BGG) zur Folge hätte (BGE 134 II 124 E. 1.3 S. 127; zur Publikation vorgesehenes Urteil 1C_66/2010 vom 6. September 2010 E. 1.3; je mit Hinweisen). Es liegt ein selbstständig eröffneter Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 Abs. 1 BGG vor.
Zwischenentscheide im Sinne dieser Bestimmung können selbstständig angefochten werden, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b).
Die selbstständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden bildet aus prozessökonomischen Gründen eine Ausnahme vom Grundsatz, dass sich das Bundesgericht mit jeder Angelegenheit nur einmal befassen soll. Die Ausnahme ist restriktiv zu handhaben, zumal die Parteien keiner Rechte verlustig gehen, wenn sie einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG nicht selbstständig anfechten, können sie ihn doch mit dem Endentscheid anfechten, soweit er sich auf dessen Inhalt auswirkt (Art. 93 Abs. 3 BGG; BGE 135 I 261 E. 1.2 S. 263; 134 III 188 E. 2.2 S. 191; je mit Hinweisen; vgl. indessen auch BGE 136 II 165 E. 1.2 S. 170 f. mit Hinweisen). Es obliegt den Beschwerdeführern detailliert darzutun, dass die Eintretensvoraussetzungen von Art. 93 BGG erfüllt sind, soweit deren Vorliegen nicht offensichtlich ist (vgl. dazu BGE 134 III 426 E. 1.2 S. 429; 133 III 629 E. 2.3.1 und 2.4.2 S. 632 f.; Urteil 4A_48/2010 vom 9. Juli 2010 E. 1.3.2; je mit Hinweisen).
In Bezug auf die Frage der Anfechtbarkeit scheint im Wesentlichen die gleiche Situation vorzuliegen wie im bereits erwähnten Urteil 1C_200/2008 vom 28. November 2008. Es läge deshalb an den Beschwerdeführern aufzuzeigen, weshalb heute im Unterschied zu damals die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG erfüllt sind. Dies tun sie jedoch nicht. Vielmehr führen sie in ihrer Replik vom 2. November 2010 aus, das Baubewilligungsverfahren sei weiterhin hängig und allfällige Nachteile könnten auch noch mit einer bundesgerichtlichen Beurteilung des Endentscheids behoben werden, falls überhaupt jemals eine Baubewilligung der zuständigen Behörde vorliegen sollte.
Auf die Beschwerde ist somit nicht einzutreten. Dies gilt auch insofern, als die Beschwerdeführer den Kostenpunkt anfechten, zumal dieser lediglich einen Teilaspekt des angefochtenen Urteils darstellt (BGE 133 V 645 E. 2.1 S. 647; Urteil 9C_117/2010 vom 23. Juli 2010 E. 2.2; je mit Hinweisen).
1.3 Insoweit, als sich die Beschwerdeführer darauf berufen, dass ihnen - mit einer Ausnahme - der angefochtene Entscheid gar nicht eröffnet worden sei, stellt sich die Frage, ob gemäss Art. 94 BGG auf die Beschwerde einzutreten ist. Nach dieser Bestimmung kann gegen das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern eines anfechtbaren Entscheids Beschwerde geführt werden. Die Frage ist zu verneinen. Wie aus den Verfahrensakten hervorgeht, erhob Herr B.z.________ als Prozessbevollmächtigter Beschwerde an die Vorinstanz. Die Zustellung des Entscheids des Verwaltungsgerichts an ihn gilt deshalb auch für die von ihm vertretenen Personen (vgl. § 9 des Gesetzes des Kantons Thurgau vom 23. Februar 1981 über die Verwaltungsrechtspflege [RB 170.1]). Eine Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung liegt nicht vor.
1.4 Ist auf die Beschwerde nicht einzutreten, so erübrigt sich auch die beantragte Durchführung eines Augenscheins. Ebenso wenig erweist sich eine mündliche Parteiverhandlung gemäss Art. 57 BGG als zweckmässig.
2.
Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Diesem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten den unterliegenden Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die obsiegende Beschwerdegegnerin wird nicht durch einen externen Anwalt, sondern durch ihre eigene Rechtsabteilung vertreten. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 68 Abs. 2 BGG ist ihr deshalb keine Parteientschädigung zuzusprechen (Urteil 1C_200/2008 vom 28. November 2008 E. 2 mit Hinweis).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.
3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Politischen Gemeinde Roggwil, sowie dem Departement für Bau und Umwelt und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 7. Dezember 2010
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Féraud Dold