BGer 6B_226/2010
 
BGer 6B_226/2010 vom 03.06.2010
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
6B_226/2010
Urteil vom 3. Juni 2010
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Favre, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys,
Gerichtsschreiber Stohner.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________, vertreten durch Advokat Peter Jossen-Zinsstag,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________, vertreten durch Advokat Peter Zengaffinen,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Verleumdung (Art. 174 Ziff. 1 StGB),
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Wallis, I. Strafrechtliche Abteilung, vom 26. Januar 2010.
Sachverhalt:
A.
Das Kantonsgericht Wallis sprach X.________ am 26. Januar 2010 zweitinstanzlich der Verleumdung zum Nachteil von A.________ schuldig und verurteilte sie zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen à Fr. 100.--, unter Aufschub des Vollzugs bei einer Probezeit von zwei Jahren. Den Antrag von A.________ um Zusprechung einer Genugtuung wies es ab.
B.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil des Kantonsgerichts Wallis vom 26. Januar 2010 sei aufzuheben, und sie sei freizusprechen. Des Weiteren sei ihr eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen. Ausserdem ersucht sie, ihrer Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.
Erwägungen:
1.
1.1 Die Vorinstanz geht von folgendem Sachverhalt aus: Die Beschwerdegegnerin begab sich ab Juni 2004 wegen Schulterschmerzen mehrmals zur Beschwerdeführerin, einer diplomierten Physiotherapeutin, in Behandlung. Nach Behandlungsabschluss warf die Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin vor, sie habe unberechtigterweise Manipulationen an ihrem Rücken vorgenommen, welche zu Blockierungen der Brust- und ersten Halswirbelsäule geführt hätten. Die Beschwerdegegnerin befand sich deswegen über längere Zeit in ärztlicher Behandlung und war vollständig arbeitsunfähig. Deshalb forderte sie einerseits am 5. Juli 2005 die Beschwerdeführerin auf, ihre Haftpflichtversicherung zu informieren, was diese auch tat. Andererseits meldete sie sich bei der Invalidenversicherung an, welche sich ihrerseits am 6. Dezember 2005 an die Haftpflichtversicherung der Beschwerdeführerin, die B.________ Versicherung, wandte und "Fehlmanipulationen zwischen 1.7.2004 und 31.7.2004" behauptete. Strittig - aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens - ist insbesondere, ob die Beschwerdeführerin eine blosse sanfte Mobilisation ohne Impuls oder eine Manipulation mit Impuls, welche einer ärztlichen Verordnung bedurft hätte, durchgeführt hatte.
Am 3. Mai 2006 kontaktierte die Rechtsvertreterin der Beschwerdegegnerin die Haftpflichtversicherung der Beschwerdeführerin und gab unter Bezugnahme auf die Krankenunterlagen und unter Beilage eines von der Beschwerdeführerin erstellten Behandlungsblattes an, es hätten bei der physiotherapeutischen Behandlung ihrer Mandantin Manipulationen stattgefunden. Mit Schreiben vom 5. Mai 2006 forderte die Versicherung die Beschwerdeführerin auf, zu dieser Aussage Stellung zu nehmen. Die Beschwerdeführerin retournierte das Schreiben vom 5. Mai 2006 per Faxmitteilung vom 9. Mai 2006 mit dem handschriftlichen Vermerk: "Kann man eine Kopie "manipulieren"?? Das muss sie gemacht haben!". Diese Bemerkungen wiederum veranlassten die B.________ Versicherung zum Schreiben vom 8. Juni 2006 an die Rechtsvertreterin der Beschwerdegegnerin mit folgendem Inhalt: "Hiermit teile ich Ihnen in obiger Angelegenheit noch einmal mit, dass unsere Versicherungsnehmerin X.________ Ihre Mandantin nie manipuliert hat. Beim vermeintlichen Hinweis auf die Ihrerseits ins Feld geführte Manipulation, welche angeblich auf dem Behandlungsblatt festgehalten worden ist, handelt es sich offenbar um einen von Ihrer Klientschaft im Nachhinein angebrachten Vermerk, mit dem die Abkürzung "Mobl" (für Mobilisation) durch "Manpl" (für Manipulation) ersetzt worden ist. Mit Fug und Recht sei in diesem Zusammenhang die Frage erlaubt, auf wen der Vorwurf der Manipulation dann wirklich zutreffen sollte; von weiteren Schritten gegen Frau A.________ sehe ich einstweilen ab." Mit Schreiben vom 4. Juli 2006 teilte die Rechtsvertreterin der Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin mit, indem sie ihre Mandantin gegenüber der Versicherungsgesellschaft des Betruges beschuldige, erfülle ihr Verhalten den Tatbestand der üblen Nachrede.
1.2 Am 6. September 2006 reichte die Beschwerdegegnerin Strafanzeige gegen die Beschwerdeführerin wegen übler Nachrede ein. Mit Urteil vom 25. Juni 2009 sprach das Bezirksgericht Leuk und Westlich Raron die Beschwerdeführerin vom Vorwurf der üblen Nachrede frei. Gegen dieses Urteil erhob die Beschwerdegegnerin Berufung an die Vorinstanz. Diese kam nach durchgeführter Beweiswürdigung insbesondere zum Schluss, die Beschwerdeführerin habe das von ihr mit Bleistift abgefasste Behandlungsblatt für die Beschwerdegegnerin kopiert und dieser ausgehändigt. Nachträglich - wohl anfangs des Jahres 2005 - habe die Beschwerdeführerin das Original des Behandlungsblattes abgeändert, indem sie den Vermerk "mobl.Manpl" durch "mobl.Mobl" ersetzt habe. Die Vorinstanz sprach schliesslich, wie dargelegt (Sachverhalt lit. A), in Gutheissung der Berufung der Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführerin der Verleumdung schuldig.
2.
2.1 Der Verleumdung gemäss Art. 174 Ziff. 1 StGB macht sich strafbar, wer jemanden wider besseres Wissen bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, oder wer eine solche Beschuldigung oder Verdächtigung wider besseres Wissen verbreitet. Der Tatbestand der Verleumdung setzt damit die Verletzung der Ehre eines andern durch eine Tatsachenbehauptung oder ein gemischtes Werturteil gegenüber einem Dritten unter Einschluss der Verdächtigung und der Weitergabe einer entsprechenden Aussage voraus, wobei die Unwahrheit der Behauptung Teil des objektiven Tatbestands bildet.
2.2 Die Beschwerdeführerin erachtet den objektiven Tatbestand als nicht erfüllt und macht insbesondere geltend, eine Versicherungsgesellschaft, welche eine vertrauliche Auskunft einfordere und die erhaltenen Informationen vertraulich zu behandeln habe, könne nicht als Drittperson im Sinne von Art. 174 Ziff. 1 StGB gelten. Weiter führt die Beschwerdeführerin aus, ihr könne kein vorsätzliches Handeln angelastet werden, da sie die Beschwerdegegnerin nicht in ihrer Ehre habe verletzen wollen. Schliesslich sei sie mit ihrer Stellungnahme an die B.________ Versicherung einzig der ihr gemäss Versicherungsvertragsgesetz obliegenden Mitwirkungspflicht nachgekommen, weshalb ihr Vorgehen durch Art. 32 StGB (recte: Art. 14 StGB) gerechtfertigt sei (vgl. Beschwerde S. 11 ff.).
2.3
2.3.1 Entgegen der in der Beschwerde (S. 12) vertretenen Auffassung ist nicht zu prüfen, ob die Abkürzungen "Mobl" und "Manpl" als solche ehrverletzend sind, sondern, ob sich die Beschwerdeführerin durch den von ihr auf dem an die Versicherungsgesellschaft gerichteten Faxschreiben angebrachten handschriftlichen Vermerk "Kann man eine Kopie "manipulieren"?? Das muss sie gemacht haben!" der Verleumdung schuldig gemacht hat.
Bei der Beurteilung, ob einer Äusserung ein ehrverletzender Charakter zukommt, ist vom Sinn auszugehen, den diese für eine unbefangene Drittperson unter den gegebenen Umständen hat. Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere auch der Gesamtzusammenhang, in dem eine Äusserung erfolgt.
Vorliegend ergibt sich aus dem Gesamtkontext, dass mit dem Begriff "Kopie" das von der Beschwerdeführerin erstellte Patienten- bzw. Behandlungsblatt gemeint ist. Die Äusserung "Das muss sie gemacht haben!" beinhaltet mehr als eine blosse Frage und ist aus Sicht einer unbefangenen Drittperson so zu verstehen, dass die Beschwerdeführerin die Beschwerdegegnerin verdächtigt, das Behandlungsblatt abgeändert zu haben, um sich dadurch unrechtmässige Versicherungsleistungen zu verschaffen. Das Behandlungsblatt enthält als Schriftstück Erklärungen der Medizinalfachperson über den Befund und die durchgeführte Behandlung. Es ist zum Beweis geeignet und bestimmt. Ihm kommt - auch in Kopieform (vgl. BGE 120 IV 179 E. 1c/aa) - Urkundenqualität zu, was im Übrigen von der Beschwerdeführerin auch nicht in Frage gestellt wird. Die Beschwerdeführerin lastet der Beschwerdegegnerin somit mit anderen Worten eine Urkundenfälschung (im engeren Sinn) an. Der Vorwurf strafbaren Verhaltens ist als ehrverletzend einzustufen (vgl. BGE 132 IV 112 E. 2).
2.3.2 Die Äusserung muss gegenüber einem "andern", das heisst, gegenüber einer Drittperson erfolgen, wobei es genügt, wenn es sich um eine einzige Person handelt. Grundsätzlich ist jede Person Dritte, die nicht mit dem Täter oder dem Verletzten identisch ist. In der Lehre spricht sich der überwiegende Teil der Autoren allerdings für eine Einschränkung dieses Kreises aus. Ehrverletzende Äusserungen im engsten Familienkreis und gegenüber gemäss Art. 321 StGB zur Geheimhaltung verpflichteten Personen sollen unter Umständen straflos sein (vgl. zum Ganzen Urteil des Bundesgerichts 6S.3/2007 vom 13. Februar 2007 E. 4.3 mit Hinweisen).
Vorliegend handelt es sich nicht um eine solche Ausnahmekonstellation. Im Verhältnis zwischen den Prozessparteien stellt die Haftpflichtversicherung eine Drittperson im Sinne von Art. 174 Ziff. 1 StGB dar, und die Vertragsbeziehung zwischen der Versicherungsgesellschaft und der Versicherungsnehmerin ist bezüglich der Vertraulichkeit des Verhältnisses nicht mit den in der Lehre erwähnten Fällen vergleichbar.
2.3.3 Zu bejahen ist auch der subjektive Tatbestand von Art. 174 Ziff. 1 StGB. Die Vorinstanz stellt willkürfrei fest, die Beschwerdeführerin habe die ursprüngliche Version des Behandlungsblatts wissentlich und willentlich selbst nachträglich abgeändert (angefochtenes Urteil S. 11). Der von ihr der Versicherungsgesellschaft gegenüber geäusserte Verdacht, die Beschwerdegegnerin habe das Behandlungsblatt manipuliert, erfolgte damit wider besseres Wissen, weshalb der direkte Vorsatz in Bezug auf die Unwahrheit der Äusserung gegeben ist.
2.3.4 Schliesslich kann sich die Beschwerdeführerin auch nicht mit Erfolg auf den Rechtfertigungsgrund von Art. 14 StGB berufen, wonach sich rechtmässig verhält, wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt. Die sie (allenfalls) treffende Mitwirkungspflicht als Versicherungsnehmerin berechtigte sie entgegen ihrer Argumentation nicht dazu, ihre ehemalige Patientin wider besseres Wissen der Urkundenfälschung zu verdächtigen.
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Mit dem Entscheid in der Sache wird ihr Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht des Kantons Wallis, I. Strafrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 3. Juni 2010
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Favre Stohner