BGer 4A_587/2009
 
BGer 4A_587/2009 vom 15.01.2010
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
4A_587/2009
Urteil vom 15. Januar 2010
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Corboz,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Gerichtsschreiber Luczak.
Parteien
A.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Ueli Landtwing,
gegen
B.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Peter G. Studer.
Gegenstand
Hinterlegung von Lagergut,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Zug, Zivilrechtliche Abteilung,
vom 27. Oktober 2009.
Sachverhalt:
A.
A.________ (Beschwerdeführerin) lagerte ab Mitte 2004 ihren Hausrat bei B.________ (Beschwerdegegner) ein, der ein Transport- und Lagerunternehmen betreibt. Ab April 2005 blieb sie die Lagergebühr, die ab Oktober 2004 Fr. 350.-- pro Monat zuzüglich Mehrwertsteuer betrug, schuldig. Der Beschwerdegegner löste hierauf das Vertragsverhältnis auf, nach Behauptung der Beschwerdeführerin per 31. Januar 2006, und machte an den eingelagerten Gegenständen ein Retentionsrecht geltend. Am 24. Oktober 2007 betrieb er die Beschwerdeführerin auf Pfandverwertung im Betrage von Fr. 12'333.35 und Fr. 1'452.60 nebst Zins. Die Beschwerdeführerin erhob Rechtsvorschlag.
B.
Am 26. März 2006 reichte der Beschwerdegegner dem Kantonsgericht Zug eine Klage ein mit dem Begehren, die Beschwerdeführerin zur Zahlung von Fr. 18'019.30 zu verpflichten und den Rechtsvorschlag zu beseitigen. Die Beschwerdeführerin beantragte die Abweisung der Klage und verlangte widerklageweise die Herausgabe des eingelagerten Hausrats. Das Kantonsgericht schützte die Klage am 11. Mai 2009 im Umfang von Fr. 15'383.80 zuzüglich Betreibungskosten und gestattete die Fortsetzung der Betreibung für den Betrag von Fr. 12'333.35. Die Widerklage wies es ab. Die gegen dieses Urteil erhobene kantonale Berufung der Beschwerdeführerin wies das Obergericht des Kantons Zug am 27. Oktober 2009 unter Bestätigung des angefochtenen Urteils ab, soweit es auf sie eintrat.
C.
Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in Zivilsachen die Abweisung der Klage, eventuell die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung, und sie stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege einschliesslich unentgeltlicher Rechtsverbeiständung. Vernehmlassungen wurden nicht eingeholt.
Erwägungen:
1.
In vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist die Beschwerde in Zivilsachen grundsätzlich nur gegeben, wenn der Streitwert mindestens Fr. 30'000.-- beträgt (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Erreicht der Streitwert den massgebenden Betrag nicht, ist sie dennoch zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG). Dieser Begriff ist restriktiv auszulegen. Soweit es bei der aufgeworfenen Frage lediglich um die Anwendung von Grundsätzen der Rechtsprechung auf einen konkreten Fall geht, handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (BGE 134 III 115 E. 1.2 S. 117; 133 III 493 E. 1.1 und 1.2 S. 495 f.). Die Voraussetzung von Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG ist hingegen erfüllt, wenn ein allgemeines Interesse besteht, dass eine umstrittene Frage höchstrichterlich geklärt wird, um eine einheitliche Anwendung und Auslegung des Bundesrechts herbeizuführen und damit Rechtssicherheit herzustellen (BGE 133 III 645 E. 2.4 S. 648 f.). Eine neue Rechtsfrage kann vom Bundesgericht sodann beurteilt werden, wenn dessen Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann, namentlich wenn von unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden (vgl. Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4309 Ziff. 4.1.3.1 zu Art. 70 E-BGG). Auch eine vom Bundesgericht bereits entschiedene Rechtsfrage kann unter der Voraussetzung von grundsätzlicher Bedeutung sein, dass sich die erneute Überprüfung aufdrängt. Dies kann zutreffen, wenn die Rechtsprechung nicht einheitlich oder in der massgebenden Lehre auf erhebliche Kritik gestossen ist (BGE 134 III 354 E. 1.5 S. 357 f.) oder wenn in der Zwischenzeit neue Gesetzesbestimmungen in Kraft getreten sind (BGE 134 III 115 E. 1.2 S. 117). Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, ist in der Beschwerdeschrift auszuführen, warum diese Voraussetzung erfüllt ist (Art. 42 Abs. 2 BGG; vgl. zum Ganzen BGE 135 III 1 E. 1.3 S. 4 f.).
1.1 Wie die Beschwerdeführerin zutreffend erkennt, erreicht der Streitwert die für die Zulässigkeit der Beschwerde in Zivilsachen nach Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG erforderliche Höhe von Fr. 30'000.-- nicht. Sie beruft sich jedoch auf ihr Recht, dem Bundesgericht mit ihrer Beschwerde in Zivilsachen eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorzulegen.
1.2 Im kantonalen Verfahren hatte die Beschwerdeführerin die Auffassung vertreten, dass dem Beschwerdegegner nach Beendigung des Vertragsverhältnisses weder ein Retentionsrecht noch ein Anspruch auf Lagergebühren zustehe. Dem hielt die Vorinstanz - insoweit unangefochten - entgegen, das Retentionsrecht, das sich nicht nur auf vertragliche, sondern auch auf Schadenersatzforderungen und Betreibungskosten erstrecke, hänge einzig vom Besitz des Lagergutes ab, den nach wie vor der Beschwerdegegner innehabe. Was den Anspruch auf Lagergebühren nach Vertragsauflösung anbelangt, erwog die Vorinstanz in Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen Gericht, nach Auflösung des Vertrages wandle sich der vertragliche in einen Schadenersatzanspruch. Weil das Lagergut im Zeitraum, für den der Beschwerdegegner Rechnung stelle, bei ihm eingelagert gewesen sei, stehe ihm bis zur Beendigung des Vertrages die vereinbarte Lagergebühr zu und hernach ein Anspruch auf Schadenersatz in gleicher Höhe. Im Ausmass blieb die Forderung über Fr. 1'129.80 für die Periode März 2008 bis und mit Juni 2008 nach Feststellung der Vorinstanz gänzlich unbestritten, während jene über Fr. 14'254.-- für die Zeitspanne April 2005 bis und mit März 2008 gemäss Rechnungszusammenstellung des Beschwerdegegners vom 29. Februar 2008 lediglich hinsichtlich der Verzugszinsberechnung beanstandet wurde, nach Auffassung der Vorinstanz jedoch nicht hinreichend substanziiert.
1.3 Die Beschwerdeführerin macht geltend, ob nach Auflösung des Vertrages bei bestehendem Retentionsrecht des Lagerhalters ein Schadenersatzanspruch in gleicher Höhe bestehe, sei eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Inwiefern dies der Fall sein soll, geht aus ihren Vorbringen indessen nicht klar hervor.
1.3.1 Soweit sie anführt, der Beschwerdegegner hätte zur Erfüllung seiner Schadenminderungspflicht die Verwertung rascher vorantreiben müssen, und er hätte nach Geltendmachung des Retentionsrechts nicht derart lange zuwarten dürfen, behauptet sie in Tat und Wahrheit einzig (und erstmals), dass der Beschwerdegegner seiner Schadenminderungspflicht nicht hinreichend nachgekommen sei. Ob ein Gläubiger seiner Schadenminderungsobliegenheit genügt, ist indessen kasuistisch zu beurteilen, wobei die Interessen und das Verhalten beider Parteien zu berücksichtigen sind. Je nach Sachlage kann es dem Interesse des Schuldners dienen, wenn der Gläubiger mit der Verwertung zuwartet, weil die hinterlegten Gegenstände für den Schuldner von hohem Wert sind und er begründete Hoffnung hat, die geschuldete Summe in vernünftiger Frist erhältlich machen zu können. Zögert der Gläubiger die Verwertung jedoch grundlos hinaus, steht dem Schuldner frei, dem Gläubiger eine Verletzung der Schadenminderungspflicht vorzuwerfen und die Gründe dafür dazulegen. Von einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung kann insoweit nicht die Rede sein, zumal der Grundsatz der Schadenminderungspflicht, für deren Verletzung der Schuldner die Behauptungs- und Beweislast trägt (Urteil des Bundesgerichts 4C.137/2006 vom 17. Januar 2008 E. 3.3 mit Hinweis), unumstritten feststeht.
1.3.2 Soweit die Beschwerdeführerin anführt, die Lagergebühr übersteige den nach Vertragsende erlittenen Schaden des Lagerhalters, da darin ein Gewinnanteil enthalten sei, beruft sie sich auf einen Umstand, der eine Überentschädigung hätte bewirken können. Dass sie entsprechende Tatsachen, die für eine Überentschädigung sprechen, im kantonalen Verfahren vorgetragen hätte, geht aus dem angefochtenen Urteil nicht hervor. Danach hat sie lediglich den Schadenersatzanspruch des Beschwerdegegners als solchen, nicht aber dessen Quantitativ (mit Ausnahme der Zinsberechnung) bestritten. Insoweit erhebt die Beschwerdeführerin keine Sachverhaltsrüge. Bereits das Kantonsgericht hatte aber dem Beschwerdegegner mit derselben Begründung wie die Vorinstanz Schadenersatz im betreffenden Umfang zugesprochen. Um vor Bundesgericht gehört zu werden, hätte die Beschwerdeführerin bereits im kantonalen Verfahren entsprechende Tatsachen behaupten müssen und gestützt darauf einwenden können, die geforderte Lagergebühr übersteige den tatsächlich entstandenen Schaden. Art. 99 Abs. 1 BGG verbietet zwar nicht, vor Bundesgericht eine neue rechtliche Argumentation vorzubringen. Voraussetzung ist aber, dass dieser die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Urteil zugrunde gelegt werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254; 130 III 28 E. 4.4 S. 34; je mit Hinweisen). Das Bundesgericht könnte daher die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage, selbst wenn die Beschwerde in Zivilsachen gegeben wäre, nicht prüfen.
2.
Die Beschwerde in Zivilsachen steht mithin nicht zur Verfügung, da die Streitwertgrenze (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG) nicht erreicht wird und keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG) zu beantworten ist. Auf die Beschwerde kann daher nicht eingetreten werden, was die Beschwerdeführerin bereits bei Einleitung des bundesgerichtlichen Verfahrens hätte erkennen müssen. Das von der Beschwerdeführerin ergriffene Rechtsmittel hatte keinerlei Erfolgsaussichten, weshalb die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege nicht in Frage kommt (Art. 64 Abs. 1 BGG; BGE 133 III 614 E. 5 S. 616; 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 f.). Die Beschwerdeführerin wird somit für das bundesgerichtliche Verfahren kostenpflichtig. Bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr kann jedoch auf ihre offensichtlich misslichen finanziellen Verhältnisse Rücksicht genommen werden (Art. 65 Abs. 2 BGG). Da die Gegenpartei nicht zur Vernehmlassung aufgefordert wurde, schuldet die Beschwerdeführerin keine Parteientschädigung.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, Zivilrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 15. Januar 2010
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:
Klett Luczak