BGer 9C_158/2008
 
BGer 9C_158/2008 vom 30.09.2008
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
9C_158/2008
Urteil vom 30. September 2008
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiberin Helfenstein Franke.
Parteien
A.________,
B.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Ausgleichskasse Promea, Ifangstrasse 8, 8952 Schlieren, Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 23. Januar 2008.
Sachverhalt:
A.
Die Firma X.________ war der Ausgleichskasse Promea als beitragspflichtige Arbeitgeberin angeschlossen. Am ..... 2003 gewährte der Richter der Gesellschaft eine provisorische Nachlassstundung für zwei Monate und setzte die Firma Y.________ als provisorische Sachwalterin ein. Nachdem die Sachwalterin am 23. Mai 2003 Bericht erstattet hatte, wurde die Gesellschaft mit Beschluss der Generalversammlung vom 18. Juni 2003 aufgelöst. Mit Verfügung vom ..... 2003 wurde der Firma X.________ in Liquidation erneut eine provisorische Nachlassstundung für zwei Monate gewährt. Als provisorische Sachwalterin wurde diesmal die Firma Z.________ eingesetzt, welche am 25. August 2003 Bericht erstattete. Am ..... 2003 wurde über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet. Die Ausgleichskasse gab am 19. September 2003 im Konkurs eine Forderung von Fr. 104'459.45 ein.
Mit Verfügung vom 22. März 2004 verpflichtete die Ausgleichskasse die ehemaligen Verwaltungsratsmitglieder der Firma X.________, A.________ und B.________, ebenso wie C.________ als ehemaligen Verwaltungsratspräsidenten und Liquidator der Gesellschaft zur Bezahlung von Schadenersatz für in den Jahren 2003 bis 2004 entgangene bundes- und kantonalrechtliche Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von Fr. 50'696.30 (einschliesslich Verwaltungs- und Betreibungskosten, Mahngebühren und Verzugszinsen). Während A.________ darauf mit Einsprache vom 23. März 2004 (recte: 23. April 2004; Eingang Ausgleichskasse 26. April 2004) reagierte, erhob B.________ erst am 5. Juni 2004 Einsprache, nachdem er von der Ausgleichskasse mit Schreiben vom 13. Mai 2004 zur Zahlung des verfügten Betrages aufgefordert worden war.
Am 7. Juni 2004 erliess die Ausgleichskasse eine zweite Schadenersatzverfügung an die gleichen Adressaten über Fr. 53'763.10, insgesamt Fr. 104'459.45. Hiegegen erhoben A.________ und B.________ am 7. Juli 2004 Einsprache. Mit Einspracheentscheid vom 15. Oktober 2004 hielt die Ausgleichskasse an ihrer Schadenersatzforderung gegenüber A.________ fest. Mit Einspracheentscheid vom 6. Dezember 2004 hiess die Ausgleichskasse die Einsprache des B.________ vom 7. Juli 2004 gegen die Verfügung vom 7. Juni 2004 teilweise gut und reduzierte den geforderten Schadensbetrag auf Fr. 53'383.15. Sie stellte zudem fest, es gehe nur um die Frage, ob er den Differenzbetrag von Fr. 53'383.15 schulde, weil er die Forderung über Fr. 50'696.30 bereits anerkannt habe.
Mit Einspracheentscheid vom 14. Oktober und 6. Dezember 2004 hielt die Ausgleichskasse an ihren Schadenersatzforderungen gegenüber A.________ und B.________ fest.
B.
A.________ und B.________ erhoben je Beschwerde am Verwaltungsgericht des Kantons Bern. Mit Verfügung vom 22. Dezember 2004 wurde der Antrag der Ausgleichskasse auf Vereinigung der beiden Beschwerdeverfahren mit demjenigen in Sachen C.________ abgewiesen. Zudem wurde am 30. Mai 2006 das Verfahren bis zum Abschluss eines von C.________ gegen A.________ eingeleiteten Strafverfahrens sistiert und am 1. März 2007 die Sistierung wieder aufgehoben. Nachdem das Gericht schliesslich bei der Ausgleichskasse eine Auskunft betreffend eine im Kontokorrent-Auszug ersichtliche Ausgleichsbuchung eingeholt hatte, vereinigte es mit Entscheid vom 23. Januar 2008 die Verfahren in Sachen A.________ und B.________ und wies die beiden Beschwerden ab.
C.
A.________ und B.________ führen je Beschwerde und beantragen die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides.
Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der Beschwerden, während das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzung gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG).
2.
Die Beschwerde hat unter anderem die Begehren und deren Begründung zu enthalten, wobei in der Begründung in gedrängter Form darzulegen ist, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Zwar hat der Beschwerdeführer 2 als Beschwerde lediglich eine Kopie der Beschwerdeschrift des Beschwerdeführers 1 eingereicht und dazu ausgeführt, er unterstütze diese Ausführungen voll und ganz und diese würden inhaltlich auch für seine Person gelten. Dennoch vermag dies den gesetzlichen Anforderungen zu genügen, beziehen sich doch die Ausführungen in der (kopierten) Beschwerdeschrift auch auf den Beschwerdeführer 2, weshalb auf die Beschwerden beider Rechtsuchenden einzutreten ist.
3.
Sodann ist in prozessualer Hinsicht die Frage der Beiladung allfälliger Mitinteressierter zu prüfen.
3.1 Mit der Beiladung werden Dritte, deren Interessen durch eine Entscheidung berührt sind, in ein Verfahren einbezogen und daran beteiligt. Der Einbezug Beteiligter in den Schriftenwechsel hat den Sinn, die Rechtskraft des Urteils auf den Beigeladenen auszudehnen, so dass dieser in einem später gegen ihn gerichteten Prozess dieses Urteil gegen sich gelten lassen muss. Das Interesse an einer Beiladung ist rechtlicher Natur. Es muss eine Rückwirkung auf eine Rechtsbeziehung zwischen der Hauptpartei und dem Mitinteressierten in Aussicht stehen (Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Auflage, S. 183 f.; Kölz/Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Auflage, S. 191 N 528; BGE 125 V 80 E. 8b S. 9 f.; vgl. auch BGE 118 Ib 56 E. 1c S. 360; Urteil H 68/01 vom 23. April 2002). Die Beiladung ermöglicht es, dem Recht auf vorgängige Anhörung Rechnung zu tragen, bevor ein nachteiliger Entscheid ergeht; damit ist die Beiladung auch Ausfluss des rechtlichen Gehörs (Kölz/Häner, a.a.O., S. 191 f. N 528 f.).
Nach der Rechtsprechung (Urteil H 68/01 vom 23. April 2002, E. 2b, Urteil H 365/01 vom 15. April 2002, E. 3b, Urteil H 134/00 vom 3. November 2000, E. 3d, Urteil H 256/97 vom 30. September 1998, E. 4b) ist das Sozialversicherungsgericht gehalten, andere von der Ausgleichskasse belangte Solidarschuldner beizuladen, und zwar sowohl wenn gegen diese das Verfahren noch hängig ist, als auch wenn deren Haftung bereits rechtskräftig feststeht. Praxisgemäss nicht beizuladen sind demgegenüber Dritte, die auch als Mithaftende in Frage kommen könnten, von der Ausgleichskasse aber nicht belangt worden sind (Urteil H 327/98 vom 30. Juni 2000, E. 3b; ebenso in anderem Zusammenhang auch RKUV 2003 Nr. U 485 S. 257 E. 3, U 307/01). In SZS 2007 S. 152, H 72/06, hat das Bundesgericht entschieden, dass an dieser Praxis festzuhalten ist (Beschluss des Gesamtgerichts des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 22. August 2006).
3.2 Die Ausgleichskasse ist nicht nur gegen A.________ und B.________ vorgegangen, sondern hat auch gegenüber dem ehemaligen Verwaltungsratspräsidenten und Liquidator der Gesellschaft, C.________, eine Schadenersatzverfügung erlassen. Diese hat C.________ angefochten, hat doch die Vorinstanz einen Antrag der Ausgleichskasse auf Vereinigung der Beschwerdeverfahren in Sachen A.________ und B.________ mit demjenigen in Sachen C.________ - aus gerichtsorganisatorischen Gründen - abgelehnt.
Nach der dargelegten Rechtsprechung (E. 3.1 hievor) hätte das kantonale Gericht C.________ zum Verfahren beiladen müssen. Zwar rechtfertigt eine solche Unterlassung nicht in jedem Fall eine Rückweisung an die Vorinstanz. Rechtsprechungsgemäss kann von einer Rückweisung der Streitsache an die Vorinstanz zur Gewährung des rechtlichen Gehörs nach dem Grundsatz der Verfahrensökonomie abgesehen werden, wenn dieses Vorgehen zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen würde, die mit dem (gleichlaufenden und der Anhörung gleichgestellten) Interesse an einer möglichst beförderlichen Beurteilung nicht zu vereinbaren sind (BGE 116 V 182 E. 3d S. 186). So verhält es sich hier jedoch nicht: Die erforderliche Stellungnahme kann noch eingeholt werden und anders als im erwähnten Urteil H 72/06 vermögen die allfälligen darin vorgebrachten Aspekte durchaus die Rechtsstellung der einzelnen in Pflicht genommenen ehemaligen Organe der Gesellschaft noch zu beeinflussen (vgl. BGE 134 V 306 E. 3.2.1 S. 310) und können damit den Beschwerdeführern zweckdienlich sein. Die Sache ist deshalb an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese die Beiladung anordne.
4.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Ausgleichskasse die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer haben keinen Anspruch auf Parteientschädigung.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 23. Januar 2008 wird aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 30. September 2008
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Meyer Helfenstein Franke