BGer 6B_660/2007
 
BGer 6B_660/2007 vom 08.01.2008
Tribunale federale
{T 0/2}
6B_660/2007
Urteil vom 8. Januar 2008
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Favre,
Gerichtsschreiber Briw.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Daniel Albietz,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft, Bahnhofplatz 3a, 4410 Liestal,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz; Strafzumessung,
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, vom 14. August 2007.
Sachverhalt:
A.
X.________ führte gegen Entgelt zwei Drogentransporte in die Schweiz durch, und zwar am 5. Juni 2006 (ca. 1 kg) und am 2. Juli 2006 (4,988 kg), insgesamt rund 6 kg Heroingemisch mit einem Reinheitsgrad von jeweils mindestens 22 %.
B.
Das Strafgericht Basel-Landschaft verurteilte ihn deshalb am 21. Februar 2007 wegen mehrfacher qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu 5 Jahren Freiheitsstrafe (Art. 19 Ziff. 1 Abs. 2 und Ziff. 2 lit. a und b BetmG sowie Art. 26 BetmG; Art. 40, 49 Abs. 1 und 51 StGB).
Das Kantonsgericht Basel-Landschaft fand ihn am 14. August 2007 wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig und bestrafte ihn mit einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren (Art. 19 Ziff. 1 Abs. 2 und Ziff. 2 lit. a und b BetmG sowie Art. 26 BetmG; Art. 40 und 51 StGB).
C.
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen mit den Rechtsbegehren:
1.
a) Es sei das Urteil des Kantonsgericht Basel-Landschaft vom 14. August 2007 in Bezug auf die redaktionelle Neufassung von Ziffer 1 des Urteils des Strafgerichts Basel-Landschaft ("qualifizierte Widerhandlung" statt "mehrfache Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz"), in Bezug auf das Strafmass und auf die dem Beschwerdeführer auferlegten Verfahrenskosten (Gerichtsgebühr und Auslagen) aufzuheben.
b) Es sei der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von 2 Jahren, zu verurteilen.
c) Es sei festzustellen, dass der Beschwerdeführer für das vorangegangene Verfahren vor Kantonsgericht weder Gerichtsgebühr noch Auslagen schuldet.
2. Eventualiter sei das angefochtene Urteil gänzlich aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
3.
a) Es sei dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu bewilligen.
b) Es seien für das Verfahren vor Bundesgericht keine Kosten zu erheben.
c) Es sei der unterzeichnende Anwalt als unentgeltlicher Rechtsvertreter einzusetzen und ihm eine angemessene Entschädigung aus der Bundesgerichtskasse auszurichten.
Erwägungen:
1.
Lediglich summarisch (Art. 109 Abs. 3 BGG) einzugehen ist auf die Vorbringen des Beschwerdeführers, seine Aussage, nur zwei Transporte ausgeführt zu haben und kein Bandenmitglied zu sein, sei mit dem Beweisergebnis ohne Weiteres vereinbar, wenn man die Fakten in dubio pro reo würdige. Die Vorinstanz verletze den Grundsatz in dubio pro reo und das Willkürverbot sowie sein Gehörsrecht (zusammenfassend Beschwerde S. 13). Es ist indessen entgegen der Beschwerde nicht einfach auf die günstigste Tatversion abzustellen (Beschwerde S. 12 unten), wie sie der Beschwerdeführer vorträgt (etwa dass nur möglicherweise geplant gewesen sei, ihn in Zukunft für Transporte weiter einzusetzen; oder dass viel eher davon auszugehen sei, dass er tatsächlich vorhatte, mit den Kindern noch die Tante in der Schweiz zu besuchen; Beschwerde S. 9 und 10), sondern auf den Sachverhalt, wie er sich aufgrund des Beweisergebnisses darstellt. Weiter räumt der Beschwerdeführer zwar ein, dass eine Vertrauensstellung vorhanden gewesen sein möge (Beschwerde S. 12). Soweit er aber einwendet, dies sei noch kein Beweis für die Integration in der Gruppe, ist festzustellen, dass dies jedenfalls ein wesentliches Indiz ist. Von einer willkürlichen, d.h. schlechthin unhaltbaren Würdigung kann nicht die Rede sein. Wie sich nachfolgend ergibt, sind die Vorbringen hinsichtlich der Bandenmässigkeit für das Strafmass auch nicht entscheidend (Art. 97 Abs. 1 BGG).
Hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung des Anklageprinzips (Beschwerde S. 15) fehlt eine Begründung gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG, da keine verletzte Norm des Prozessrechts bezeichnet wird (vgl. 133 III 638 E. 2). Betreffend das Computergutachten weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass er sich dazu vor der Vorinstanz geäussert hat (Beschwerde S. 7); er legt aber nicht dar, dass das Prozessrecht das nach seiner Darstellung neue Beweismittel nicht zugelassen hätte. Appellatorisch erscheinen die Vorbringen zur Demontage der Türverkleidung und zu den im Fahrzeug aufgefundenen Mottenkugeln, die nach Darstellung des Beschwerdeführers der "notwendigen Neutralisierung ausgelaufenen Diesels" (Beschwerde S. 11) gedient haben sollen. Darauf ist nicht einzutreten.
2.
Der Beschwerdeführer bringt vor, der Wegfall der Bandenmässigkeit müsste zu einer erheblichen Minderung der Strafe führen. Weiter habe die Vorinstanz die Tat- und Täterkomponenten unzutreffend gewürdigt. Schliesslich wirke die Strafe gegenüber verschiedenen Referenzurteilen als überaus hoch und stehe in keinem vernünftigen Verhältnis zur Strafpraxis.
2.1 Die Vorinstanz hält bei der Strafzumessung fest, der vom Beschwerdeführer verschuldete Erfolg sei beträchtlich. Er habe innert eines Monats eine grosse Menge, nämlich 1,317 kg reines Heroin transportiert und in die Schweiz eingeführt. Straferhöhend wirke, dass er planmässig als gut integriertes Mitglied einer internationalen Drogenhändlerbande gehandelt habe. Er sei keine Randfigur in dieser Bande gewesen, sondern habe eine Vertrauensstellung innegehabt. Er habe seine Stellung als Familienvater missbraucht, indem er seine beiden minderjährigen Kinder zur Tarnung für die Einreise in die Schweiz mitgenommen habe. Dies wiege besonders schwer, weil er sich in unverantwortlicher Weise nach einer langen Autofahrt aus dem Kosovo ohne notwendige Ruhezeit auf eine erneute Autofahrt mit seinen Kindern begeben und erst noch in Kauf genommen habe, dass diese in eine Strafuntersuchung einbezogen würden. Straferhöhend sei ferner, dass er selber keine Betäubungsmittel konsumiere und folglich nur aus finanziellen Gründen delinquiert habe. Der von ihm angestrebte Nebenverdienst von monatlich 6'000 EURO abzüglich Spesen für zwei Autofahrten in den Kosovo zeuge von einer erheblichen kriminellen Energie. Es sei keine finanzielle Notlage gegeben. Die Vorstrafe aus dem Jahre 1997 sei nicht einschlägig und falle bloss leicht straferhöhend ins Gewicht. Das widersprüchliche und den jeweiligen Ermittlungsergebnissen angepasste Aussageverhalten werde neutral bewertet. Dem erst im Appellationsverfahren abgelegten Geständnis könne keine strafmindernde Wirkung zukommen. Die erstinstanzlich verhängte fünfjährige Freiheitsstrafe sei dem schwerwiegenden Verschulden angemessen (angefochtenes Urteil S. 15 ff.).
2.2 Gemäss Art. 47 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters (Abs. 1). Das Verschulden wird nach der Schwere der Verletzung oder Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung oder Verletzung zu vermeiden (Abs. 2).
Wie im früheren Recht ist das Verschulden massgebendes Kriterium (BGE 129 IV 6 E. 6.1). Art. 47 StGB übernimmt im Wesentlichen die Rechtsprechung des bisherigen Rechts (Urteil 6B_237/2007 vom 5. Oktober 2007, E. 2.2).
2.3 Wie erwähnt, wendet sich der Beschwerdeführer vor allem gegen die Annahme einer bandenmässigen Begehung im Sinne von Art. 19 Ziff. 2 lit. b BetmG und deren Würdigung bei der Strafzumessung.
Die Aufzählung der schweren Fälle in Art. 19 Ziff. 2 BetmG ist nicht abschliessend, sondern nur beispielhaft, wie sich aus dem Begriff "insbesondere" ergibt (BGE 114 IV 164 E. 2b; 125 IV 90 E. 3f S. 103). Der schwere Fall kann aufgrund der Menge (lit. a), der Bandenmässigkeit (lit. b), der Gewerbsmässigkeit (lit. c) oder eines anderen qualifizierenden Umstands gegeben sein. Ist ein Qualifikationsgrund gegeben, liegt ein schwerer Fall vor und kommt der dafür vorgesehene verschärfte Strafrahmen zur Anwendung. Der Strafrahmen kann nicht noch weiter verschärft werden. Ob weitere Qualifikationsgründe erfüllt sind, ist insoweit belanglos. Die Annahme eines weiteren Qualifikationsgrundes kann sich nur innerhalb des verschärften Strafrahmens gemäss Art. 47 StGB straferhöhend auswirken (BGE 120 IV 330 E. 1c/aa). Ist wie vorliegend der mengenmässig schwere Fall gemäss Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG gegeben, ist bei der Strafzumessung vom verschärften Strafrahmen auszugehen, unabhängig davon, ob zusätzlich Bandenmässigkeit nach lit. b anzunehmen ist. Die Bandenmässigkeit kann nur zu einer Straferhöhung innerhalb des verschärften Strafrahmens führen. Straferhöhend sind auch Umstände zu berücksichtigen, die zwar nicht zur Annahme der Bandenmässigkeit führen, aber doch Elemente einer solchen aufweisen (BGE 120 IV 330 E. 1c/bb; 122 IV 265 E. 2c), genau wie der Grenzbereich zwischen Privilegierung und Qualifizierung berücksichtigt werden kann (BGE 121 IV 49 E. 1b S. 55).
Selbst wenn von der wenig plausiblen Version des Tatgeschehens ausgegangen würde, wie sie in der Beschwerde dargelegt wird, fiele somit straferhöhend ins Gewicht, dass er zweifach und in grossen Mengen mit Heroin gehandelt hatte, wobei er mit einer internationalen Drogenhändlerbande in Verbindung war und zwischen ihm und einem der Hauptführer der Bande (A.________) eine Vertrauensstellung bestand. Der Beschwerdeführer war demnach keine Randfigur. Nicht entscheidend ist die finanzielle Situation. Soweit ihm nicht vorzuwerfen wäre, dass er die Kinder einzig zur Tarnung mitgenommen hatte, nahm er jedenfalls in Kauf, diese in den Drogentransport und auch in ein allfälliges Strafuntersuchungsverfahren hineinzuziehen. Straferhöhend durfte auch das rein finanzielle Interesse gewichtet werden. Fraglich ist allerdings der Hinweis der Vorinstanz, dass der angestrebte Nebenverdienst von einer "erheblichen kriminellen Energie" zeuge. Diese wohl kaum zutreffende Bewertung vermag indessen an dem von der Vorinstanz aufgezeigten Verschulden nichts Wesentliches zu ändern.
2.4 Mit seinen Ausführungen zur Tat- und Täterkomponente vermag der Beschwerdeführer ebenfalls nicht durchzudringen. Das Strafmass verletzt auch angesichts der gegenüber der Erstinstanz als geringer angenommen Drogenmenge kein Bundesrecht, da immer noch von einer ganz erheblichen Menge auszugehen ist (oben Bst. A). Unbehelflich ist der Einwand, er habe keine Entscheidungskompetenz gehabt, sondern auf strikte Anweisungen von A.________ gehandelt. Sein "Wert" sei die verwandschaftliche Nähe gewesen, für die er allerdings nichts könne (Beschwerde S. 17). Inwiefern die Vorinstanz generalpräventive Gründe straferhöhend berücksichtigt haben soll, legt der Beschwerdeführer nicht dar und ist nicht ersichtlich. Zutreffend ist, dass eine untergeordnete Stellung innerhalb einer Organisation und die Tatsache, dass ein Täter bloss Transporteur ist, auf ein grundsätzlich geringeres Verschulden hinweisen (BGE 121 IV 202 E. 2d/cc). Vorliegend lässt es aber die Vertrauensstellung zu A.________ nicht zu, von einer lediglich untergeordneten Funktion zu sprechen, und die Funktion des Transporteurs bekommt in diesem Zusammenhang eine anderes Gewicht.
Im Weiteren rügt der Beschwerdeführer verschiedene Punkte bei den von der Vorinstanz dargelegten Täterkomponenten. Die Rügen vermögen nicht durchzudringen. Die Vorinstanz durfte, ohne Bundesrecht zu verletzen, das Verhalten des Beschwerdeführers gegenüber seinen Kindern anlässlich des Transportes der Drogen berücksichtigen. Entgegen der Beschwerde S. 17 ist nicht ersichtlich, dass die Vorinstanz seine "bis anhin stabilen Verhältnisse" "einseitig nur zu seinen Ungunsten gewichtet" hätte (vgl. angefochtenes Urteil S. 16). Es trifft zu, dass er selber keine Betäubungsmittel konsumiert und folglich nicht zur Finanzierung des Eigenkonsums, sondern aus finanziellen Interessen delinquierte. Entgegen seiner Behauptung wurde sein guter Leumund, ohne diesen Ausdruck zu verwenden, im angefochtenen Urteil S. 16 berücksichtigt, ebenso, dass er faktisch als Ersttäter zu gelten hat. Eine "nicht einfache Jugend" sowie die "Flucht aus dem kriegsversehrten Kosovo" (Beschwerde S. 18) gehen aus den Akten nicht hervor. Es ist einzig erstellt, dass er nach Deutschland ausgewandert war, um der militärischen Aushebung zu entgehen (Urteil Strafgericht S. 31). Dass er in Deutschland eine Existenz aufgebaut hat, ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil S. 16. Schliesslich hat die Vorinstanz die familiäre Situation, die wegen der grundsätzlich erhöhten Strafempfindlichkeit zu einer Strafminderung hätte führen können, nicht übersehen, sie dann aber wegen des Missbrauchs der familiären Stellung nicht berücksichtigt (angefochtenes Urteil S. 16).
2.5 Schliesslich zieht der Beschwerdeführer Vergleiche zu Urteilen des Bundesgerichts, die Drogenfälle mit ähnlich hohen Mengen aber tieferen Strafen beziehungsweise ein Urteil mit einer höheren Strafe, aber auch mit einer höheren gehandelten Menge, betrafen. Aus diesen Vergleichen kann er nichts zu seinen Gunsten ableiten, da die Fälle immer unterschiedliche Strafzumessungstatsachen aufweisen. Eine mildere oder härtere Strafe als in einem in etwa vergleichbaren Fall vermöchte als solche noch keine Bundesrechtsverletzung zu begründen (BGE 120 IV 136 E. 3a S. 144; 124 IV 44 E. 2c; Urteil 6S.93/2005 vom 30. April 2005, E. 6.2 und 6.3).
2.6 Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist auf die übrigen Rechtsbegehren nicht mehr einzutreten, die im Zusammenhang mit einer Gutheissung stehen. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
3.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, weil die Rechtsbegehren aussichtslos erschienen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Seiner finanziellen Lage kann mit einer herabgesetzten Gerichtsgebühr Rechnung getragen werden (Art. 65 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 8. Januar 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Schneider Briw