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Original
 
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 7}
I 354/06
Urteil vom 19. Januar 2007
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber Fessler.
Parteien
K.________, 1962,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Viktor Györffy, Gartenhofstrasse 15, 8004 Zürich,
gegen
IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 27. Februar 2006.
Sachverhalt:
A.
A.a Der 1962 geborene K.________ ersuchte Ende Juli 2000 die Invalidenversicherung um eine Rente. Nach Abklärungen (u.a. Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) vom 9. April 2002) sprach ihm die IV-Stelle des Kantons Zürich mit Verfügung vom 29. Oktober 2002 für die Zeit vom 1. Juli 2001 bis 28. Februar 2002 eine halbe Rente und ab 1. März 2002 eine ganze Rente zu. Mit Entscheid vom 20. November 2003 bestätigte das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Rentenzusprechung in allen Teilen (Umfang des Anspruchs und Leistungsbeginn). Mit Urteil vom 26. März 2004 (I 19/04) hob das Eidgenössische Versicherungsgericht Entscheid und Verfügung auf und wies die Sache an die IV-Stelle zurück, damit sie nach ergänzenden Abklärungen im Sinne der Erwägungen über den Anspruch des Versicherten auf eine Rente der Invalidenversicherung neu verfüge.
A.b Die IV-Stelle holte bei den behandelnden Ärzten Berichte ein und unterbreitete der MEDAS Fragen zu Eintritt und Verlauf der Arbeitsunfähigkeit (Bericht vom 30. März 2005). Mit Verfügung vom 13. Dezember 2004 wies sie das Gesuch des K.________ um unentgeltliche Verbeiständung für das nichtstreitige Verwaltungsverfahren ab. Am 28. April 2005 verfügte die IV-Stelle, dass die Wartezeit per Juli 2000 eröffnet wurde und der Rentenanspruch ab Juli 2001 bestehe, was sie mit Einspracheentscheid vom 30. August 2005 bestätigte.
B.
Die Beschwerden gegen die Verfügung vom 13. Dezember 2004 sowie den Einspracheentscheid vom 30. August 2005 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich nach Vereinigung der Verfahren mit Entscheid vom 27. Februar 2006 ab.
C.
K.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 27. Februar 2006 sei aufzuheben und die Sache sei an das kantonale Sozialversicherungsgericht zurückzuweisen, damit es nach ergänzenden Abklärungen neu entscheide, unter Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung.
Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG [SR 173.110]) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205 und 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 395 Erw. 1.2).
2.
Die Verneinung des Anspruchs auf unentgeltliche Verbeiständung für das nichtstreitige Verwaltungsverfahren sowie das erstinstanzliche Beschwerdeverfahren durch das kantonale Gericht ist nicht angefochten. Insofern ist der vorinstanzliche Entscheid in formelle Rechtskraft erwachsen und einer Überprüfung durch das Bundesgericht (bis 31. Dezember 2006: Eidgenössisches Versicherungsgericht) entzogen (BGE 125 V 414 f. Erw. 1b und 2a, 117 V 295 Erw. 2b).
3.
Da die Verwaltungsgerichtsbeschwerde am 1. Juli 2006 beim Eidgenössischen Versicherungsgericht hängig war, richtet sich die Kognition nach Art. 132 Abs. 1 aOG (lit. c der Übergangsbestimmungen zur Änderung des IVG gemäss Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 [AS 2006 2003 ff.]).
4.
Streitig und zu prüfen ist, ob - und bejahendenfalls in welchem Umfang - bereits vor dem 1. Juli 2001 Anspruch auf eine Invalidenrente besteht. Voraussetzung hiefür ist, dass die Wartezeit nach Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG (in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung) vor dem 1. Juli 2000 eröffnet wurde. Im ersten in dieser Sache ergangenen Urteil vom 26. März 2004 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht festgestellt, bei der gegebenen Aktenlage könne nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ab Anfang November 1998 eine erhebliche Arbeitsunfähigkeit ununterbrochen (Art. 29ter IVV) während mindestens eines Jahres im Sinne dieser Bestimmung (vgl. dazu BGE 130 V 99 Erw. 3.2 mit Hinweisen) bestanden habe.
5.
Die IV-Stelle unterbreitete ganz im Sinne des Urteils vom 26. März 2004 der MEDAS die Frage nach Beginn, Ausmass und Verlauf der gesundheitlich bedingten Arbeitsunfähigkeit in der (bisherigen) Tätigkeit als Lagerist/Rüster bei der Firma X.________. Gestützt auf den Bericht der Abklärungsstelle vom 30. März 2005 legte sie den Beginn der einjährigen Wartezeit nach alt Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG auf Juli 2000 und folgerichtig den Rentenbeginn auf 1. Juli 2001 fest, was das kantonale Gericht bestätigte. Die Vorinstanz stellte insbesondere fest, im Zeitraum vom 1. Mai 1999 bis 6. Juli 2000 habe mit Ausnahme November 1999 mit intensiver Physiotherapie eine 100%ige Arbeitsfähigkeit ohne spezifische Einschränkungen, insbesondere ohne eine Hebe- und Traglimite, bestanden.
6.
6.1 Die Ärzte der MEDAS stützten ihre Beurteilung der Arbeitsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht und in Bezug auf das Ausmass der gesundheitlich bedingten funktionellen Leistungseinbusse als Lagerist/Rüster bis zum 6. Juli 2000 im Wesentlichen auf die Berichte des Spitals Y.________, Rheumaklinik, wo der Beschwerdeführer im Zeitraum Februar 1999 bis März 2000 mehrmals untersucht und behandelt worden war. Dies wird zu Recht im Grundsatz nicht beanstandet (vgl. auch Alfred Maurer, Recht und Praxis, Bern 1963, S. 227 Fn 42). Ebenfalls wird nicht geltend gemacht, die MEDAS habe in zeitlicher Hinsicht allenfalls entscheidwesentliche ärztliche Berichte unberücksichtigt gelassen. Der Einwand, die Ärzte der Abklärungsstelle hätten keine Anamnese erhoben und seien daher über die damaligen Beschwerden sowie die Art der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Lagerist/Rüster nicht genau im Bild gewesen, ist insofern nicht zu hören, als der Versicherte selber eine erneute Begutachtung als nicht notwendig erachtete, weshalb die IV-Stelle davon absah.
6.2 Hingegen wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht, die Berichte der Rheumaklinik seien zu wenig klar und schlüssig, als dass darauf abgestellt werden könnte. Insbesondere ergebe sich daraus nicht deutlich, dass sich deren Ärzte einlässlich damit auseinandergesetzt hätten, mit welchen Belastungen die fragliche Tätigkeit verbunden gewesen sei. Jedenfalls könne daraus nicht geschlossen werden, im Zeitraum vom 1. Mai 1999 bis 6. Juli 2000 habe abgesehen von November 1999 Beschwerdefreiheit bestanden. Der Versicherte sei höchstens unmittelbar im Anschluss an die jeweilige Behandlung einigermassen beschwerdefrei gewesen. Beleg hiefür sei u.a., dass es bei einer Arbeitsaufnahme jeweils umgehend zu einer starken Zunahme der Schmerzsymptomatik gekommen sei.
6.3 Diese Vorbringen sind im folgenden Sinne nicht stichhaltig. Vorab wird zu Recht nicht geltend gemacht, die medizinischen Akten liessen den rechtsgenüglichen Schluss auf eine ohne wesentliche Unterbrechung andauernde Arbeitsunfähigkeit als Lagerist/Rüster von mindestens 20 % seit April 1999 bis Anfang Juli 2000 resp. bis Ende Oktober 1999 zu, was für die Eröffnung der Wartezeit im Oktober 1998 genügte (Urteil vom 26. März 2004 Erw. 3.3.2). Folgerichtig werden lediglich ergänzende Sachverhaltsabklärungen durch das kantonale Gericht beantragt. Von weiteren Erhebungen sind jedoch keine verwertbaren neuen Erkenntnisse zu erwarten. Dies betrifft insbesondere die Befragung des Versicherten zu den in der fraglichen Zeit tatsächlich bestandenen Beschwerden. Dazu konnte er sich im Rahmen der ambulanten Untersuche und Behandlung in der Rheumaklinik äussern. Wenn und soweit sodann den Ärzten der MEDAS nicht bekannt gewesen sein sollte, mit welchen Belastungen im Einzelnen die Tätigkeit als Lagerist/Rüster verbunden war, ist dies nicht von entscheidender Bedeutung. Es ist nicht anzunehmen, dass die Ärzte der Rheumaklinik den Versicherten nicht nach der Art dieser Arbeit gefragt und daher nur ungenügend Kenntnis vom Belastungsprofil hatten. Im Zeugnis vom 8. April 1999 wurde ausdrücklich Bezug auf die Tätigkeit als Lagerist genommen und die Arbeit als zumutbar bezeichnet, sofern keine repetitiven Arbeitsgänge zu erledigen und keine Lasten über 15 kg zu heben seien. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Versicherte selber sich im Rahmen der Begutachtung durch die MEDAS vom 26./27. Februar 2002 unterschiedlich zur Belastung bei der Tätigkeit als Lagerist/Rüster geäussert hatte. Bei der rheumatologischen Untersuchung gab er an, er sei mit der Materialbereitstellung mit Heben von Gewichten bis 12 kg aus Regalen beschäftigt gewesen. Gegenüber dem neurologischen Gutachter gab er an, er habe repetitiv Gewichte von maximal 20 kg heben und herumtragen müssen. Der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit durch die Ärzte der Rheumaklinik, insbesondere im Zeugnis vom 8. April 1999 sowie in den Berichten vom 7. September 1999, 19. Oktober 1999 und vom 1. März 2000 an den Hausarzt Dr. med. M.________ und an Dr. med. S.________, kann somit nicht jeglicher Beweiswert abgesprochen werden. Diese medizinischen Unterlagen verbieten nach zutreffender Feststellung des kantonalen Gerichts den Schluss auf eine im Zeitraum April 1999 bis Juni 2000 ununterbrochene erhebliche Arbeitsunfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf als Lagerist/Rüster im Sinne von alt Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG und Art. 29ter IVV. Dies gilt auch in Bezug auf die kryptogene Epilepsie. Der Beschwerdeführer arbeitete vom 22. Mai bis 2. Juni 2000 in der Bäckerei-Konditorei Z.________ und danach bis 23. Juni 2000 in der Werkstatt W.________. Es wird nicht geltend gemacht, dass es während dieser Zeit epilepsiebedingt zu Arbeitsausfällen gekommen war oder deswegen diese Tätigkeiten aufgegeben werden mussten. Das Cervikalsyndrom und die depressive Störung leichten bis maximal mittelschweren Grades sind unbestrittenermassen erst nach dem 6. Juli 2000 für die Arbeitsfähigkeit von Bedeutung.
Der angefochtene Entscheid ist somit rechtens.
7.
Nach dem Gesagten hatte die Verwaltungsgerichtsbeschwerde bei der gegebenen Aktenlage keine Aussicht auf Erfolg. Dem Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung kann infolgedessen nicht entsprochen werden (Art. 152 Abs. 1 OG; BGE 125 V 202 Erw. 4a).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird abgewiesen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
Luzern, 19. Januar 2007
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: