BGer I 627/2005
 
BGer I 627/2005 vom 08.01.2007
Tribunale federale
Prozess {T 7}
I 627/05
Urteil vom 8. Januar 2007
II. Sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Meyer, Präsident,
Bundesrichter Ferrari und Seiler,
Gerichtsschreiber Schmutz
Parteien
IV-Stelle Zug, Baarerstrasse 11, 6304 Zug 6304 Zug, Beschwerdeführerin,
gegen
G.________, 1973, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt David Husmann, Untermüli 6,
6300 Zug 6302 Zug
Gegenstand
Invalidenversicherung
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 30. Juni 2005
Sachverhalt:
A.
G.________, geboren 1973, zog sich am 19. Februar 2000 bei einem Verkehrsunfall verschiedene teils schwere Verletzungen zu. Die IV-Stelle Zug sprach ihr mit Verfügung vom 30. September 2004 ab 1. Juli 2002 bis 30. September 2002 bei einem Invaliditätsgrad von 40 % eine Viertelsrente, vom 1. Oktober 2002 bis 30. September 2003 bei einem Invaliditätsgrad von 50 % eine halbe Rente und ab 1. Oktober 2003 bei einem solchen von 46 % wiederum eine Viertelsrente zu. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 4. Januar 2005 fest.
B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Zug mit der Feststellung gut, G.________ habe ab 1. Juli 2002 Anspruch auf eine halbe Invalidenrente (Entscheid vom 30. Juni 2005).
C.
Die IV-Stelle Zug führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides.
G.________ und die Vorinstanz beantragen Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf Vernehmlassung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V [I 618/06] Erw. 1.2).
2.
Da die Beschwerde am 1. Juli 2006 beim Eidgenössischen Versicherungsgericht hängig war, richtet sich die Kognition des Bundesgerichts noch nach der bis Ende Juni 2006 gültigen Fassung von Art. 132 OG.
3.
Weil der Einspracheentscheid am 4. Januar 2005 ergangen ist, finden bei der Beurteilung des Leistungsanspruches grundsätzlich sowohl die Bestimmungen des auf den 1. Januar 2003 in Kraft getretenen ATSG und der dazugehörenden Verordnung - einschliesslich der damit verbundenen Änderungen des IVG und der IVV - als auch die mit der 4. IV-Revision auf den 1. Januar 2004 neu eingeführten oder geänderten Normen Anwendung.
4.
Im angefochtenen Gerichtsentscheid werden die Bestimmungen über den Begriff der Invalidität (Art. 8 ATSG, Art. 4 IVG), die Ermittlung des Invaliditätsgrades (Art. 16 ATSG), die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch und dessen Umfang (Art. 28 Abs. 1 IVG) sowie die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG [in der bis Ende 2002 gültig gewesenen Fassung]; Art. 16 ATSG) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
5.
Es besteht Einigkeit darin, dass die seit Beginn des Jahres 2002 zu 50 % arbeitsfähige Beschwerdegegnerin mit einer 50-%-Beschäftigung als kaufmännische Angestellte bestmöglich eingegliedert ist. Streitig ist, wie die zur Bestimmung des Invaliditätsgrades zu vergleichenden Erwerbseinkommen festzulegen sind.
6.
6.1 Nach dem Abschluss der Handelsmittelschule 1991 arbeitete die Beschwerdegegnerin bis 1999 in Voll- oder Teilpensen als Serviceangestellte, kaufmännische Angestellte, Verkäuferin und Sachbearbeiterin. Ab Dezember 1999 war sie in der Firma A.________ als kaufmännische Angestellte tätig, um dann am 20. Januar 2000 in der gleichen Funktion in die Firma I.________ einzutreten. Dort war sie zunächst als Temporär-, ab 1. September 2000 als Festangestellte tätig. Bis Ende des Jahres 2001 arbeitete sie in einem 70 %-Pensum, dann ab 2002 bis Ende März 2003 zu 50 %. Seit Juli 2003 arbeitet sie wieder zu 50 % in der Firma A.________ (Bericht der IV-Berufsberaterin vom 19. Januar 2004). Da die Beschwerdegegnerin somit seit dem dritten Monat vor dem Unfall wieder konstant in dem der Ausbildung entsprechenden Bereich arbeitet, in welchem sie auch in den Jahren 1993 bis 1997 immer wieder tätig war, war es gerechtfertigt, wie die Beschwerdeführerin das Valideneinkommen auf Grund der konkreten Verhältnisse festzusetzen und dabei auf die Höhe des auf ein Vollpensum umgerechneten Lohnes abzustellen, den die Versicherte in der Firma I.________ im Jahre 2002 verdient hätte. Ebenso war es richtig, als Invalideneinkommen den in dieser Firma und dann in der A.________ effektiv erzielten Verdienst einzusetzen; denn die bei der Bestimmung des Invalidenlohns von der Rechtsprechung (BGE 126 V 76 Erw. 3b/aa mit Hinweisen) geforderten Voraussetzungen für das Abstellen auf die konkreten Einkommensverhältnisse sind erfüllt.
6.2 Der Einwand der Beschwerdegegnerin, sie sei bereits vor dem Unfall gesundheitlich eingeschränkt gewesen und deshalb sei das Valideneinkommen auf der Basis der statistischen Werte der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) des Bundesamtes für Statistik zu ermitteln, ist nicht stichhaltig. Laut ärztlicher Einschätzung war sie trotz vorbestehender Persönlichkeitsstörung grundsätzlich nicht daran gehindert, voll zu arbeiten (siehe Gutachten Dr. med. N.________, Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 30. Juni 2004, S. 12). An diesen Verhältnissen hat auch der Unfall nichts Wesentliches verändert.
6.3 Nach dem Gesagten kann der auf einem reinen Tabellenlohnvergleich beruhende angefochtene Entscheid nicht bestätigt werden, weil er den rechtsprechungsgemässen Grundsatz verletzt, dass die massgeblichen Einkommen nach Art. 28 Abs. 2 IVG/Art. 16 ATSG so konkret als möglich zu ermitteln sind (BGE 129 V 224 Erw. 4.3.1).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug, Sozialversicherungsrechtliche Kammer, vom 30. Juni 2005 aufgehoben.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Ausgleichskasse für das schweizerische Auto-, Motorrad- und Fahrradgewerbe, Bern, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Sozialversicherungsrechtliche Kammer, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und der Ausgleichskasse des Kantons Zug zugestellt.
Luzern, 8. Januar 2007
Im Namen der II. Sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: